Weltcup-Neuling Alessio Miggiano hat aussergewöhnliche Fähigkeiten
Odermatts Coiffeur ist unsere neue Abfahrts-Hoffnung

Während sein Vater Höchstleistungen am Kochherd abliefert, wird Alessio Miggiano von Experten eine erfolgreiche Zukunft im Alpin-Zirkus vorhergesagt. Dass der Zürcher mit südländischen Wurzeln ein besonders schnittiger Typ ist, weiss auch Marco Odermatt.
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Der 23-jährige Alessio Miggiano steht vor einer besonderen Herausforderung.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Feinschmecker schnalzen bereits seit Jahren mit der Zunge, wenn sie an Miggiano denken. Domenico und Rita Miggiano führen seit der Jahrtausendwende den Gasthof Löwen in Bubikon ZH. Der gebürtige Süditaliener wurde für seine Kochkünste mit einem Michelin-Stern geadelt. GaultMillau hat den Löwen als «Perle im Zürcher Oberland» beschrieben und mit 16 Punkten bewertet.

Der älteste Sohn des Hauses lanciert in diesem Winter seine Jagd nach Weltcuppunkten – Alessio Miggiano gehört zu den grössten Ski-Talenten. In der letzten Europacup-Saison hat sich der 23-Jährige mit dem zweiten Rang in der Abfahrts-Gesamtwertung einen Fixplatz im Weltcup gesichert.

In der Vorbereitung auf die Olympia-Saison hat der Speed-Spezialist gestandene Abfahrer wie Niels Hintermann (2 Weltcupsiege) mit seinen Trainingsleistungen beeindruckt: «Wenn Alessio so weitermacht, werden wir an ihm in den nächsten Jahren sehr viel Freude haben.»

Im GC-Dress zum FCZ-Test

In seiner Kindheit hat Miggiano auch auf dem Fussball-Platz für Aufsehen gesorgt. Als E-Junior beim FC Hinwil ist er den Talentspähern des FC Zürich ins Auge gestochen.

Mit seinem Outfit hätte sich der kleine Mittelfeldspieler jedoch bei den Stadtzürchern um ein Haar ins Abseits befördert. «Das erste Probetraining habe ich in einem GC-Leibchen absolviert. Zum zweiten Test bin ich dann in einem Barcelona-Shirt erschienen, worauf ich in die U13 vom FCZ aufgenommen wurde. Der Trainer hat mir aber gesagt, dass es für mich sehr schwierig geworden wäre, wenn ich auch im zweiten Training das Trikot des Erzrivalen getragen hätte …»

Allzu lange hat seine Laufbahn beim FCZ aber nicht gedauert. «Als junger Fussballer war ich ein sehr schlechter Verlierer. Deshalb habe ich mich für das entschieden, was ich im Alleingang beeinflussen kann, ob ich gewinne oder verliere – Skifahren!» Ab dem 15. Lebensjahr war Miggiano an der Sportschule in Engelberg OW, wo er den grössten Teil seiner kaufmännischen Ausbildung absolvierte und als Rennfahrer grosse Fortschritte erzielte.

Geprägt vom Ex-Weltmeister

Vor zwei Jahren hat der Head-Pilot den Sprung ins B-Kader von Swiss Ski geschafft, wo er vom grossen Abfahrs-Altmeister Franz Heinzer (Weltmeister 1991) gecoacht wurde. «Die Zeit mit Franz war mit das Beste, was mir als junger Skirennfahrer passieren konnte», schwärmt Miggiano. «Obwohl Franz mittlerweile 63 Jahre alt ist, brennt er nach wie vor zu 100 Prozent für den Skirennsport. Er hat mich mit seiner Leidenschaft angesteckt und in jedem Bereich vorwärtsgebracht.»

