Darum gehts
Daria Zurlinden (21) ist wohl die erste Athletin aus Niederbipp BE im Weltcup. «Ich muss dringend den Text auf meiner Homepage aktualisieren», sagt die Flachländerin nach dem Super-G am Sonntag. Dort steht: «Mein langfristiges Ziel ist es, eines Tages ein Weltcuprennen zu bestreiten.» So schnell kann es manchmal gehen. Obwohl die Oberaargauerin im Europacup noch nie in die Top 20 fuhr, bekam sie kurzfristig ein Aufgebot. Er bot sie für den Sonntag auf. «Eigentlich wollte ich Weihnachtsgeschenke kaufen. Aber natürlich bin ich viel lieber hierhergekommen.» Auf einem Bauernhof aufgewachsen, machte Zurlinden lange Leichtathletik. «Ich mache heute noch zwischendurch Speerwerfen, als Hobby. Es macht Spass.» Beim Super-G verliert Zurlinden 3,64 Sekunden und fährt auf den 45. Platz.
Nicht nur Zurlinden, sondern auch Alina Willi (19) aus Mels SG fährt am Sonntag erstmals im Weltcup. Die Schweizer Junioren-Meisterin im Super-G von 2024 wird 42. (+3,44 Sekunden) und erzählt: «Am Morgen habe ich Shiffrin am Lift gesehen. Dass ich im gleichen Rennen fahren darf wie sie, ist ein Kindheitstraum. Auch Lindsey Vonn ist ja da. Ich hätte mich allerdings gefreut, wenn Lara Gut-Behrami (34) auch da wäre – ich habe sie immer bewundert.» Die mutige Speed-Spezialistin strahlt. Und kündigt an: «Ich hoffe, es kommt bald noch mehr.» Sie wird diese Woche bei den Europacup-Rennen in St. Moritz an den Start gehen – den Startschuss dafür hat sie bereits im Weltcup erlebt.
Loïc Meillard (29) und Marc Rochat (32) teilen sich im Ski-Zirkus regelmässig ein Zimmer. Sportlich trennen den Walliser und den Waadtländer derzeit aber Welten. Während Meillard in Val d’Isère den Riesenslalom gewinnt und im Slalom Zweiter wird, verpasst Rochat im dritten Weltcup-Slalom vom laufenden Olympia-Winter die Qualifikation für den zweiten Durchgang zum dritten Mal. Noch schlimmer als die Saison-Zwischenbilanz mutet für den Bronze-Gewinner in der WM-Teamkombination die Statistik in Val d’Isère an. Rochat ist am Sonntag zum neunten Mal beim Weltcup-Slalom auf der Face de Bellevarde an den Start gegangen, zum neunten Mal ist er auf der besonders steilen Olympia-Strecke von 1992 ausgeschieden.
Obwohl die Schweizer im Riesen auf der Face de Bellevarde dank Meillard, Luca Aerni (32) und Marco Odermatt (28) den 17. Dreifachsieg in der 58-jährigen Weltcup-Geschichte eingefahren haben, ist Cheftrainer Tom Stauffer auch in dieser Sparte nicht sorgenfrei. Zu denken muss vor allem die Entwicklung vom Bündner Fadri Janutin (25) geben, der noch vor drei Jahren als eines der grössten Swiss Ski-Talente gehandelt wurde. Im Dezember 2022 fuhr der gelernte Dachdecker aus Landquart in Val d’Isère in seinem zweiten Weltcup-Riesen auf den 17. Rang. Im März 2024 klassierte sich Janutin als 14. beim Riesen in Aspen auf höchster Stufe erstmals in den Top 15. Seitdem ist beim Fischer-Piloten der Wurm drin. In den letzten zehn Weltcup-Starts hat sich Janutin nur noch zweimal für den zweiten Lauf qualifiziert. Besorgniserregend sind auch die Leistungen von Janutins Bündner-Kumpel Livio Simonet. Auch er hat 2024 den Sprung in die Top 15 geschafft (14. in Palisades Tahoe). Seit Sölden 2024 hat sich der 27-Jährige aber nie mehr in den Weltcup-Punkterängen klassiert.
Im Gegensatz zum Ex-Junioren Vize-Weltmeister Janutin wurde Matthias Iten (26) nie als Top-Talent angepriesen. Der Zuger wurde auch jahrelang von Rückenschmerzen gebremst. Doch vier Monate nach seinem 26. Geburtstag gelingt dem Slalom-Spezialisten mit dem zehnten Rang in Val d’Isère ein echtes Meisterstück! Nachdem er sich im ersten Durchgang mit der Startnummer 61 als Dreissigster haarscharf qualifiziert, gelingt ihm mit der Nummer 1 im Final die drittbeste Laufzeit. «Für mich stellt dieses Ergebnis keine Überraschung dar, weil Iten bereits im November in den teaminternen Trainingsläufen regelmässig Bestzeiten aufgestellt hat», sagt SRF-Experte Didier Plaschy (52, 2 Weltcupsiege).
