Die Bilder aus St. Moritz sind unvergesslich: Wendy Holdeners Mutter Daniela weint vor Glück. Vater Martin ist überwältigt, er muss sich hinsetzen. Und Bruder Kevin hüpft nervös herum, ehe er die Arme zum Himmel streckt. Gold und Silber! Für Wendy Holdeners Familie ist diese WM genau so unvergesslich wie für sie selbst.
Was man nicht sieht: Da ist noch einer aus dem engsten Familienkreis von Wendy, der vor Freude ausflippt. Sein Name: Steve Holdener (28). Allerdings ist er weder in St. Moritz noch jetzt in Crans-Montana. Nein, er jubelt aus 9'200 Kilometern Entfernung. Denn: Steve wohnt und arbeitet in Hongkong. «Es ist hart, fast nie bei einem Rennen zu sein», sagt er. Wendy ist trotzdem happy: «Steve ist weit weg. Aber es geht ihm gut – und das macht auch mich glücklich.»
Da der Älteste der Holdener-Geschwister ist in der Finanzbranche tätig ist, kann auch er nicht immer Ferien beziehen, wann er gerade möchte. Klagen will Steve allerdings nicht. Im Gegenteil. «Wir haben es auch hier schön und können die Rennen von Wendy mittels Live-Stream praktisch immer verfolgen», sagt er. Aber wer ist «wir»? Steve stolz: «Der Asien-Fanclub von Wendy! Aktuell sind wir etwa 20 Personen - doch es werden stetig mehr.» Wendy freut's: «Es ist schön zu wissen, dass mir Leute auch so weit weg von zuhause die Daumen drücken!» Tatsächlich geht es an der Südküste Chinas schon mal richtig ab. Steve erzählt: «Bei den Rennen treffen wir uns meistens bei jemandem zuhause. Dann gibt es Fondue, Raclette oder sonstige Schweizer Spezialitäten.»
Für die meisten Fanclub-Mitglieder sind diese Speisen altbekannt, setzt sich der Asien-Fanclub doch vor allem aus Schweizern und Liechtensteinern zusammen. Aber nicht nur: Auch ein Inder und ein Singapurer sind dabei! Steve: «Zu Beginn waren die Beiden noch skeptisch. Doch mittlerweile lieben auch sie Skirennen!»
Doch wann wird er seine Schwester wieder einmal in natura in sehen? «Eigentlich wäre dies für Jeongseon vorgesehen gewesen», erzählt Steve. Der Hintergrund: Er wird mit einigen Kumpels nach Südkorea fliegen, um die Weltcup-Rennen vor Ort zu sehen. Der Konjunktiv verrät bereits: «Wendy wird da leider nicht fahren. Schade. Aber ich verstehe sie. Die Saison war sehr anstrengend.»
So oder so: Den Kontakt zu seiner Schwester verliert Steve, der seit fast zwei Jahren in der Fremde lebt, nicht. Whats'app, Skype und SMS sei Dank. Im Frühling fliegt er dann sowieso in die Schweiz. Für immer? «Nein. Ich werde in den nächsten Jahren nicht zurückkehren. Hongkong ist eine tolle Stadt.»
Steve führt aus: «Ich war diesbezüglich schon immer so etwas wie der Exot in der Familie – bereits als Kind träumte ich davon, im Ausland zu leben.» Und schliesslich freue er sich umso mehr, wenn seine Familie ihn besuchen komme. Im Fall von Wendy war dies vergangenen Mai letztmals der Fall war.
Noch lange könnte Steve weiter plaudern. Doch nun muss er los, um die Kombi von Crans-Montana nicht zu verpassen. Dank der Zeitdifferenz von sieben Stunden können er und seine Kollegen die meisten Rennen am Abend schauen. «Das ist ideal, denn danach können wir auch mal in die Stadt noch etwas feiern gehen.» Etwas will Steve dann aber doch noch loswerden: «Hopp Wendy! Machs gut!»