Eigentlich sollte Fernande Bochatay gar nicht am Start stehen. Zumindest wenn es nach dem Rat ihrer Ärzte geht. Wegen ihrer Rückenprobleme rät man ihr davon ab, an diesem 5. Januar 1968 bei nebligen Bedingungen den Riesenslalom von Oberstaufen (De) zu bestreiten. Doch die 21-Jährige aus Lés Marécottes VS pfeift auf die medizinische Empfehlung und fährt schneller als alle andere. Bochatay schreibt damit Geschichte. Es ist der erste Sieg einer Schweizerin im Weltcup.
Heute, genau 50 Jahre später, sagt Bochatay: «Dass ich an diesem Tag Historisches geschafft hatte, war mir nicht bewusst. Ich war ja noch so jung.» Tatsächlich hatte die grosse Siegerin des Tages aber bereits ein gesundes Selbstvertrauen. Wie sonst hätte sie sich entgegen dem Rat der Ärzte widersetzt? Die heute 71-Jährige schmunzelt, als sie darauf angesprochen wird. «Für mich war das kein Problem. Ich kannte meinen Körper gut, hatte zuvor eine Woche lang pausiert, um den Rücken zu schonen.»
«Kämpferin» Bochatay schafft Historisches
Bereits im Winter davor, also mit der Saison 1967/68, war der Ski-Weltcup ins Leben gerufen worden. Da die Schweiz damals aber zu den kleinen Ski-Nationen zählte, dauerte es ein ganzes Jahr bis zum ersten Triumph bei den Frauen. «Im Vergleich zu Nationen wie Österreich oder Frankreich war der Schweizer Ski-Verband arm. Umso mehr wollten wir die Top-Nationen schlagen», so Bochatay. Das gelang der heute fünffachen Grossmutter trotz schlechterer Voraussetzungen. «Ich war eine grosse Kämpferin, ein Dickschädel.»
Den sportlichen Höhepunkt hatte die Walliserin mit dem Weltcupsieg in Oberstaufen aber noch nicht erreicht. Dieser folgte gut einen Monat später mit dem Gewinn der Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen in Grenoble (Fr) 1968 – ebenfalls im Riesenslalom. «Bronze war für mich wie Gold, der Jubel war riesig – bei uns zuhause stand das Dorf Kopf.»
Karriereende bereits mit 23 Jahren
Genau dies schaffte sie regelmässig, drei Siege und fünf Podestplätze holte Bochatay in insgesamt 20 Weltcuprennen – eine beeindruckende Quote. Und trotzdem hing sie 1969 mit nur 23 Jahren ihre Ski an den Nagel. «Ich war gesund, hatte gute Erfahrungen gesammelt und verdiente dank dem Skifahren auch Geld von den Skifirmen – nach der Entstehung des Weltcups waren wir schliesslich nicht mehr Amateure. Trotzdem hörte ich auf. Ich weiss, das tönt verrückt, aber das war zu dieser Zeit so üblich bei den Frauen mit Jahrgängen zwischen 1960 und 1970. Wer damals 25 war und keinen Mann und keine Kinder Hatte, wurde von den Leuten komisch angeschaut.» Und so kam es, dass Bochatay heiratete und mit 24 erstmals Mutter wurde. «Ich hatte aber auch genug vom Schnee, der ganzen Reiserei, den körperlichen Strapazen. Ich hatte alles gesehen und war bereit für ein neues Kapitel.»
Heute lebt Bochatay in Morges VD am Genferseee, noch immer zieht es sie aber nach Lés Marécottes. Dorthin also, wo sie ihre Karriere startete. Mit ihren Enkelkindern, so auch der siebenjährigen Maeva (7), geht sie weiterhin regelmässig auf die Piste. Stolz sagt sie: «Ich bin fit!» Genau so könnte es vor fünf Jahrzehnten getönt haben, als Bochatay nicht auf die Ärzte hörte, sondern drauflos fuhr. Und Schweizer Sportgeschichte schrieb.
Einen Tag vor Fernande Bochatay, am 4. Januar 1968, gelang Edmund Bruggmann (Bild, * 1943, † 2014) der erste Schweizer Weltcupsieg überhaupt. In Bad Hindelang (De) gewann der Flumserberger beim Saisonauftakt den Riesenslalom vor Jean-Claude Killy. Der Franzose hatte im Jahr zuvor 11 von 17 Rennen gewonnen und stand 14-mal auf dem Podest! Bruggmann gewann in seiner Karriere 5 Weltcuprennen (4-mal Riesenslalom, 1-mal Slalom) und eroberte 1972 bei den Olympischen Spielen in Sapporo Riesenslalom-Silber.
Einen Tag vor Fernande Bochatay, am 4. Januar 1968, gelang Edmund Bruggmann (Bild, * 1943, † 2014) der erste Schweizer Weltcupsieg überhaupt. In Bad Hindelang (De) gewann der Flumserberger beim Saisonauftakt den Riesenslalom vor Jean-Claude Killy. Der Franzose hatte im Jahr zuvor 11 von 17 Rennen gewonnen und stand 14-mal auf dem Podest! Bruggmann gewann in seiner Karriere 5 Weltcuprennen (4-mal Riesenslalom, 1-mal Slalom) und eroberte 1972 bei den Olympischen Spielen in Sapporo Riesenslalom-Silber.