Normalerweise ist Marco Odermatt vor einem Speedrennen der meistgenannte Sieger-Tipp. Vor dem allerersten Weltcup-Super-G in Copper Mountain (USA) ist alles ein bisschen anders. Ein paar Stunden vor dem Start gibt es mehr Experten, die auf Vincent Kriechmayr (34) oder Franjo von Allmen (24) wetten, als auf den vierfachen Gesamtweltcupsieger aus dem Kanton Nidwalden. Warum? Ganz einfach: Beim Hangbefahren am Mittwoch präsentiert sich Odermatt deutlich von einer Erkältung gezeichnet. Doch der 28-Jährige greift danach zu den exakt richtigen Mitteln.
«Ich habe viel Vitamin C und Zink zu mir genommen und habe permanent inhaliert, damit die Atemwege wieder richtig frei werden. Nach dieser Therapie habe ich mich bereits am Mittwochabend sehr viel besser gefühlt.» Vor dem Start legt sich Odermatt einen besonderen Plan zurecht. «Weil ich mich nach dieser Erkältung noch nicht bei 100 Prozent gefühlt habe, habe ich mir vorgenommen, ganz sauber, mit einer runden Linie ins Ziel zu fahren.»
Odermatt gewinnt das Rennen, Österreich die Team-Wertung
Diesen Fahrplan setzt der amtierende Super-G-Weltmeister nahezu perfekt um. Bei der letzten Zwischenzeit liegt Odermatt zwar ein paar Hundertstel hinter Vincent Kriechmayr, doch mit einem blitzsauberen Finish fängt er den Österreicher noch ab. Im Ziel bejubelt Odermatt seinen 47. Weltcupsieg!
«Mir ist wirklich ein sehr guter Lauf geglückt, die saubere, runde Fahrweise war bei diesen Verhältnissen genau die richtige Devise. Wenn du auf diesem besonderen Schnee zu direkt fährst, verlierst zu viel Tempo», analysiert Odermatt, der die Ski-Schweiz in Colorado von einer österreichischen «Watschn», bewahrt.
Hinter Odermatt belegen mit Kriechmayr, Raphael Haaser (28) Stefan Babansky (29) drei ÖSV-Athleten die Ränge zwei bis vier. Mit dem Vorarlberger Lukas Feurstein (24) belegt ein weiterer Austrianer unmittelbar vor dem zweitbesten Schweizer Stefan Rogentin (31) den sechsten Rang. Abfahrtsweltmeister Franjo von Allmen muss sich mit dem neunten Rang zufriedengeben. «Ich bin mir ziemlich sicher, dass Franjos Setup für diesen trockenen Schnee zu aggressiv war», glaubt Österreichs Ski-Altmeister Hans Knauss (54).
Das steckt hinter der Austria-Auferstehung
Knauss freut sich logischerweise riesig über die starke Vorstellung von Österreichs Speed-Team, welches im Vorjahr im Vergleich mit der Swiss-Ski-Equipe nur selten einen Stich gemacht hat. «Ich habe erstmals seit vielen Jahren wieder das Gefühl, dass sich der ÖSV auf dem richtigen Weg befindet», frohlockt der Kitzbühel-Sieger von 1999.
Knauss bringt den Aufschwung auch mit dem ehemaligen Andy Evers, dem ehemaligen Trainer von Hermann Maier (1999 bis 2009) und Swiss-Ski (2017 bis 2019), in Verbindung. Evers kehrte nach der letzten Saison als Speed-Chef zum ÖSV zurück. «Evers' Vorgänger Sepp Brunner ist ebenfalls ein Top-Trainer. Aber nachdem Sepp fast acht Jahre mit Kriechmayr und Co. gearbeitet hat, war es wichtig, dass die Burschen einen neuen Input gegeben hat. Und genau das hat Evers offensichtlich getan.»
Knauss nennt noch einen weiteren Grund für den Aufschwung von Ski-Austria: «Das Zusammenspiel vom ÖSV-Generalsekrär Christian Scherer und dem Alpinchef Christian Mitter und dessen Trainer funktioniert jetzt viel feiner». Das wird derzeit auch durch die Nationenwertung untermauert. Die Österreicher liegen derzeit mit 628 Punkten in Führung, die Schweizer belegen hinter Frankreich und Norwegen mit 417 Zählern den vierten Rang. Nicht ganz die Hälfte von unseren Punkten hat der alles überragende Marco Odermatt herausgefahren.