Was sagt Heinzer über Miggiano? «In seiner Anfangsphase im Europacup war Alessio ein ziemlicher Crash-Pilot, der am Lauberhorn zweimal gestürzt ist. In der Zwischenzeit hat er sich aber sehr gut entwickelt», bestätigt der Schwyzer, der zwischen 1982 und 1993 bei sämtlichen Weltcup-Abfahrts-Klassikern triumphiert hat. «Alessio bringt körperlich sehr gute Voraussetzungen für die schnellen Disziplinen mit. Er wiegt über 90 Kilo und ist daher ein sehr guter Gleiter. Und weil ihm das Riesenslalom-Training ebenfalls sehr viel Spass macht, wird seine Technik immer besser. Zudem lässt er sich auch in den heissesten Phasen nicht aus der Ruhe bringen, was im Rennfahrer-Metier ein grosser Pluspunkt ist.»

Seit dem Aufstieg in den Weltcup wird Miggiano von Vitus Lüönd trainiert, welcher wie Franz Heinzer im Kanton Schwyz gross geworden ist. «Bei Vitus ist Alessio in den allerbesten Händen», glaubt Heinzer. «Ich tausche mich regelmässig mit Vitus aus und weiss, dass er einen Top-Job macht. Ich bin überzeugt, dass sich Alessio noch einmal weiterentwickeln wird.»

Das ungewöhnliche Hobby

Miggiano verkörpert aber nicht nur in sportlicher Hinsicht erstaunliches Potenzial. Der Speed-Haudegen hat sich teamintern auch als Coiffeur einen Namen gemacht. «Die Geschichte mit dem Haare schneiden hat als typische Schnaps-Idee in Engelberg angefangen», erinnert sich dieser grinsend. «Ein Schulkollege hat mehrmals betont, dass er längst zum Coiffeur müsste. Aus Spass habe ich ihm entgegnet, dass ich ihm die Haare schon schneiden könnte. Zu meiner Überraschung sagte er: ‹Okay, dann mach halt!›»

Miggiano habe sich dann nicht zweimal bitten lassen. «Ich bin mit einem Rasierer und einer Schere zur Tat geschritten. Das Endergebnis ist erstaunlicherweise gar nicht so schlecht ausgefallen.»

NHL-Goalie zahlt 90 Dollar für den Miggiano-Schnitt

Weil sich Miggiano kurz darauf ein professionelles Schneidegerät gekauft hat und immer mehr Freude am «Coiffeurlä» bekommen hat, lassen sich immer mehr namhafte Kollegen von ihm frisieren. «Nach meiner Selektion ins B-Kader war der zweifache Junioren-Weltmeister Livio Hiltbrand der erste Skirennfahrer, der sich per Whatsapp bei mir gemeldet hat. Allerdings hat er mir nicht zu meinem Aufstieg gratuliert, sondern er schrieb: «Geil, jetzt habe ich die ganze Saison einen Gratis-Coiffeur!»

Eishockey-Torhüter Akira Schmid, der für die Las Vegas Golden Knights in der NHL tätig ist, hat Miggiano dagegen ein ordentliches Honorar angeboten. «Ich war mit Akira in der Sportler-RS in Magglingen BE. Eines Abends hat mir Akira nach dem Ausgang 90 Dollar angeboten, wenn ich ihm nach 23 Uhr die Haare schneiden würde. Das habe ich natürlich sehr gerne getan.»

Lob von Odermatt

Im letzten Sommer haben nach dem Gletscher-Training in Zermatt erstmals auch Riesenslalom-Vize-Weltmeister Thomas Tumler und Superstar Marco Odermatt auf Miggianos Coiffeurstuhl Platz genommen. «Odi hat mir ein Foto von einer Frisur gezeigt, welche seiner Freundin Stella besonders gut gefallen würde. Ich musste ihn dann aber darauf hinweisen, dass sich seine lockigen
Haare nicht dazu eignen würden. Ich glaube trotzdem, dass Odi mit meiner Arbeit nicht unzufrieden war.»

Darauf angesprochen, unterstreicht Odermatt seine vollste Zufriedenheit. «Alessio hat diese Aufgabe sehr gut gemeistert», lobt er. Wie schnittig Alessio Miggiano auf der Skipiste agiert, werden wir nächstens in Beaver Creek sehen, wo am Freitag eine Abfahrt auf dem Programm steht. 

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