Darum gehts
- Schwingerkönig Joel Wicki besucht die Panini-Fabrik im italienischen Modena
- Erstmals produziert der grösste Klebebild-Hersteller ein Schwinger-Album
- Am zweiten Tag erhält Wicki eine Führung durch die Hallen des berühmten Parmigiano
Die Mitarbeiter von Panini stehen an diesem Montagnachmittag vor einem unlösbaren Rätsel. Es ist kurz nach 15 Uhr, als sich das Tor zur Produktionshalle im italienischen Modena öffnet. Maschinenlärm schlägt den Besuchern entgegen. Es riecht nach Druckerfarbe.
Einige der über 20 Angestellten drehen sich kurz um. «Eine ganz normale Führung», denken sich die meisten. Bis sie die beiden Kameralinsen entdecken, die auf einen 1,83 Meter grossen Mann gerichtet sind. Ein Mitarbeiter bleibt kurz stehen, mustert die kräftigen Oberarme des Fremden – und fragt dann verdutzt: «Wer ist das?»
Wicki scherzt an der Schneidemaschine
Die Antwort des Journalisten schafft mehr Verwirrung als Klarheit. «Das ist der Schwingerkönig aus der Schweiz.» Sein unsicheres Lächeln verrät, dass er damit nichts anfangen kann. Als im Laufe des Gesprächs auch noch das Wort «Zwilchhose» fällt, wendet sich der Mann irritiert wieder seiner Arbeit zu.
Joel Wicki bekommt davon nichts mit. Der Schwingerkönig steht vor einer Schneidemaschine. Daneben liegen Bögen mit Dutzenden von Klebebildern. Fokussiert sucht er nach seinem Foto. «Ich bin ganz unten. Hoffentlich ist das am ESAF (Eidgenössisches Schwingfest, Anm. der Redaktion) Ende August anders», scherzt der Luzerner.
In Mollis GL will Wicki seinen Titel verteidigen. Dass er während der Saisonvorbereitung zwei Tage in Italien weilt, hat einen geschichtsträchtigen Grund. Er darf bei der Produktion des ersten Schwing-Albums von Panini dabei sein. Passend zu Wicki heisst das Heft «Schwingerkönig».
Alles begann mit einem Reinfall
Die Zusammenarbeit mit Panini verleiht dem Nationalsport einen Hauch von internationalem Glanz. Schliesslich handelt es sich um den weltweit grössten Hersteller von Klebebildern. Bekannt wurde Panini durch die Produktion von Fussballbildern. Doch die ursprüngliche Idee war eine ganz andere.
Die Familie Panini wollte Blumenmotive verkaufen. Dieser Versuch scheiterte jedoch. Zu den Fussballbildern kam die Familie Panini durch Zufall. Auf einer Reise nach Mailand entdeckten die Brüder 1960 einige unverkaufte Exemplare. Zurück in Modena packten sie jeweils zwei Karten in eine Tüte und verkauften sie für ca. 0,005 Euro. Die Aktion war ein grosser Erfolg. Giuseppe Panini beschloss daraufhin, selbst Sticker herauszugeben. So kam es zur Gründung von Panini 1961.
Actionbilder faszinieren den Schwingerkönig
Die italienische Firma hat Wickis Kindheit geprägt. Denn wie überall auf der Welt wurde auch auf dem Schulhausplatz in Sörenberg LU fleissig getauscht. «Irgendjemand hatte immer das Bild, das einem noch fehlte», sagt Wicki. Der durch seine Kollegen zum Panini-Sammler wurde. «Wir hatten immer sehr viel Spass während dieser Zeit», erinnert er sich und fügt stolz an: «Meistens haben wir das Heft voll bekommen.»
Gleiches will Wicki auch beim ersten Schwing-Album von Panini schaffen. Dafür muss er jeden einzelnen der rund 370 Sticker auftreiben. «Mal sehen, wie lange ich dafür brauche.» Starthilfe bekam er von Panini selbst. Wicki erhielt eine Box mit 50 Tütchen. Offizieller Verkaufsstart ist der 5. Mai. Gemäss Wicki dürfen sich die Sammelfans auf ein tolles Heft freuen.
Besonders fasziniert zeigt er sich von gewissen Actionbildern, auf denen das Sägemehl zu spüren ist. Auch Rolf Gasser, Geschäftsführer des Schwingerverbandes, ist begeistert. «Die Struktur der Kampfbilder gibt einem das Gefühl, selber im Sägemehlring zu stehen», schwärmt er.
Familie Gut macht es möglich
Das Feedback freut Ezio Bassi, den Panini-Verantwortlichen für die Schweiz. «Das macht den Panini-Stil aus. Ebenso wie die vielen starken Farben», erklärt er. Wie kam es zur Partnerschaft zwischen dem Weltkonzern und dem Schweizer Nationalsport? Verantwortlich dafür war die Familie Gut aus Stans NW. «Wir gingen auf Panini zu, um uns zu entlasten», erklärt Patrick Gut.
