Unterhalb der Kitzbüheler Luggeistiege steht ein 500 Jahre altes, denkmalgeschütztes Haus, in dem der älteste noch lebende Hahnenkamm-Sieger mit seiner Lebensgefährtin Ida Hechenberger residiert. Karl Koller heisst der Mann, der am 16. April den 100. Geburtstag feiern möchte. «Da ich ein ausgesprochener Realist bin, plane ich nicht mehr in Jahren. Ich nehme Tag um Tag. Aber ich bin auch ein richtig zäher Hund und kann mir schon vorstellen, dass ich den Hunderter noch schaffe.» Kollers Stimme klingt nach wie vor kräftig. Und die Gedichte, die er noch fast täglich zu Papier bringt, belegen, wie wach sein Geist noch ist.
Er lernte Sissy das Wedeln
Und ja, Karl Koller kann sich noch ganz genau an die Anfänge seiner geschichtsträchtigen Ski-Karriere erinnern. «Von meinen sehr strengen Eltern habe ich nie ein Lob bekommen. So habe ich einfach versucht, richtig schnell Ski zu fahren. Ich wollte mir die fehlende Anerkennung mit Erfolgen im Sport erkämpfen.»
Seinen grössten sportlichen Erfolg feiert er im Winter 1946 mit einer ungewöhnlichen Vorgeschichte. «Nach dem Kriegsende habe ich in Kitzbühel amerikanischen Militärs Ski-Unterricht gegeben. Kurz vor dem Hahnenkamm-Rennen habe ich einem Oberst gesagt, dass ich bei diesem Rennen auch gerne einmal starten würde. Der Oberst hat mir zwei Tage frei gegeben.»
Ein Glück! Denn Koller gewinnt in diesen zwei Tagen mit seinen braunen Holzski, für die er drei Jahre Geld gespart hat, die Hahnenkamm-Kombination. «Ich hatte einen Vorteil. Als Skilehrer fuhr ich nach getaner Arbeit nachts jeweils die Streif hinunter. So habe ich mich auf dieser Piste blind ausgekannt.»
Damals sei die Piste für die Rennen noch kaum präpariert worden. Sie war voller Löcher. «Im Gegensatz zu heute fuhren wir Slalom und Abfahrt noch mit denselben Ski, das waren 2,20 Meter lange Holzlatten. Ich sprang also um die Kurven wie ein Steinbock!»
Nach seiner Ski-Karriere wollte Koller eigentlich Schriftsteller werden und um die Welt herumreisen. Im Eigenverlag brachte er tatsächlich ein paar Bücher und Gedichtbände heraus, richtig Karriere aber macht er erst mit der Gründung der Kitzbüheler Ski-Schule «Rote Teufel». Koller brachte Berühmtheiten wie Sissy-Darstellerin Romy Schneider das «Wedeln» bei und revolutioniert als Erfinder des Kurz-Ski die Skitechnik.
Kollers Geburtstagswunsch
Doch die wilden Zeiten sind vorbei. Vor fünf Jahren hat Koller zum letzten Mal Ski angeschnallt. «Seitdem verfolge ich diesen Sport nur noch im Fernsehen. Ich bin froh, dass ich noch in einer anderen Zeit Rennfahrer sein durfte. Die Pisten sind heute viel zu eisig präpariert. Ich habe Eis auf der Piste gehasst.»
Koller lehnt sich zurück. Einen grossen Wunsch zu seinem Hundertsten hätte er da schon noch. «Eine meiner Nichten lebt in den USA und wird dort oft so von Heimweh geplagt, dass sie mit den Amerikanern Tiroler Lieder singt. Ich wünsche mir, dass sie zu meinem Geburtstag nach Österreich kommt.»