Der Zupfmeister aus Spanien
So tickt Nadal

Nadals Rituale: Für Zuschauer und Gegner ein Ärgernis, für den Sportpsychologen ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Publiziert: 04.06.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:03 Uhr
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Nadals Aufschlag-Ritual in zehn Schritten. Zuerst Schuh abklopfen links.
Foto: Sven Thomann
Von Philipp Bärtsch (Text) und Sven Thomann (Fotos) aus Paris

Man wird es heute in der Neuauflage des letztjährigen Finals gegen David Ferrer wieder bis à gogo beobachten können: Wie Rafael Nadal mit dem Ordnungs­fimmel eines Feldweibels Getränkeflaschen und Bananen büschelt. Wie er zwischen den Ballwechseln keinen Fuss auf eine Linie setzt. Wie er mit dem Handtuch den Schweiss abtropft. Wie er an seinen Hosen, Leibchen und Haaren zupft.

Ticks? Aberglaube? Oder sogar krankhafte Zwangsstörungen? Nadal, der Psycho? «Nein!», widerspricht Jürg Bühler, Sportpsychologe und Ausbildungschef bei Swiss Tennis, vehement. «Das käme in Frage, wenn seine Routinehandlungen sinnlos wären. Weil aber mit jedem Schritt dieses immer gleichen Ablaufs im Kopf etwas ausgelöst wird, das letztlich zum idealen Konzentrationszustand führt, reden wir von Ritualen.»

Parallel zu den Handlungen läuft ein Gedankenfilm ab. Das Ziel: den letzten Punkt vergessen, den Fokus voll auf den nächsten verlagern. Bühler sagt, dass sich jeder gute Spieler zwischen den Ballwechseln an ein fixes Drehbuch halte. «Bei Nadal sind die Rituale einfach besonders zahlreich, zeitintensiv und auffällig», sagt Bühler. «Und haben deshalb den für ihn positiven Nebeneffekt, dass sich viele Gegner nerven.»

Nadal taugt für Bühler nicht als Vorbild für den Nachwuchs. «Das ist vielmehr Roger Federer, der sich an ein Minimalritual hält. Es darf mehr, sollte aber nicht weniger sein.» Federer war als Teenager ein Tennis-Flegel, der oft die Kontrolle über seine Emotionen verlor. Seine Entwicklung zum Musterknaben wurde von einem Sportpsychologen begleitet, der ihn Techniken des Ritualisierens lehrte. «Federer hatte den Vorteil, dass er das unbedingt wollte. Weil es ihn ärgerte, dass er ausflippte.»

Ausflippen sieht man auch Nadal nie. Zumindest fast nie. In Erinnerung geblieben sind die Szenen bei den ATP World Tour Finals 2010, als sich Nadal mit Schiedsrichter und Super­visor heftig stritt und sogar signalisierte, dass er nicht weiterspiele.

Dann besinnt er sich urplötzlich, spult seine Rituale ab und wuchtet seine Aggressivität in den nächsten Ball.

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