Darum gehts
Die Ausgangslage vor dem ESAF Ende August in Mollis ist so offen wie selten zuvor. «Es gibt keinen Ausserirdischen wie Fabian Staudenmann in den letzten Jahren oder zeitweise ein Samuel Giger», sagt der fünffache Stoos-Sieger Philipp Laimbacher. Alle Favoriten auf den Königstitel hatten bereits ihre Ausrutscher. Was müssen sie bis zum Saisonhöhepunkt in vier Wochen noch tun, um den Thron zu besteigen? Blick nennt gemeinsam mit Schwing-Legende Laimbacher ihre grössten Baustellen und liefert mögliche Lösungsansätze.
Fabian Staudenmann
Baustelle: Für Laimbacher ist der Berner nach wie vor der Top-Favorit auf den Königstitel. Will Staudenmann in Mollis triumphieren, muss er aber Verteidigungskünstler wie Marcel Räbsamen oder Andy Signer aus dem Weg räumen. Gegen beide stellte der Mathematikstudent am Schwarzsee. «Mir wurden meine Defizite aufgezeigt. Das muss ich nun analysieren und mir für die Zukunft einen Plan zurechtlegen», sagte er danach.
Lösung: Die Berner haben reihenweise Verteidigungskünstler in ihren Reihen. Deshalb liegt die Lösung für Laimbacher auf der Hand: «Staudenmann muss sich im Kadertraining die unangenehmen Berner wie Aebersold, Nägeli oder Wittwer schnappen und sie als Versuchskaninchen brauchen.» Die Chance dazu erhält er während des viertägigen Trainingslagers auf der Kleinen Scheidegg.
Fahrplan: Vor dem ESAF bestreitet Staudenmann noch ein Fest. Nächsten Sonntag tritt er als Gast am Nordwestschweizer an.
Joel Wicki
Baustelle: Gibt es überhaupt eine? Die Bilanz in dieser Saison spricht für Wicki: neun Schwingfeste, sechs Siege, dreimal Zweiter. Ein Knackpunkt beim Luzerner ist seit Jahren sein am Limit laufender Körper. Die fehlenden Zentimeter im Vergleich zu den anderen Favoriten kompensiert er mit einer unglaublichen Explosivität. Doch der Grad zwischen Top-Form und Übertraining ist schmal. Der Weg zum ESAF wird für Wicki zu einem Balanceakt.
Lösung: Ein Absturz verhindern wird Daniel Hüsler. «Er ist ein Meister seines Fachs», schwärmt Laimbacher. Hüsler betreut Wicki seit Jahren. «Als Titelverteidiger weiss niemand besser als die beiden, was es braucht, um am ESAF in Top-Form zu sein.»
Fahrplan: Ob er die Schwägalp bestreiten wird, entscheidet Wicki in den nächsten Tagen. Es wäre sein letzter Ernstkampf vor dem ESAF.
Samuel Giger
Baustelle: Vielen Experten fehlt beim Unspunnensieger die Spritzigkeit. Wo ist sein Atom-Kurz, den die Konkurrenz jahrelang fürchtete? In dieser Saison bisher kaum gesehen. Will Giger König werden, muss er in den nächsten Wochen noch einmal an Explosivität zulegen.
Lösung: Sein Athletiktrainer Goran Cvetkovic. Der weiss ganz genau, wie man Giger auf den Tag X vorbereitet. Das haben die beiden am Unspunnen-Schwinget vor zwei Jahren bewiesen. Positiv stimmt Laimbacher zudem seine eigene Erfahrung. «Du kannst mit einem richtigen Aufbau in den letzten Wochen noch einmal einen Zacken zulegen.» Das traut er auch Giger zu.
Fahrplan: Das Bergfest auf der Schwägalp, das zwei Wochen vor dem ESAF stattfindet, dient Giger als Hauptprobe.
Michael Moser
Baustelle: Das Supertalent begeistert mit seiner Angriffslust und technischer Finesse. Hinzu kommt seine unbeschwerte Art, die an Kilian Wenger vor seinem Königstitel erinnert. Doch was macht die ganze Aufmerksamkeit mit ihm? Plötzlich wird er als Königskandidat gehandelt. Von diesem Druck und den Erwartungen an sich selbst droht er erdrückt zu werden. Auch weil ihm die Erfahrung fehlt, als einer der Top-Favoriten ans ESAF zu reisen.
Lösung: Ihm empfiehlt Laimbacher, was er selbst auch immer getan hat. «Er soll bis zum ESAF normal weiterarbeiten.» Moser ist auf dem Hof seiner Eltern zu 60 Prozent angestellt. Der Landwirt kümmert sich unter anderem um die Tiere. «Diese Ablenkung im Stall tut gut. Da kommst du auf andere Gedanken. Zu viel zu studieren, wäre jetzt der grösste Fehler.»
Fahrplan: Als letzten Ernstkampf vor dem ESAF bestreitet Moser am kommenden Sonntag das Lüderen-Schwinget ob Langnau.
Pirmin Reichmuth
Baustelle: Als solche wurde in der Vergangenheit leider immer wieder sein Körper bezeichnet. Viermal riss sich der Zuger das Kreuzband. Seine Knie zwingen ihn, bestimmte Schwingtrainings auszulassen. In dieser Saison musste er die Rigi als Vorsichtsmassnahme absagen. Er braucht das volle Vertrauen in seinen Körper. Zudem muss er seine Trainingsleistung in den Wettkampf übertragen. Im Schwingkeller sei er noch einmal besser als an den Kranzfesten, erzählen seine Kollegen.
Lösung: Reichmuth muss viel stärker als alle anderen auf seinen Körper hören. «Die Dosierung der Trainings ist entscheidend. Schwingen kann er. Nun gilt es, den richtigen Mix zu finden», so Laimbacher. Bezüglich der mentalen Verfassung von Reichmuth macht sich der fünffache Eidgenosse keine Sorge. «Dank seiner Erfahrung weiss er, was es braucht. Pirmin wird den Schalter rechtzeitig umlegen können.»
Fahrplan: Vor dem ESAF wird Reichmuth keinen Ernstkampf mehr bestreiten.