Jil Teichmann bei der Pokal-Übergabe total verwirrt
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Bei ihrem ersten Turniersieg:Jil Teichmann bei der Pokal-Übergabe total verwirrt

«Ein neues Leben beginnt»
Teichmann stammt aus Barcelona, siegt aber für die Schweiz

Sie stammt aus Barcelona. Aber sie siegt für die Schweiz. Jil Teichmann (21) schreibt in Prag ein Tennis-Märchen.
Publiziert: 05.05.2019 um 10:36 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2019 um 10:43 Uhr
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«Ganz ehrlich: Ich bin sprachlos! Ich habe gekämpft, gekämpft, es war eine richtige Schlacht», sagt sie unmittelbar nach dem Spiel.
Foto: AFP
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Stefan MeierLeiter Desk Sport

Es ist eine der grössten Sensationen der jüngeren Schweizer Tennis-Geschichte. Jil Belen Teichmann gewinnt als erst 11. Schweizerin ein WTA-Turnier. In Prag kämpft sie sich erst durch die Qualifikation, reiht 8 Siege aneinander – und darf erstmals einen Pokal stemmen.

Es ist nicht nur ihr erster Turniersieg. Es war auch ihr erster Final. Erster Halbfinal. Erster Viertelfinal. Teichmann erlebte in der letzten Woche einige Premieren. 

Die 21-Jährige ist ein unbeschriebenes Blatt. Nur eingefleischten Tennis-Fans ist sie ein Begriff. Bis heute ist ein 132. Platz ihre beste Klassierung in der Weltrangliste. Wenn morgen die neue Rangliste erscheint, wird sie auf dem 87. Platz auftauchen. Es ist klar: Den Namen Teichmann muss man sich merken.

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Davon ist Heinz Günthardt fest überzeugt. Der Tennis-Experte ist im Fedcup-Team Captain der Linkshänderin. Und er sagt: «Sie hat das Tennis und die Athletik. Von daher, ist ihr eigentlich für die Zukunft alles zuzutrauen. Es ist extrem vieles möglich.»

Doch der Reihe nach: Wer ist Jil Belen Teichmann? Die Bielerin ist die Tochter von Schweizer Eltern. Geboren und aufgewachsen ist sie aber in Barcelona. In den Flitterwochen hatten sich Jacques und Regula Teichmann in die katalanische Stadt verliebt und sind dort hängen geblieben.

Den grössten Teil ihres Lebens verbrachte Jil in Barcelona. Dort hat sie das Tennisspielen gelernt. Dort befindet sich ihre Tennis-Basis. Dort lebt sie auch jetzt hauptsächlich. Und trotzdem sagt sie klipp und klar: «Ich bin Schweizerin. So fühle ich mich!»

Sie besuchte in Spanien eine Schweizerschule. In den heimischen vier Wänden wurde schweizerdeutsch gesprochen. Darum rutscht ihr während ihrer englischen Siegesrede gestern auch ein «Du bisch de Bescht» in Richtung ihres Vaters raus. Einen spanischen Pass besitzt Teichmann nicht. Darum kam es auch nie in Frage, für Spanien anzutreten. Für die Linkshänderin gibt’s nur die Schweiz.

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Zum Glück. Denn dass Teichmann eine ausgezeichnete Tennisspielerin ist, weiss man schon seit Juniorentagen. Bei den US Open siegte sie im Junioren-Doppel. Aber schon damals begleitete sie ein Problem, dass sie bis in die letzte Woche mitnahm.

Teichmann zeigte zwar immer wieder gutes Tennis. Aber sie warf die Früchte ihrer Arbeit zu oft weg. «Jil hatte schon immer gute Schläge und eine gute Athletik. Aber sie hat oft viele Punkte verschenkt in wichtigen Momenten. Das hat viel mit Selbstvertrauen zu tun», erklärt Günthardt.

Geht es nach ihm, kann Teichmann fast zu viel. Sie ist hervorragend in Offensive und Defensive – und verzettelt sich dann in der Wahl des richtigen Spiels. Günthardt: «Manchmal hat sie zu viel gewollt, und manchmal zu sehr auf abwarten gespielt.» Das Gespür für den Moment in den Matches hat zu oft gefehlt.

Dass es ihr jetzt plötzlich aufgegangen ist, lässt sich nur schwer erklären. Das alles spielt sich im Kopf ab. Aber für Günthardt ist klar, dass dieser 7:6, 3:6, 6:4-Erfolg gegen Karolina Muchova der Startschuss zu viel mehr sein kann. «Dann bist du schnell eine ganz andere Spielerin.»

Zumal nicht nur vom Talent her sämtliches Rüstzeug vorhanden ist. «Das Umfeld ist sehr gut organisiert, schon seit Jahren. Das war nie das Problem», sagt Günthardt. «Sie bringt alles mit, arbeitet sehr seriös und fokussiert.» 

Dass sie auch ein Kämpferherz hat, zeigt sie gestern im Final. Sie muss sich behandeln lassen, die Beine schmerzen. Zudem liegt sie im Entscheidungssatz 0:2 zurück. «Ich bin erschöpft und sprachlos», sagt Teichmann. «Ich kämpfte und kämpfte, es war ein grosser Kampf. Aber eine von uns musste schliesslich gewinnen.»

Der Erfolg für Teichmann war nötig. Seit fünf Jahren ist sie schon auf der Tour. Doch der Weg nach oben verläuft schleppend, sie bleibt in den Regionen um Rang 150 stecken. Was problematisch werden kann, wenn es zu lange dauert. «Irgendwann kann sich das Gefühl einschleichen, dass man dahin gehört. Es gibt viele, die dort festhängen», so Günthardt. Auch darum sei dieser Sieg so wichtig. «Irgendwann muss man einmal etwas Grösseres reissen und das ist ihr nun gelungen. Sie steht jetzt in den Top hundert, für Jil beginnt damit ein neues Tennis-Leben.» 

Denn als Top-100-Spielerin öffnen sich plötzlich neue Wege an die Turniere. Quali-Runden fallen weg. In Wimbledon und an den US Open wird sie erstmals dem Hauptfeld angehören. Die Frage wird nun sein, was Teichmann aus ihrem neuen Tennis-Leben macht.

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