Selten hat die Politik Roger Federers Ruhe so sehr beeinflusst. Einen Monat lang beobachtete der 38-Jährige die Situation in Chile. Jetzt ist er selbst da, in Santiago. Und hat Glück: Vor fünf Tagen beruhigte sich die Gewalt in der chilenischen Hauptstadt, nachdem die Politiker eine neue Nationalverfassung verabschiedet hatten.
So stand der Exhibition am Dienstagabend gegen Alexander Zverev nichts im Weg. Der Event, der erste einer Reihe weiterer Exhibitions in Lateinamerika, geriet nach den heftigen Unruhen mit 24 Toten und Tausenden Verletzten in Zweifel.
Keine Demos wegen Federer
«Roger, gib mir Zwillinge!», schrie eine Zuschauerin mitten im Spiel, das abends um 22 Uhr begann. Sie war nicht die Einzige der rund 14'000 Menschen in der Movistar Arena in Santiago, die den Schweizer anhimmelte. Federer löste eine wahre Euphorie aus in einem Land, das es nicht gewohnt ist, grosse Persönlichkeiten des Sports zu sehen.
Zwar war Federer nicht einmal 24 Stunden in Chile, weil er am Mittwoch bereits in Buenos Aires spielen soll. Trotzdem konnte er einen alten Rivalen treffen: Fernando Gonzalez.
Alles in allem war es ein glücklicher Tag in Santiago. Denn Gerüchte über eine Demonstration gegen die Anwesenheit des Tennis-Maestros bewahrheiteten sich nicht. Viele beklagten sich über die elitäre Seite des Besuchs, der ausschliesslich in den reichsten Gebieten der Stadt stattfand.
Lockere Nacht in Santiago
«Das Ticket für Federer ist ein ganzer Monatslohn», schrieb mehr als ein Chilene in sozialen Netzwerken. Und während Federer in Santiago gegen Zverev spielte, der dem Schiedsrichter 150 Euro gab, um ein Urteil zu ändern – ein klarer Beweis für die entspannte Nacht –, übertragen die argentinischen Medien Interviews mit der Nummer drei der Welt.
Dabei geht es auch über ein mögliches Mixed-Doppel an den Olympischen Spielen mit Belinda Bencic. Zudem war er einmal mehr gezwungen, über das Leben nach dem Sport zu sprechen: «Ich bin bescheiden genug, um etwas von vorne beginnen zu können. Ich glaube nicht, dass ich, nur weil ich gut Tennis spiele, alles tun kann. Ich denke, es ist wichtig, zurückzutreten und zu verstehen, dass man neue Dinge lernen muss.»