Gigers ungewöhnliche Methode
Mithilfe der Hypnose zum Unspunnen-Sieg

Nach einer Reihe von Fehlschlägen im grossen Moment hat Giger in dieser Saison ein unkonventionelles Mentaltraining gewählt. Sein Hypnotiseur war am Unspunnen-Schwinget an seiner Seite.
Publiziert: 03.09.2023 um 13:52 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2023 um 13:55 Uhr
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2021 coachte Adrian Brüngger Pfadi Winterthur zum Schweizermeistertitel. Nun arbeitet er als Hypnosetherapeut.
Foto: keystone-sda.ch
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Nina KöpferRedaktorin Sport

In der Schwingerszene waren sich in dieser Saison alle einig. Samuel Giger (25), der hat das Zeug zum absoluten Champion, zum König. Wenn da nicht dieser Knopf im Kopf wäre, der dem Ostschweizer an den beiden Eidgenössischen 2019 und 2022 einen Strich durch die Rechnung machte. Dieser Knopf, der sich am letzten Sonntag am Unspunnen-Schwinget in Interlaken gelöst hat. Endlich konnte Giger über jenen grossen Sieg jubeln, den er schon so lange angestrebt hatte. Ein entscheidendes Puzzlestück zu diesem Erfolg ist eine eher überraschende Trainingsmethode: Hypnose.

«Nach der letzten Saison wusste ich, dass ich etwas ändern musste. Also habe ich mich an den Computer gesetzt und angefangen zu suchen», erzählt Giger. Seine Freundin habe das Thema Sporthypnose ins Spiel gebracht. Schon bald stösst er in diversen Medienberichten auf den Namen Adrian Brüngger und meldet sich im Februar bei ihm. Brüngger ist ausgebildeter Hypnosetherapeut, der sich auf mentale Stärke im Bereich Spitzensport spezialisiert hat. Zu seinen Kunden gehören auch Weitsprung-Überflieger Simon Ehammer (23) oder Snowboard-Weltcupsieger Kalle Koblet (26). Weitere Namen nennt der Mental-Profi nicht, da die Sportler ihre Hypnosetherapien in der Regel lieber geheim halten.

Vom Hokus-Pokus zur Ideal-Lösung

Auch Brüngger selbst hat einen sportlichen Hintergrund, war 14 Jahre lang Trainer der Handballer von Pfadi Winterthur. Ohne Hypnose wäre er nicht so lange im Amt geblieben. Dabei bezeichnete er die Methode damals noch als «Hokuspokus-Zeugs». Doch in seiner dritten Saison lief es Pfadi derart schlecht, dass Trainer Brüngger, verzweifelt, wie er war, als letzte Möglichkeit genau auf diesen Hokuspokus für seine Spieler setzte. Und feststellen musste: Das funktioniert. Brüngger war derart begeistert von der Methode, dass er sich selbst zum Therapeuten ausbilden liess und mittlerweile Teilinhaber und CEO eines Instituts für Hypnose ist.

Schon beim ersten Treffen war für Samuel Giger klar: Das passt. «Ich war sehr offen für seine Methoden, sonst hätte ich das wohl nicht so gut annehmen können.» Die Zusammenarbeit zwischen dem Schwinger und dem Hypnotiseur lief aber nicht halb so spektakulär ab, wie man das aus dem TV kennt. «Eine Hypnose ist keine Narkose. Da ist man nicht weggepustet, sondern bekommt alles mit und kann alles beeinflussen», erklärt Brüngger. Giger beschreibt das Gefühl als Zustand absoluter Entspannung. Pro Session wird ein Problem angegangen – in Gigers Fall war das beispielsweise das Trauma seiner Nackenverletzung aus dem letzten Jahr. Am Nordostschweizerischen hatte er seinen Fall im ersten Gang komplett mit dem Nacken abgefangen.

Keine Hypnose am Schwingfest

«Eine solche Verletzung hinterlässt im Körper und im Unterbewusstsein einen Schock», erklärt der ehemalige Handball-Coach. Die Hypnose sei das Werkzeug, um dieses Unterbewusste freizulegen und daran zu arbeiten. «Ziel der Sporthypnose ist es, die falschen Emotionen – Zweifel, Angst – auszuschalten und durch Selbstvertrauen und Entschlossenheit zu ersetzen.» Auch die beiden verkorksten Eidgenössischen wurden so behandelt.

Einmal pro Monat besuchte der Unspunnen-Sieger den Hypnosetherapeuten. Auf dem Brünig dann reiste Brüngger erstmals mit an einen Ernstkampf. Prompt gewann Giger das prestigeträchtige Bergfest. Auch in Interlaken war er wieder dabei. Und versetzte Samuel Giger vor jedem Gang in Hypnose? «Nein, so funktioniert das nicht, und es war nicht nötig. In den Sessionen haben wir schon alles für den Wettkampf vorbereitet. Ich war nur da, um den Fokus nochmals zu schärfen.» Dass die Hypnosetherapie Giger zum Unspunnen-Sieg geführt hat, will er aber nicht behaupten. «Das hat vielleicht fünf Prozent ausgemacht.» Doch an der absoluten Spitze sind es genau diese fünf Prozent, die über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Selbsthypnose im Training

Auch der Schwinger nennt die Hypnose als ein Puzzlestück im grossen Ganzen. «Das Schwingtraining ist nach wie vor das wichtigste. Aber damit es am entscheidenden Tag rund läuft, muss man nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf topfit sein.» Auch in der nächsten Saison will der Ostschweizer auf Sporthypnose setzen. Die Selbsthypnose, zu vergleichen mit Meditation, werde Teil des wöchentlichen Trainingsprogramms, und auch die Sessionen beim ehemaligen Handball-Coach will Giger weiterführen. Denn mit dem Eidgenössisches Jubiläums-Schwingfest in Appenzell steht auch in der nächsten Saison ein Highlight an. 


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