Wie sollen wir das bloss bezahlen? Diese Frage haben sich Hans und Hedi Feuz sehr oft gestellt. Denn die finanziellen Erträge aus ihrem Roseggli-Hof in Bumbach-Schangnau sind in den 90er Jahren arg beschränkt.
Um das sportliche Talent ihres Buben Beat dennoch fördern zu können, investieren die «Hedlä» und der «Housi» ihre sauer ersparten Batzen nicht in den Bau eines zeitgemässen Kuhstalls, sondern in die Ski-Karriere des Jünglings.
Trotzdem stossen die Emmentaler dabei früh an ihre Grenzen. Beat ist zwölf, als ihn eine Sportschule holen will. «Aber als ich den Preis für ein Schuljahr gelesen habe, war mir sofort klar, dass wir uns so etwas nie leisten können», erinnert sich Mutter Hedi. Die Frage quält sie: Wie bringe ich das nur meinem Sohn bei?
Mit Grippe zum 1. Erfolg
Doch diese Sorgen sind unbegründet. Als sie Beat das Angebot der Schule am Mittagstisch zeigt, verwirft er die Hände: «Lieber höre ich mit Skisport auf, als dass ich an eine solche Schule gehe. Ich will einen richtigen Beruf lernen!»
Der kleine «Kugelblitz» beweist, dass man auch in der Neuzeit Sport und eine Lehre unter einen Hut bringen kann – er schliesst seine Maurerlehre mit Erfolg ab und feiert kurz darauf im Dezember 2005 seinen ersten internationalen Erfolg bei einem FIS-Slalom am Sörenberg.
Dieser Coup kommt aber auf höchst ungewöhnliche Weise zustande. Feuz will wegen einer Grippe gar nicht starten. «Doch mein Coach meinte, dass ich mit der 3 erstmals auf FIS-Stufe mit einer richtig günstigen Nummer starten kann. Da habe ich zu mir gesagt: Dann starte ich halt. Schliesslich kann ich mich ja dank dieser frühen Nummer auch wieder früh ins Bett legen. Und dann habe ich gewonnen ...»
In komplett verrückter Manier fährt Feuz seinen ersten wichtigen FIS-Sieg im Riesenslalom in Veysonnaz ein. «Das war im Frühling 2010, ich hatte damals das Messer ziemlich am Hals, weil mein Punktestand im Riesen ziemlich mies war. Und richtig mies war dann auch die Vorbereitung auf dieses Rennen.»
Was ist passiert? «Vor der Streckenbesichtigung habe ich bemerkt, dass ich den Helm vergessen habe. Ich musste also zurück ins Hotel. Und bei meiner Rückkehr war die Besichtigungszeit schon abgelaufen.» Wie weiter? «Ich habe mir dann von einem Rennfahrer-Kollegen erklären lassen, wie der Lauf ungefähr gesteckt ist. Diese Infos haben mir für die Bestzeit ausgereicht.»
Ein Jahr später startet Feuz im Weltcup durch, feiert in Kvitfjell seinen ersten Weltcupsieg. Im Herbst 2012 folgt der Mega-Schock: Knie-Infekt. Die Ärzte denken über eine Versteifung des linken Knies nach, die Karriere scheint vorbei zu sein.
Der Rest ist Geschichte: Feuz gibt ein Sensations-Comeback und wird 2017 Abfahrts-Weltmeister. Und obwohl seit Bernhard Russi (1970/72) nie mehr ein Abfahrts-Champion seinen Titel verteidigen konnte, spricht heute vieles für die zweite Goldmedaille von Feuz. Damit könnte er Russi gar überflügeln: Ihm reichte damals 1972 nämlich der Sieg in der Olympia-Abfahrt, um gleichzeitig auch zum zweiten Mal WM-Gold zu gewinnen.
Die Strecke mit den vielen Wellen ist dem Gefühlsfahrer wie auf den Leib geschneidert. «Und der Schnee ist genau so, wie ich ihn am liebsten habe – sehr aggressiv», sagt Feuz optimistisch.
Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.