Belinda Bencic vor Wimbledon
«Ein ganz besonderes Prickeln im Bauch»

Wimbledon – das ist ihr Lieblingsturnier. Belinda Bencic (19) vor ihrem ersten Spiel über ihre Familie, Kritik, Freundschaften und Verletzungen.
Publiziert: 26.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:36 Uhr
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Posieren an der «Player Party»: Belinda Bencic.
Foto: imago, Getty Images
Simon Häring (Interview)

SonntagsBlick: Belinda Bencic, mit welchen Gedanken reisen Sie nach Wimbledon?
Belinda Bencic: Es ist schon ein sehr schönes Gefühl und mit grossen Emotionen verbunden. Vor allem wenn ich an meinen Sieg bei den Juniorinnen vor drei Jahren denke. Nicht jeder kann so etwas erleben. Nun spiele ich bereits das dritte Jahr bei den Frauen, habe mehr Erfahrung und eine gewisse Routine. Trotzdem habe ich noch ein ganz besonderes Prickeln im Bauch, wie beim ersten Mal. Wimbledon ist mein Lieblingsturnier.

Wo wohnen Sie in London?
Wir sind zum dritten Mal in einem Hausteil untergebracht. Ich kenne mich dort inzwischen aus, und wir verstehen uns gut mit der älteren Frau, die dort wohnt. Sie macht uns jeweils ein super Morgenessen. Zudem hat es einen grossen Garten.

Sie waren nun lange verletzt, eine schwierige Zeit?
Ich sehe das als Teil des Berufs. Für mich war es die erste längere Pause. Jeder hat in seiner Karriere Verletzungen, da bin ich nicht die Erste.

Sie haben zuletzt drei Turniere in Folge bestritten. Ihr Fazit?
Ich hatte schwierige, enge und lange Matches. Ich habe es natürlich nicht absichtlich gemacht, aber es ist gut, solche Spiele zu haben, wenn man zurückkommt. Dann ist man auch mental gefordert, was man im Training nicht üben kann.

Sind Sie zufrieden mit Ihrer Form?
Ich bin sicher nicht auf dem Level, auf dem ich sein möchte. Aber ich kann nicht erwarten, dass ich ­zurückkomme und gleich dort anschliessen kann, wo ich zuvor war. Das muss ich mir erst erkämpfen.

In Birmingham haben Sie sich dann die Adduktoren gezerrt.
Das war bitter, dass ich gleich beim fünften Punkt ausgerutscht bin, da konnte ich nicht viel machen. Aber in meinem Kopf ist das abgehakt.

Und die Startniederlage in Eastbourne gegen Jelena Wesnina?
Dort war es ein sehr enges Spiel (6:7, 6:7, Anm. d. Red.) gegen eine Gegnerin, die einen Lauf hat. Ich finde, dass ich dort einen guten Match gezeigt habe. Trotzdem war ich sehr enttäuscht und frustriert. Aber insgesamt ist das Comeback positiv verlaufen.

Welche Lehren ziehen Sie aus den letzten Monaten?
Bisher hatte ich immer einen Konditionstrainer und einen Trainingspartner dabei. Wir haben nun beschlossen, dass ich mir einen Physiotherapeuten nehme. Ich hoffe, dass es dadurch besser wird. Zwar sind die Physiotherapeuten der WTA ­super und bei den Turnieren reicht das auch. Aber es braucht auch in den Trainingsphasen einen Physiotherapeuten und zwar jeden Tag.

Martina Hingis hat im April ­gesagt, Sie hätten ein paar ­Monate wohl etwas das Training vernachlässigt. Wie gehen Sie mit so einer Kritik um?
Das habe ich gar nicht gelesen.

Hingis sagt, sie hätten zu wenig trainiert. Kritiker aber behaupten, Sie würden zu viele Turniere bestreiten. Wie sehen Sie das?
Ich höre immer weniger auf die Meinung anderer Leute. Manchmal bekomme ich das zwar mit, aber ich reagiere weniger darauf. Die Leute wissen ja nicht, was ich genau ­mache und was mein Plan ist. Das sind Leute, die hinter einem Computer sitzen und irgendetwas behaupten, das ist auch ihr gutes Recht.

Sie finden also nicht, dass Sie zu viele Turniere bestritten haben?
Schwierig zu sagen. Anfang 2015 habe ich gleich viele Turniere gespielt, aber mehr verloren, was bedeutet, dass ich weniger Matches gespielt habe. Dann habe ich angefangen zu gewinnen. Erst in Eastbourne, dann in Wimbledon und Toronto.

Hätten Sie dann reagieren sollen?
Ich habe realisiert, dass es viel wurde, darum werde ich in Zukunft Turniere auslassen, wenn ich gut spiele. Das Problem ist, dass ich zum Beispiel jetzt Spiele brauche. Es ist immer eine sehr feine Linie zwischen zu viel und zu wenig und ich muss jeweils im Moment entscheiden.

Das ist auch ein Lernprozess.
Sicher. Ich bin jedes Jahr etwas klüger und erfahrener. Es geht darum, aus dem vergangenen Jahr und den letzten Turnieren zu lernen.

