Heinz Günthardt, die «wichtigste» Frage vorweg: Lackieren Sie sich am Wochenende wieder Ihre Nägel rot?
Heinz Günthardt: Natürlich, pro Punkt ein roter Nagel – am Fed Cup werde auch ich wieder ein bisschen zur Frau!
Welche Geschichte steckt hinter diesem Ritual?
Sie hat sich seit dem gemeinsamen Wochenende in Schweden 2015 entwickelt. Die Mädchen lackieren sich traditionell die Nägel rot, sogar mit weissem Schweizerkreuz darauf. Und pro erzieltem Sieg bemalen sie den drei Männern in unserem Team jeweils ebenfalls einen Nagel rot.
Gehen Sie in ein Nagelstudio?
Das muss ich nicht. Belinda oder Timea sind die perfekten Nageldesignerinnen.
Belinda kann das Team nur passiv unterstützen. Wie sieht die Ausgangslage nun aus?
Das Timing ihrer Verletzung ist natürlich äusserst ungünstig. Doch diese Sorgen ist man im Tennis gewöhnt. Bacsinszky, Hingis und Golubic können die Absenz auffangen. Es müssen jetzt aber alle Dinge zusammenspielen. Die Tschechinnen müssen ebenfalls auf Spielerinnen verzichten, sind aber immer noch extrem stark besetzt.
Im zweiten Halbfinal spielt Frankreich gegen Holland. Ist Titelverteidiger Tschechien die schwierigste Hürde auf dem Weg zum Triumph?
Auf dem Papier ja – die Tschechinnen gewannen vier der letzten fünf Fed Cups. Aber ein Final-Einzug wäre noch immer keine Garantie. Auch die Französinnen haben ein ausgeglichenes Team. Es gibt stets viele Überraschungen auf der WTA-Tour.
Ist Timea Bacsinszky ihrer Rolle als Nummer 1 gewachsen?
Ihre Formkurve führt zum richtigen Zeitpunkt nach oben. Sie hat den Erfolg so verdient. Sie ist eine emotionale Spielerin, die auf dem Court sehr authentisch ist, und in jeder Minute versucht, noch besser zu werden. Dass sie das Team anführen kann, hat sie schon bewiesen. Vor einem Jahr in Polen traten die selben drei Spielerinnen an, die jetzt nominiert sind. Timea punktete zweimal gegen die Radwanska-Schwestern. Was Viktoria Golubic mit ihr im entscheidenden Doppel leistete, war schlicht unglaublich. Und Martina Hingis spielt mit ihrer Erfahrung logischerweise immer eine tragende Rolle.
Ihre Erfolge im Doppel blieben in den letzten Wochen aus.
Martinas Lauf von 41 Siegen in Serie wurde unterbrochen. Sofort haben die Gegner wieder etwas weniger Respekt, das ändert viel. Dazu darf man nicht vergessen, dass im WTA-Doppel – wo es im Game nach «Einstand» keinen «Vorteil» gibt, der nächste Punkt also direkt entscheidet – die Margen kleiner sind als im Einzel. Da kanns schon mal schnell gehen.
Was erwarten Sie vom Heimvorteil in Luzern?
Wir kamen seit drei Jahren nicht mehr in den Genuss eines Heimspiels. Im internen Fed-Cup-Chat zeigt sich, dass sich alle sehr freuen, wieder einmal daheim zu spielen. Timea geniesst die grosse Bühne, Martina sowieso. Wir hoffen auf laute Unterstützung der Heimfans.
Lenkt der Rummel auch ab und erhöht den Druck?
Seit Montag sind wir zusammen, und ich erwarte nicht, dass alle die ganze Woche lang nur auf Samstag fokussiert sind. Eine gewisse Lockerheit muss sein, du kannst nicht immer Plan A durchstieren. Das gemeinsame Znacht-Essen im Team, dass sich super versteht, ist deshalb genauso wichtig wie drei Stunden Training.
Die Namen der Schweizerinnen widerspiegeln einen kulturellen Mix. Spüren Sie den?
Ja, unser Team spricht zusammen neun Sprachen! Ich bin der einzige «waschechte» Schweizer – die anderen sind ein Mix aus Verschiedenem und bringen so auch viele Fähigkeiten zusammen. Es sind unterschiedliche Qualitäten in Nuancen, die gegenseitig sehr befruchtend sind und eine extrem potente Mischung ergeben. Die Herzen der Mädchen schlagen aber zu hundert Prozent für die Schweiz, das steht ausser Frage. Das sieht man eben auch an den lackierten Fingernägeln ...