Erste Weltcup-Siegerin aus dem Bergkanton

Flury hat den Bündner-Fluch gebrochen

Vor einer Woche steht Jasmine Flury im Starthäuschen von St. Moritz GR. Sie ist bereit für den Super-G. Alles wie gehabt. Doch als die Frau aus Davos Monstein zwei Tage später einkaufen geht, ist nichts mehr wie vorher. «Viele Menschen haben mich erkannt, mir gratuliert. So etwas habe ich zuvor nie erlebt», erzählt die 24-Jährige. Der Grund für ihre neue Bekanntheit: Flury darf sich neu Weltcup-Siegerin nennen, war sie doch in besagtem Super-G die Schnellste. Doch das ist nicht alles. Flury ist die erste Bündnerin überhaupt, welche in 50 Jahren Weltcup ein Rennen gewinnen konnte!

«Ich bin erschrocken, als ich davon erfuhr», blickt sie vor den Rennen in Val d'Isère (Fr) noch einmal zurück. Erklären könne sie sich diesen Umstand nicht, so die Prättigauerin, «schliesslich ist Skifahren im Bündnerland ja hoch im Kurs.» Tatsächlich: Der grösste Schweizer Kanton zählt 82 Skiklubs und 13'150 Mitglieder. «Wir hatten immer gute Fahrerinnen, aber keine konnte sich zuvorderst durchsetzen», sagt Gaudenz Bavier. Für den Präsidenten des Bündner Skiververbandes ist dies ein Rätsel. «Verletzungen spielen immer eine Rolle. Aber eine plausible Erklärung gibt es nicht, schliesslich ist unser Fördersystem für junge Männer und Frauen genau gleich.»

Worauf Bavier anspielt: Die Sieges-Ausbeute ist bei den Bündner Männern (siehe Grafik) mit 47:1 deutlich besser als bei den Bündner Frauen. Diese bestiegen vor Flurys Coup immer zwar das Podest, aber eben nie das oberste Treppchen. So auch die Davoser Slalom-Spezialistin Martina Accola, welche in den Neunziger Jahren einmal Zweite und einmal Dritte wurde. 

Umso glücklicher ist Bavier, dass Flury den «Bündner Fluch» brechen konnte. «Das ist für unsere jungen Fahrerinnen eine riesige Motivation.» Er hofft, dass diese nun noch konsequenter auf die Karte Sport setzen. Genau so wie Flury, die eineinhalb Jahre an einer Hüftverletzung litt, ihren Traum aber nie beiseite legte. «Jasmine hat gezeigt, dass es sich lohnt, durchzubeissen.» 

Jetzt fragt man sich: Wird es wieder 50 Jahre dauern, bis die nächste Bündnerin in der Weltcup-Siegesliste auftaucht? «Ich hoffe nicht», sagt Bavier schmunzelnd. Er weiss: Es gibt durchaus Nachwuchs. So gewann zuletzt Vanessa Kasper (21, Celerina) ihr erstes Europacup-Rennen. Bavier träumt aber bereits von Grösserem: «Es wäre schön, wenn wir eines Tages auch eine Ski-Olympiasigerin aus Graubünden hätten!»