Wenn Milos Raonic (25, ATP 7) heute gegen Roger Federer (34) zum zweiten Mal in Wimbledon den Centre Court für einen Halbfinal betritt, sitzen zwei Trainer in seiner Box. Einerseits der Spanier Carlos Moya, andererseits der Italiener Riccardo Piatti.
Daneben sitzen Freundin, Physiotherapeut und Manager – vielleicht auch Freunde und Familie. Der Mann aber, über den im Dunstkreis des Kanadiers am meisten gesprochen wird, fehlt: John McEnroe, der neuste Berater im Raonic-Team.
Der Grund ist einfach: Der dreifache Wimbledon-Sieger kommentiert für den britischen TV-Sender BBC den Halbfinal. Zeit hat er für Raonic wenig.«Ich bin aufgeregt, Milos hat ein grossartiges Team um sich, nun berate ich ihn auf Rasen», sagt McEnroe, der nicht einmal alle Spiele seines Schützlings gesehen hat.
«Macht nichts, er hat beim Kommentieren einen zusätzlichen Bildschirm und konnte mit einem Auge zuschauen», sagt der 1,98 Meter grosse Kanadier.
Ratschläge erteilt er trotzdem: «Er wohnt in der Nähe und kam abends manchmal vorbei, um die Taktik zu besprechen.» Gestern morgen schlug der 57-Jährige mit dem Kanadier auf dem Trainingsplatz ein paar Bälle – beobachtet von Moya und Piatti.
Raonic ist nicht der Erste, der sich für wenige Wochen einen Berater an Bord holt: Stan Wawrinka (31) wollte sich von Richard Krajicek inspirieren lassen, Andy Murray (29) überredete Ivan Lendl zu einem Blitz-Comeback in London.
Obwohl auch er mit Severin Lüthi (40) und Ivan Ljubicic (37) – bis Ende letzten Jahres Trainer von Raonic – auf zwei Trainer setzt, befremdet Federer die Berater-Epidemie. Er setzt viel lieber auf nachhaltige Lösungen.
Raonic gibt zu, dass McEnroe denn auch mehr als Inspiration dient. «Seine Tipps helfen, aber am Ende bin ich alleine auf dem Platz und muss einen Weg finden, den letzten Punkt zu gewinnen.» Es dürfte sich also eher um ein Signal an die Konkurrenz handeln.
Zwar hat Federer gegen Raonic eine 9:2-Bilanz, das letzte Duell in Brisbane aber ging verloren.
Schon länger sieht er in ihm einen künftigen Grand-Slam-Sieger. Geht es nach Federer und dem Publikum, kann das aber noch eine Weile dauern.
Viel lieber hören wir Trainer und BBC-Kommentator John McEnroe noch einmal so schön schimpfen wie einst 1981. Damals hallte sein berühmter Satz «You cannot be serious» (das können Sie nicht ernst meinen) erstmals über den heiligen Rasen.
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