Kaum zu glauben: Minuten nach ihrem heftigen Abflug im Abschlusstraining am Donnerstag liegt Michelle Gisin (30) verletzt zwischen den Netzen, scherzt aber bereits – so berichten es Augenzeugen. Die Positivität der Engelbergerin ist auch in diesen so schwierigen Momenten spürbar. Bei der ersten Untersuchung in der Klinik Gut ist auch Bruder Marc Gisin (37) dabei. Und die Informationen über ihre Halswirbelverletzung fährt ihm richtig ein. «Sie hatte sehr viel Glück», sagt er. Gut möglich, dass die zweifache Olympiasiegerin nur knapp einer Lähmung entging. «Wir sind sehr froh, dass Michelle keine bleibenden Schäden befürchten muss.» Fakt ist: Das auch ohne Lara Gut-Behrami (34) und Corinne Suter (30) antretende Team kann am Tag danach die Ausfälle nicht kompensieren. Nur 44 Punkte holen alle Schweizerinnen – in den letzten acht Jahren waren es in einer Abfahrt nie weniger.
Belinda Bencics Tochter Stella ist noch keine zwei Jahre alt. Die Tennis-Olympiasiegerin von 2021 hätte offenbar nichts dagegen, wenn sie schon bald die Pisten runterflitzen würde. «Ich verfolge den Skisport immer, habe mega Freude daran – vor allem, wenn die Schweizerinnen super Leistungen erbringen», so die 28-Jährige im Zielraum. Und was, wenn Stella eines Tages statt auf Tennis, lieber aufs Skifahren setzen würde? «Ich bin keine Expertin, könnte ihr nicht weiterhelfen. Aber wenn sie das will, wäre das natürlich super», so Bencic.
Vierte, Vierte, Vierte, Vierte, Vierte, Vierte, Vierte, Vierte, Vierte, Vierte und nochmals Vierte. Hast du mitgezählt? Sage und schreibe elfmal nacheinander belegten die USA in der Nationenwertung der Frauen den Platz neben dem Podium. Vor den Ami-Frauen rotierten in dieser Zeitspanne stets die Schweiz, Österreich und Italien. Doch nun schickt sich die USA an, das Abo auf den vierten Platz endlich zu kündigen. Vor allem dank der beiden Superstars Lindsey Vonn (41) und Mikaela Shiffrin (30) liegt man im Ranking 69 Punkte vor Österreich und 540 Punkte vor der Schweiz. Die amerikanischen Männer können da nicht mithalten – Rang 7.
So wie Superstar Odermatt ist auch Magdalena Egger (24) sechsfache Juniorenweltmeisterin. Bloss: Bei ihr dauert der Weg an die Spitze länger. In St. Moritz platzt aber der Knoten. Die Ränge 2, 7 und 15 sind für sie eine Erlösung. Dabei geht beim Super-G ihr Airbag kurz nach dem Start auf. «Ich habe einen lauten Knall gehört. Danach war es, als würde ich mit einer Schwimmweste fahren», so Egger. Ihre Erklärung? «Wahrscheinlich hatte ich eine Rotation im Oberkörper. Aber die Techniker werden sich das genau anschauen.»
Exakt vier Zehntel schneller als Iten war im Slalom auf der Face de Bellevarde der Österreicher Marco Schwarz (30). Für den Kombi-Weltmeister waren die Bedingungen auf der weichen Piste aber nicht Weltcup-würdig. «Ich kann nicht verstehen, warum man nicht ein bisschen mehr Wasser in die Piste hineingegeben hat. So kann ich ja daheim auf jeder Publikumspiste einen Lauf hinuntersetzten, da habe ich das gleiche», stöhnte Schwarz nach seiner enttäuschenden Darbietung im Riesenslalom (Rang 18) im Interview mit dem ORF.
Sichtlich verärgert war am Samstag auch Norwegens Henrik Kristoffersen (31), als er den ersten Riesen-Durchgang vom Schweizer Trainer Helmut Krug besichtigte – die Kurssetzung war in den Augen des Edeltechnikers zu schnell. Die Ironie dieser Geschichte: Im «Bolzer-Lauf» von Krug stellte Kristoffersen die zweitschnellste Zeit auf, aber im deutlich drehenderen Final-Durchgang vom deutschen Coach Mickael Pilarski ist Kristoffersen auf den elften Rang zurückgefallen. Im Slalom verbucht der 31-jährige Ausnahmeathlet als Dritter seinen 98. Podestplatz im Weltcup.
Dass Kristoffersens Landsmann Timon Haugan (28) den Val-d’Isère-Doppelpack von Meillard verhindert hat, kommt einem mittleren Ski-Wunder gleich. Bis vor einer Stunde vor dem Rennstart war unsicher, ob Haugan antreten würde – der 28-Jährige konnte sich aufgrund von heftigen Rückenschmerzen nicht bücken. Bekanntlich hat der 1,78 Meter-Mann dann doch auf die Zähne gebissen, was mit dem fünften Weltcupsieg belohnt wurde.