Wohl so jeder kleine Fussballfan träumt davon, eines Tages mit seinem grossen Idol auf dem Rasen zu stehen und gemeinsam Flanken zu kicken. In Erfüllung gehen diese Träume in den wenigsten Fällen. Ganz anders sieht es beim Schwingernachwuchs aus. Seit über zehn Jahren findet während den Sommerferien das sogenannte Königscamp statt. Hier trainieren die kleinen Kämpfer eine Woche lang mit ihren Vorbildern. Etwa mit Brünig-Vorjahressieger Adrian Walther (21). Oder dem Kilchberg-Sieger von 2021, Damian Ott (23).
Es spielt dabei keine Rolle, ob die Ambitionen hoch sind oder ob das Camp eher eine Ferienbeschäftigung ist. Fakt ist wie schon in den Jahren zuvor: Organisator Roger Fuchs musste auch in diesem Jahr vielen Nachwuchsschwingern eine Absage erteilen. Denn die Nachfrage nach einem Trainingscamp ist hoch. Und Fuchs, der das Camp privat organisiert, ist der einzige Anbieter in der Schweiz.
Qualität vor Quantität
Eigentlich schade, findet Thomas Notter, Technischer Leiter der Jungschwinger beim Eidgenössischen Schwingerverband. «Nicht alle im Verband sehen das so – aber ich persönlich fände es eine tolle Sache, wenn auch der ESV ein solches Camp anbietet. Vielleicht sogar fürs Nachwuchs-Kader.» Darum hat auch Notter den Kids im Königscamp einen Besuch abgestattet. Um Inspiration zu sammeln. Denn gerade im Nachwuchsbereich kann und muss sich in den nächsten Jahren im Schwingen so einiges tun.
Während das Schwingen in der breiten Bevölkerung zwar immer beliebter wird, gehören die Schwinger in Sachen Juniorenabteilung zu den kleinen Fischen. Gerade mal 3000 Nachwuchsschwinger sind im Moment aktiv. Zum Vergleich: Fussball spielen in der Schweiz fast 200’000 Kinder in einem Verein. Dennoch ist der Nachwuchs-Chef des ESV zufrieden mit der aktuellen Situation. «Quantität ist wichtig, sicher. Aber wir wollen nicht einfach einen Haufen Kids ins Sägemehl holen und ihnen dann kein gescheites Training bieten können.»
Schon jetzt kenne Notter Schwingklubs, die jeden Abend ein Nachwuchstraining anbieten. Einen solchen Aufwand könne sich nicht jeder Verein leisten. Stattdessen ist es dem Nachwuchs-Chef wichtiger, dass die Qualität in den Trainings hoch ist. «Wenn wir den Jungen schon im Training die Freude am Sport weitergeben können, beissen sie hoffentlich auch in den harten Jahren durch.»
Talentkarten sind bestellt
Diese harten Jahre, die Notter anspricht, spielen sich zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr ab. Dann, wenn die Jungs erste Liebesbeziehungen haben. In den Ausgang dürfen. Eine Lehre machen. Und dann, wenn der schwierige Übertritt vom Nachwuchs zu den Aktiven erfolgt. In diesem Zeitraum geht der Grossteil des Schwingernachwuchses verloren.
Diesem Abgang will der ESV nicht tatenlos zusehen. Zusammen mit Swiss Olympic arbeitet der Verband an einem Nachwuchsförderkonzept. Vielversprechende Jungschwinger sollen sich nicht zwischen Berufslehre und Leistungssport entscheiden müssen. Mit einer Talentkarte sollen sich die beiden Dinge besser vereinbaren lassen, wie es die anderen Top-Sportarten in der Schweiz bereits tun. Traditionalisten wird das kaum freuen. Aber Notter erklärt: «Wir wollen einerseits Brauchtum wahren. Aber gleichzeitig wollen wir auch attraktiven und modernen Sport gewährleisten.» Bereits in zwei Jahren sollen die ersten Talentkarten verteilt werden.