Es gibt einen Schweizer, der im Zielgelände von Beaver Creek von ähnlich vielen amerikanischen Medienanstalten belagert wird wie Superstar Odermatt. Es ist nicht Weltmeister Franjo von Allmen. Auch nicht Bormio-Sieger und WM-Bronzegewinner Alexis Monney. Es ist Niels Hintermann, welcher am Fusse der Birds of Prey im Fokus der US-Reporter steht.
Für die Amis kommt es einer Sensation gleich, dass der Zürcher 14 Monate nach der Schock-Diagnose Lymphdrüsenkrebs und der damit verknüpften Chemotherapie und Bestrahlung schon wieder am Start einer derart selektiven Abfahrt wie der Birds of Prey steht.
Letztes Training gibt grosse Hoffnung
Hintermann hat die Erwartungshaltungen vor der Anreise zum WM-Ort von 1999 und 2015 sehr tief gehalten. Als Blick in der Vorwoche Hintermann zum Abendessen unweit von Copper Mountain ins Restaurant Vinnies in Frisco begleitetet, macht der Sieger von zwei Weltcup-Abfahrten deutlich, dass er in den Teaminternen-Trainings oft mehr als eine Sekunde auf von Allmen und Monney verloren habe. Hintermann: «Deshalb darf ich in Beaver Creek keine Top-Platzierung erwarten.»
Doch am Mittwoch war der 30-Jährige im zweiten Training in Beaver Creek bei starkem Schneefall und entsprechend mieser Sicht 15 Hundertstel schneller als von Allmen. Oliver Koch, welcher Hintermann genau wie Marco Odermatt an der Sportschule trainiert hat, kann sich daran erinnern, dass Blindflüge schon immer zu den grossen Stärken des gebürtigen Bülachers gehörten. «Niels hatte schon immer einen aussergewöhnlichen Instinkt. Deshalb war er selbst im dichten Nebel schnell.»
Startnummer wird im Neuschneerennen kaum von Vorteil sein
Die jüngsten Wetterprognosen deuten aber darauf hin, dass das heutige Rennen nicht von einer schlechten Sicht, sondern von Sonnenschein geprägt sein wird. Hintermann hat für sein Wettkampf-Comeback die Startnummer 1 gezogen. Und weil in den letzten beiden Tagen in Colorados Nobel-Skiort ordentlich Neuschnee gefallen ist, dürften die späteren Nummern günstiger sein.
Es stellt sich sowieso die Frage, ob die Pistencrew in der Lage sein wird, die Strecke rechtzeitig in einen renntauglichen Zustand zu bringen. FIS-Renndirektor Markus Waldner hat am Mittwochabend bei der Mannschaftsführersitzung «eine lange Nacht für die Pistenarbeiter» angekündigt. «Weil wir mit manueller Arbeit chancenlos wären, wird die Piste mit Snowcats, insgesamt acht Maschinen, bearbeitet. Weil die Meteorologen eine klare Nacht vorhersagen, bin ich sicher, dass wir es schaffen werden», so Waldner.
Während Hintermann mit einer Platzierung in den Top 15 sehr gut leben könnte, wird im SchweizerTeam neben Odermatt auch Alexis Monney (zweitschnellster im zweiten Training) als heisser Siegesanwärter gehandelt. Die Trainer gehen aber davon aus, dass sich Franjo von Allmen nach seinen diskreten Trainingsleistungen in den letzten beiden Tagen im Rennen deutlich steigern wird. International wird neben dem Österreicher Vincent Kriechmayr vor allem der Kanadier Alexander Cameron (Bestzeit im Abschlusstraining) hoch gehandelt.