Darum gehts
- Sepp Brunner prägte alpinen Skisport. FIS-CEO Lehmann setzt sich für Sicherheit ein
- Brunner kritisiert mangelnde Sicherheit auf Trainingsstrecken abseits des Weltcup-Zirkus
- Weltweit nur zwei Dutzend Speedstrecken für Training genutzt, Absicherung kostet Millionen
Sepp Brunner hat den alpinen Skisport in den letzten drei Jahrzehnten in besonderer Manier geprägt. In den späten 90er-Jahren machte sich der Österreicher einen Namen als Privattrainer von Sonja Nef. Nachdem er die Appenzellerin 2001 zur Riesen-Weltmeisterin gecoacht hatte, formte Brunner die Nachwuchshoffnungen Daniel Albrecht, Carlo Janka, Beat Feuz und Sandro Viletta zu Weltklasse-Athleten. Ab 2017 war der Steirer Abfahrtstrainer bei den Österreichern, wo er aus dem Bauernbuben Vincent Kriechmayr den Doppel-Weltmeister von 2021 (Gold in der Abfahrt und im Super-G) modellierte. Nach dem Weltcupfinale in Sun Valley hat sich der 65-Jährige im April in die Pension verabschiedet. Entzugserscheinungen hat Brunner keine. Im Gegenteil: «Wenn ich sehe, in welche Richtung sich der Skisport entwickelt, bin ich froh, dass ich nichts mehr damit zu tun habe.»
«Es gibt weltweit nur eine sichere Trainingspiste»
Natürlich spielt der Lieblingstrainer von Abfahrts-König Beat Feuz auch auf die tragische Geschichte des Italieners Matteo Franzoso an, der am 15. September nach einem Trainingssturz im chilenischen La Parva einen Tag vor seinem 26. Geburtstag verstorben ist. «Ich habe mit meinen Athleten während vielen Jahren in La Parva trainiert. Weil diese Strecke fast ausschliesslich von veralteten B-Netzen abgesichert ist, weiss ich, wie gefährlich Speed-Fahrten hier sind.»
Brunner legt aber grossen Wert auf die Feststellung, dass La Parva keine Ausnahme darstellt: «Auf 90 Prozent der Trainingsstrecken abseits vom Weltcup-Zirkus musste ich als Trainer vor jeder Einheit befürchten, dass etwas Schlimmes passiert. Genau genommen gibt es weltweit nur eine permanente Alpin-Trainingspiste, welche den höchsten Sicherheitsvorkehrungen gerecht wird – die Strecke in Copper Mountain!»
Büchels Forderung
Die von Brunner angesprochene Vorzeige-Trainingsstrecke in den USA ist jedoch nicht vor November befahrbar. Deshalb müsste in die Sicherheit der Sommer-Skigebiete investiert werden. Liechtensteins Alpin-Fürst Marco Büchel (53, Kitzbühel-Sieger 2008) nimmt den internationalen Skiverband in die Pflicht: «Es würde der FIS gut anstehen, wenn sie einen Fonds einrichtet, bei dem sich Skigebiete und Verbände melden können, um auf die notwendigen Sicherheitsmassnahmen zu finanzieren.» Büchel fügt an, «dass es weltweit vielleicht zwei Dutzend Speedstrecken sind, welche für das Training genutzt werden.»
Was hält der neue FIS-CEO Urs Lehmann von Büchels Votum? «Grundsätzlich gefällt mir Büchels Idee gut. Aber wenn man zwei Dutzend Trainingsstrecken im Weltcup-Standard absichert, werden die Kosten einen Millionenbetrag beinhalten. Deshalb müsste man sicher darüber diskutieren, wer sich alles an den Kosten beteiligen muss.»
Lehmann warnte Tochter vor Todespiste
Dass die Sicherheit, auf der Piste, welche Matteo Franzoso zum Verhängnis geworden ist, besonders grosse Lücken aufweist, hat Lehmann vor ein paar Wochen mit eigenen Augen gesehen. «Ich bin mit meiner 21-jährigen Tochter Nina, welche FIS- und Europacup-Rennen bestreitet, nach Südamerika gereist. Nina wollte ebenfalls in La Parva trainieren. Aber letztendlich einigten wir uns darauf, dass diese mässig abgesicherte Piste für eine junge, eher unerfahrene Athletin nicht die Richtige ist.»
Sepp Brunner setzt grosse Hoffnungen in Lehmann. «Ich traue Urs zu, dass er mit seinem riesigen Know-how als FIS-CEO an den richtigen Stellen den Hebel ansetzen wird.» Für Matteo Franzoso kommt Lehmanns FIS-Engagement bekanntlich zu spät – der Speed-Spezialist wurde gestern in Sestriere beerdigt.