Darum gehts
- Schweizer Dreifachsieg im Riesenslalom in Val-d'Isère mit Meillard, Aerni und Odermatt
- Meillard überwindet frühe Saisonschwierigkeiten und feiert seinen achten Weltcupsieg
- Odermatt erreicht zum 93. Mal das Podium im Weltcup
Bei Halbzeit vom Riesenslalom auf der ultrasteilen Face de Bellevarde in Val-d’Isère (Frankreich) spricht nicht viel für einen Schweizer Triumph. Marco Odermatt (28) und Loïc Meillard (29) belegen hinter dem Österreicher Stefan Brennsteiner sowie den beiden Norwegern Henrik Kristoffersen und Timon Haugan die Ränge 4 und 5. Luca Aerni (32) liegt auf dem 13. Rang.
Aerni setzt das erste dicke Ausrufezeichen im zweiten Durchgang. Der Kombi-Weltmeister von 2017 zaubert eine Zeit in den Schnee, die nur von seinem Walliser Kumpel Meillard geknackt wird. Das Führungsquartett leidet in der finalen Rennphase darunter, dass das Licht und die Piste immer schlechter werden. Kristoffersen wird auf den elften Rang durchgereicht, Haugan fällt auf den vierten, Brennsteiner auf den fünften Rang zurück. Weil sich Superstar Odermatt trotz Fehlern um einen Platz verbessert, verbucht das Swiss-Ski-Männerteam den dritten Weltcup-Dreifachsieg im Riesenslalom. 1983 triumphierte in Adelboden Pirmin Zurbriggen, vor Max Julen und Jacques Lüthy. Im letzten Winter sorgten in Hafjell (Norwegen) Meillard, Odermatt und Thomas Tumler für einen totalen Triumph der Skigenossen.
Es ist noch keine drei Wochen her, als Loïc Meillard komplett verunsichert war. Nachdem der Romand in den letzten beiden Jahren hinter Odermatt den zweiten Rang im Gesamtweltcup belegt hatte, ging sein Start in den Olympia-Winter komplett in die Hose. In den ersten sieben Rennen kam er nicht über den 14. Rang hinaus. Nach dem 18. Platz im Riesenslalom von Copper Mountain (USA) klagte der 29-Jährige: «Ich habe keinen Speed und weiss nicht warum!» Stéphane Mougin, Rennchef von Meillards Ausrüster Rossignol, machte damals deutlich, dass die Saisonvorbereitung seines grössten Hoffnungsträgers nicht optimal verlaufen sei: «Weil Loïc seinen sensiblen Rücken schonen wollte, hat er in diesem Sommer und Herbst mit den Ski viel weniger Trainingskilometer absolviert als im Vorjahr. Gut möglich, dass ihm derzeit genau diese Trainingsumfänge fehlen.»
Nach Copper Mountain konnte der Slalom-Weltmeister erstmals seit längerer Zeit einen ordentlichen Trainingsblock einbauen, danach hat er im Riesenslalom in Beaver Creek (USA) seine erste Top-10-Platzierung verbucht. Nach der Rückkehr aus Nordamerika hat Meillard vor der Weiterreise nach Val-d’Isère noch einmal zwei Tage Riesenslalom trainiert. Zu Hause in Hérémence VS konnte er das Rennen auf der Face de Bellevarde sehr gut simulieren. «Loïc ist klar geworden, dass er bei derart aggressivem Schnee wie in Val-d’Isère seine Technik ein bisschen adaptieren muss», sagt sein Trainer Matteo Joris. Das hat nun dazu geführt, dass der gelernte Bankkaufmann auf der WM-Piste von 2009 seinen achten Weltcupsieg bejubelt. Meillard: «Dieser Sieg ist unglaublich schön. Wenn ich Vierter geworden wäre, wäre ich auch zufrieden gewesen.»
Vom gefeierten Golden Boy zum verschmähten Kummerbuben – diese Überschrift steht für die Entwicklung, die Luca Aerni zwischen 2017 und 2023 gemacht hat. Nach dem Gewinn der Kombi-Goldmedaille bei der Heim-WM in St. Moritz GR und dem zweiten Rang beim Slalom-Klassiker in Madonna di Campiglio (Italien) 2017 klassierte sich der Technik-Spezialist bis zum letzten Winter im Slalom lediglich achtmal in den Top 10. Die Hauptursache ist klar: Aerni wurde lange von heftigen Rückenbeschwerden eingebremst. Zudem passte die Abstimmung des Materials nicht immer optimal.
In der Zwischenzeit hat der Wallis-Berner beides gut in den Griff bekommen. Der einstige Slalom-Spezialist ist aber mittlerweile im Riesen erfolgreicher. Und die selektive Face de Bellevarde scheint dem gebürtigen Grosshöchstettener, der mittlerweile in Crans-Montana VS residiert, besonders zu liegen. Im Vorjahr belegte er hier den vierten Rang, nun hat der 32-Jährige auf der von Bernhard Russi designten Piste seinen ersten Podestplatz im Riesenslalom realisiert. Vielleicht hätte Aerni dieses Rennen sogar gewonnen, wenn er im ersten Durchgang nicht kurz vor dem Ziel einen groben Bock geschossen hätte.
Sicher ist, dass Aerni im letzten Frühling eine goldige Entscheidung im Materialbereich getroffen hat. Während viele Hochkaräter wie Riesenslalom-Weltmeister Raphael Haaser oder Daniel Yule (sieben Weltcupsiege) Fischer verlassen haben, ist Aerni dem Skihersteller aus Oberösterreich treu geblieben. «Das macht sich für Luca jetzt bezahlt, die Fischer-Ski funktionieren speziell auf aggressivem Schnee perfekt», sagt der Oberwalliser Slalom-Altmeister Didier Plaschy (52, zwei Weltcupsiege), der im B-Kader auch Aerni trainiert hat.
Marco Odermatt, der Superstar vom Vierwaldstättersee, war in den letzten Jahren der unantastbare König der Face de Bellevarde. Zwischen 2021 und 2024 hat der vierfache Gesamtweltcupsieger viermal den Riesenslalom von Val-d’Isère gewonnen. Für den Sieg reicht es diesmal zwar nicht, dafür schafft der 28-Jährige als Dritter zum 93. Mal den Sprung auf ein Podest im Weltcup. Odermatt betont, dass er damit aufgrund des Rennverlaufs nicht gerechnet hat: «Im ersten Lauf habe ich ein bisschen zu wenig angegriffen und im zweiten Lauf hatte ich überhaupt kein gutes Gefühl. Im Zielhang habe ich zu mir gesagt: Das war heute nicht dein Tag, aber ein fünfter oder sechster Rang ist ja auch mal ganz ok.»
Dass er am Ende des Tages neben zwei Mannschaftskollegen auf dem Podest steht, freut den Ausnahmeathleten und Teamplayer Odermatt ganz besonders: «Stefan Brennsteiner hat uns mit seinen Fehlern den Dreifachsieg ein bisschen hergeschenkt, aber wir nehmen dieses Geschenk sehr gerne an.»