«Mr. Nightsession» ist es nicht gewohnt, das erste Match des Tages an einem Turnier zu spielen. Aber für seinen Viertelfinal gegen Hubert Hurkacz (ATP 67) muss Roger Federer an diesem Freitagmorgen sein Mietshaus früh in Richtung Tennis-Paradies Indian Wells verlassen. Aufwärmen fürs Einspielen, wieder Aufwärmen – um 11 Uhr Ortszeit steht er auf dem Centre Court.
«Kein Problem», soll der 37-Jährige später sagen, seit er Kinder habe, sei er das Frühaufstehen gewohnt. «Um 7 Uhr war ich auf und frisch, weil ich am Vortag nicht gespielt habe und zeitig ins Bett ging.» Ganz früher sei es noch viel krasser gewesen: «Ich musste schon um sechs Uhr nach München für einen Halbfinal gegen Marco Chiudinelli abfahren», erklärt er.
In der Partie gegen Hurkacz wirkt Federer von Beginn an hellwach. Er braucht ein, zwei Games, um sich auf den schnellen Aufschlag des 1,96m-grossen Polen einzustellen. Der ist auf dem Platz längst nicht so schüchtern, wie bei seinen Interviews, wo er wie ein unsicherer Schulbub beim Vortrag auf dem Podium sitzt. Roger zeigt dem 22-jährigen Hurkacz im ersten Satz dennoch eine Lehrstunde: Schon beim Stand von 2:2 nutzt er den ersten Breakball und schlägt zu. Er spielt aggressiv, stürmt manchmal geradezu übermütig ans Netz, holt «Chip and Charge» und «Sabre» aus seinem Repertoire – und bringt die Führung nach genau einer halben Stunde ungefährdet zum 6:4.
Familie und Freunde – darunter Legende Rod Laver und Microsoft-Milliardär Bill Gates – sehen zu, wie Roger seinen Sturmlauf weiter fortsetzt. Das vorentscheidende Break fällt zum 2:1. Zwar muss er noch zwei Breakbälle abwehren, doch am Ende ist sein Halbfinal-Einzug ebenso souverän mit 6:4 nach 73 Minuten vollbracht, wie sämtliche vorherigen Runden bei diesem Masters-1000-Event: ohne Satzverlust, ohne ein enges Tiebreak, mit nur einem Break gegen sich im Turnier.
«Wir werden noch viel von ihm sehen», prophezeit Federer seinem jungen Gegner. Die Auftritte des 37-jährigen müssen indes in vollen Zügen genossen werden, solange es sie noch gibt, denn: «Selbstverständlich ist es nicht, in dem Alter noch auf der Tour zu sein.» Alleine auf der Tour würde er das nie machen, so Roger. Nur weil er seine Familie dabei habe, sei das möglich. «Denn schliesslich will ich meine Frau Mirka und die Kinder so viel wie möglich sehen. Danke an dieser Stelle den Organisatoren, die uns das Erlebnis hier als Familie so fantastisch ermöglichen.»
Halbfinal-Klassiker gegen Nadal
Der fünffache Indian-Wells-Sieger steht in der kalifornischen Wüste erneut im Halbfinal. Noch einen Schritt von der Chance entfernt, seine bittere Vorjahres-Niederlage nach Matchbällen gegen Juan Martin del Portro wieder gutzumachen. Erneut steigt die Partie relativ früh am Tag – Federer spielt den zweiten Halbfinal gegen 13 Uhr Ortszeit (ca. 21 Uhr Schweizer Zeit). «Die Spielansetzung ist speziell», bemerkt der Schweizer, er findet sie aber vernünftig: «So spielen wir in Europa zur Primetime. Night Sessions hier im Westen Amerikas würden bedeuten, der Markt an der Ostküste oder in Europa wäre unwichtig.»
Sein Halbfinal-Gegner ist kein Geringerer als Rafael Nadal. Diesen Tennis-Klassiker gabs schon 38 Mal (23:15 für Nadal). Aber seit Herbst 2017 in Shanghai nicht mehr. Im ganzen Jahr 2018 trafen sie sich nie, nahmen nicht einmal am gleichen Turnier teil – Federer liess die Sandsaison aus, oder Nadal pausierte verletzt.