Vorschusslorbeeren aus der ­Junioren-Zeit können belastend sein. Wie gehen Sie damit um?
Die Erwartungen waren bei mir ­immer schon hoch, das ist normal, weil ich als Juniorin so erfolgreich war. Diesen Schritt zu den Grossen muss man aber auch machen und das ist mir gut gelungen. Ich bin schnell in die Top Ten gekommen. Es ist klar, dass es nicht nur nach oben geht. Ich kann nicht erwarten, dass es immer so weitergeht, dass ich mich jede Woche in der Weltrangliste verbessere, bis ich die Nummer 1 bin. So einfach ist es nicht.

Sind Sie manchmal ungeduldig?
Klar, mache ich mir selber einen gewissen Druck, aber ich bin schon geduldig. Man muss sich immer klarmachen, dass es Zeit braucht, bis ich konstant gut spiele. Ich bin 19. Bei anderen hat es länger gedauert, bis sie ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewonnen haben.

Sie fühlen sich nicht unter Druck?
Jeder hat einen gewissen Druck, finde ich. Nicht nur Sportler, ­sondern auch Leute, die arbeiten, haben den Druck, dass sie Geld verdienen müssen.

Auf wessen Urteil vertrauen Sie?
Was ich höre und annehme, ist, was mein Team, meine Trainerin (Melanie Molitor, d. Red.) oder mein Papi sagen. Vor allem zählt aber, was ich von mir selber erwarte und was ich spüre. Was die Leute sagen oder denken, interessiert mich immer weniger. Sie wissen ja nicht, ob ich fit zum Turnier komme, oder ob ich zum Beispiel Kopfschmerzen habe.

Ihr Vater ist auch Ihr Trainer, gibt es da manchmal Reibereien?
Auf dem Platz ist er mein Trainer und das respektiere ich. Daneben ist er mein Papi. Das funktioniert gut. Aber es ist ja klar, dass es nicht immer super geht. Auch ein Papi und eine Tochter, die nicht Tennis spielen, streiten einmal, das ist ja völlig normal.

Hat sich seine Rolle im letzten Jahr verändert?
Nicht gross. Wir haben gemerkt, dass wir einander mehr Freiheiten geben müssen. Am Anfang haben wir das Zimmer geteilt, gingen ­zusammen essen. Ich bin jetzt selbständiger neben dem Platz und habe mein eigenes Zimmer, gehe mit Kolleginnen essen, damit wir nicht immer aufeinanderhocken.

Sie verbringen viel Zeit mit Kiki Mladenovic, während Spielerinnen wie Muguruza und Bouchard sagen, Freundschaften seien unmöglich. Wie beurteilen Sie das?
Das hängt sicher mit meiner Persönlichkeit zusammen. Ich bin ein sehr offener und fröhlicher Typ. In der Garderobe verstehe ich mich mit allen. Mit Kiki hat es von Anfang an gepasst und klick gemacht. Es ist schön, jemanden zu haben bei den Turnieren, mit jemandem über alles reden zu können, es neben dem Platz lustig zu haben.

Und auf dem Platz? Zuletzt haben Sie gegen Mladenovic verloren.
Da ist es natürlich anders. Auf dem Platz stellen wir ab, dass wir Freundinnen sind. Wir sehen uns dann als Gegnerinnen. Aber nach dem Handschlag ist alles wieder gut. Das ist eine Frage der Einstellung.

Wie wichtig sind Ihnen solche Freundschaften?
Ich finde es wichtig, dass man ­jemanden hat, dem man vertrauen kann, mit dem man persönliche Dinge besprechen und auch eine gute Zeit haben kann, damit man nicht immer alleine ist.

Was unternehmen Sie gemeinsam?
Wir sind zusammen im Hotel, ­hängen ab, gehen Nachtessen, in die Stadt, zum Shopping oder ins Fitnessstudio. Es ist nicht so, dass wir dauernd miteinander abhängen, aber wenn wir uns sehen, ­haben wir uns etwas zu sagen.

Haben Sie noch Freunde aus der Schulzeit?
Ich habe noch Kolleginnen in der Schweiz, aber das sind alles Sportlerinnen, die verstehen mich ­einfach am besten. Meine Freundinnen aus der Schule machen alle ganz andere Dinge. Darum ­haben wir uns nicht mehr so viel zu erzählen.

Macht Sie das traurig?
Es ist nicht so, dass ich mega traurig wäre, und es ist schön, wenn ich sie jeweils sehe, und wir haben noch Kontakt, zum Beispiel über Facebook. In jedem Lebensabschnitt hat man seine Kolleginnen und lernt neue Leute kennen. Man kann nicht immer die gleichen ­haben.

Sehen Sie Ihre Mutter und Ihren Bruder inzwischen öfter?
Ich sehe sie mehr. Heute ist es für uns auch finanziell einfacher, ein Ticket zu buchen, damit Mami an ein Turnier fliegen kann. Brian spielt selber auch Turniere und meine Mutter reist mit ihm oft mit. Es ist nicht so, dass wir uns viel sehen, aber wir versuchen, möglichst viel Zeit als Familie zu verbringen.

Vermissen Sie Ihre Mutter manchmal?
Ich finde es immer super, wenn meine Mutter mich als Abwechslung an ein Turnier begleiten kann.

Was sind Ihre Erwartungen für Wimbledon?
(Lacht) Jetzt kommt die Frage, die ich so gerne beantworte. Ich habe keine Erwartungen und werde nie etwas anderes sagen. Klar, ich möchte die erste Runde gewinnen, habe gut trainiert und hoffe, dass ich selbstbewusst auf den Platz gehe.

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