Nach 2016, 2019 und 2022 ist die diesjährige Ausgabe die vierte unter ihrer Leitung. Die Idee, ein Sammelalbum für den Schwingsport zu kreieren, stammt vom Sportmuseum Basel. Dieses produzierte ein Heft für das ESAF 2010 in Frauenfeld. In Guts Tankstellenshop verkaufte sich das Sammelalbum sehr gut. «Wir fanden es schade, als es das drei Jahre später nicht mehr gab. Also nahmen wir es selbst in die Hand.»
Wicki-Aktion macht die Verantwortlichen nervös
Bei Panini glaubt man an einen grossen Erfolg. Das zeigt allein schon die Produktionszahl. Rund eine Million Päckchen wurden insgesamt hergestellt. Und das an einem einzigen Tag. «Schwingen ist in der Schweiz sehr populär, daher hoffen wir auf gute Verkaufszahlen», sagt Bassi.
Wie bei allen Produktionen wird auch an diesem Montagnachmittag nichts dem Zufall überlassen. Das Worst-Case-Szenario für jeden Panini-Mitarbeiter? «Zwei gleiche Bilder in einem Päckchen. Das müssen wir um jeden Preis verhindern», stellt Bassi klar.
Entsprechend nervös reagierten die Verantwortlichen, als Wicki fünf signierte Bilder von sich wahllos in der Verpackungsmaschine verteilte. Sofort wurden sie wieder entfernt. Mittlerweile befinden sich die Sammlerschätze fein säuberlich aufgeteilt in fünf unterschiedlichen Päckchen.
So werden die Schwinger im Heft ausgewählt
Seit einigen Jahren sorgt ein Programm dafür, dass keine Karte doppelt vorkommt. Früher war der Mischvorgang deutlich spektakulärer. Mitarbeiter warfen Hunderte Bildchen in die Luft. Am Boden angekommen, wurden sie mit einer herkömmlichen Schaufel vermischt. Abgesehen davon, beobachtet man in der Panini-Fabrik noch heute viel Handarbeit. «Das hat mich überrascht. Ich dachte, das sei moderner», sagt Wicki.
Auch das Auswahlverfahren der im Heft vertretenen Schwinger erfolgt noch altmodisch. Keine KI-Berechnungen, sondern der gesunde Menschenverstand entscheidet. Einen ersten Vorschlag macht die Schwingerzeitung «Schlussgang». Die von ihnen erstellte Liste wandert dann zu den technischen Leitern der fünf Teilverbände. Diese könnten bei Bedarf noch korrigierend eingreifen.
Dumme Sprüche in Richtung Wicki
Am Ende der Führung durch die Panini-Fabrik räumt Bassi mit einem Mythos auf. «Alle Bilder kommen gleich oft vor. Dass wir gewisse seltener drucken, ist ein Märchen.» Damit hat auch Wicki eine faire Chance, sein Album voll zu bekommen. Die ersten paar Bildchen klebt er noch vor Ort ins Heft.
Dafür braucht Wicki einige Minuten, was zu ein paar dummen Sprüchen führt. «Zuschauen ist immer einfacher», entgegnet der Spitzenschwinger. Den Tag liess die Gruppe um Wicki bei italienischen Spezialitäten ausklingen. Allzu lange bleiben sie nicht wach, schliesslich wartet am nächsten Tag ein Stück Heimat auf sie.
Lagerhalle imponiert den Besuchern
Zum Abschluss der zweitägigen Reise besucht Wicki die Produktionshallen des berühmten Parmigiano. Der Parmesankäse wird aus der Milch der weissen Kühe rund um Modena hergestellt. Das Besondere daran ist, dass er erst nach einer zweijährigen Reifezeit in den Verkauf kommt. «Das ist ja riesig», sagt Wicki, als er die Produktionshalle betritt.
33’000 Käse sind hier gelagert. Insgesamt gibt es neun solcher Hallen. Die grossen Augen von Wicki sind auch der Leiterin der Führung aufgefallen. Sie macht ihm das Produkt schmackhaft: «Unser Käse hat viele Proteine, das ist gut fürs Training.» Tatsächlich greift Wicki an der Theke kräftig zu. In einer Tasche trägt er mehrere Käsesorten zum Reisecar.
Schwinger äussert besonderen Wunsch
Neben dem Essen nimmt Wicki eine Erkenntnis mit in die Schweiz zurück: «Ich werde in Zukunft öfter in Italien sein. Das Wetter gefällt mir sehr gut.» Dann äussert er einen Wunsch, der ihm während der sechsstündigen Fahrt klar geworden ist.
«Die Bauern in Italien haben riesige Flächen. Es wäre sehr interessant, so etwas einmal genauer anzuschauen.» Vielleicht verbindet er diesen Ausflug mit einem Besuch bei Panini. Dort dürfte sich der eine oder andere Mitarbeiter an die mächtigen Oberarme des Schwingerkönigs erinnern.