Es ist Donnerstag, 10.45 Uhr. Daniel Albrecht ist in Kitzbühel. Auch weil er seinen Horrorsturz von 2009 verarbeiten will. Es ist Training auf der gefährlichsten Abfahrt der Welt. Dani ist im Hotel, schaut am Fernseher zu. Am Start macht sich als fünfter Fahrer gerade Hans Grugger bereit, der 29-jährige Österreicher. Ein Freund von Albrecht.
Grugger stösst kräftig ab, beschleunigt in wenigen Sekunden auf Tempo 100, beim Linksschwung vor der Mausefalle – ein Abgrund mit einem Gefälle von 85 Prozent – gibts Probleme. Grugger springt bei der Kante zu früh weg, verdreht sich in der Luft, kann nicht mehr korrigieren und prallt extrem hart auf. Er kippt nach links und schlägt mit voller Wucht mit dem Kopf auf die eisige Unterlage, die so hart ist wie Beton. Grugger ist sofort bewusstlos. Helfer eilen herbei, leisten Erste Hilfe, setzen einen Luftröhrenschnitt. Nach dreissig Minuten und der Bergung des Schwerverletzten per Helikopter wird das Training fortgesetzt.
Operation gut verlaufen
Erste Diagnose im Spital: Schweres Schädel-Hirn-Trauma, Brustverletzungen und Rippenbrüche. Der Österreicher wird auf der Intensivstation der Innsbrucker Uni-Klinik sofort notoperiert.
Die vierstündige Operation sei gut verlaufen, heisst es um 18.22 Uhr. Ein Blutgerinnsel im Kopf sei entfernt worden. Hans Grugger schwebt weiter in Lebensgefahr, aber nicht mehr in akuter. Seine Freundin Ingrid Rumpfhuber ist bei ihm, die Nacht verbringt er auf der neurochirurgischen Intensivstation.
Auch Albrecht trug die Nr. 5
Die Skiwelt steht unter Schock. Wie vor zwei Jahren. Denn dort, wo Grugger jetzt liegt, lag damals auch Daniel Albrecht 21 Tage im künstlichen Tiefschlaf.
Wie Grugger stürzte er auf der Streif schwer. Wie Grugger war er mit der Nummer 5 unterwegs. Die Kopfverletzungen des Österreichers scheinen nun noch schlimmer zu sein als die des Schweizers. Eine Diagnose, die auch für Dani Albrecht ein riesiger Schock ist. Er sagt zu BLICK: «Ich bin tief betroffen und in Gedanken bei Hansi und seinen Angehörigen. Ich bete für ihn. Damit es ihm schon bald wieder so gut geht wie mir heute.» Dann verschwindet er sichtlich gezeichnet im Hotelzimmer.
Eine knappe Stunde vor Gruggers Unfall ist Albrecht erstmals seit seinem Horror-Crash mit den Ski über die Streif gefahren. «Obwohl ich vor ein paar Tagen entschieden hatte, dass ein Renneinsatz auf der Streif für mich noch zu früh kommt, wollte ich unbedingt bei der Streckenbesichtigung dabei sein, damit ich mich langsam herantasten kann.»
Die nackte Angst
«Ein paar Streckenabschnitte sind in einem derart furchterregenden Zustand», sagt Albrecht, «dass es mir beim Gedanken an eine Fahrt im Renntempo eiskalt den Rücken runterlief. Ich war richtig froh, dass ich es bei meiner gemächlichen Besichtigungsfahrt belassen konnte.»
Bis gestern betonte Albrecht, dass er sich auf seinen nächsten Renneinsatz auf der Streif freue. Seit dem Drama seines Weggefährten Grugger scheint sich diese Vorfreude in nackte Angst verwandelt zu haben.