Der dreijährige Xavier Stucki öffnet die Türe der schmucken Viereinhalbzimmerwohnung am Lysser Juraweg: «Chömet inä. I zeigä eu jetz mis chlinä Brüederli Elia.»
Schon beim ersten Anblick von Xaviers fünf Monate altem Bruder wird deutlich, dass Elia ganz seinem 1,98 m langen und 140 kg schweren Papa Christian Stucki nachschlägt – der Kleinste misst bereits 72 Zentimeter und bringt schon stattliche 10,5 Kilogramm auf die Waage.
Bei der Geburt hat Elia seinen gigantischen Erzeuger sogar in den Schatten gestellt. Als bei Chrigeli am 10. Januar 1985 die Nabelschnur durchtrennt wurde, wog er bei einer Grösse von 52 Zentimetern 4 Kilo. Sein Sohn Elia war bei seiner Geburt am 2.November 53 Zentimeter lang und 4,4 Kilo schwer. «Die Hebamme ist fast in Ohnmacht gefallen, als sie Elias’ Gewicht abgelesen hat», sagt der mit vier Kranzfest-Siegen erfolgreichste Schwinger des letzten Jahres schmunzelnd. Und ein weiterer Vergleich: Der erstgeborene Sohn wog bei der Geburt 3,5 Kilo.
Die Geburt ihres zweiten Sohnes dauerte aber deutlich weniger lang als beim Erstgeborenen. Mama Cécile: «Bei Xavier lag ich 26 Stunden mit Schmerzen im Kreissaal, Elia kam fünfeinhalb Stunden nach meinem Eintritt ins Krankenhaus auf die Welt.»
Zuvor hat sich Cécile mit ihrem bösen Herzbuben noch im Stade de Suisse das 1:1 zwischen YB und dem FCZ angeschaut. «Da habe ich alle acht Minuten einen Schrei ausgestossen. Nicht weil der Match so dramatisch war, sondern weil die Wehen eingesetzt hatten ...»
Aber wenn sie jetzt auf der Spielwiese beim Schloss Erlach zuschauen darf, wie der Xavier liebevoll mit seinem «chlinä Brüederli» spielt, wird Cécile so richtig bewusst, wie sehr sich diese Wehen gelohnt haben.
Viel Freude hat Cécile auch, wenn sie ihren starken Mann im Umgang mit den Buben beobachtet: «Chrigu ist zwar nicht der perfekte Hausmann, aber ein wirklich liebevoller Vater. In unserem Haushalt ist der Freitagvormittag der Vatertag, an diesem Tag bereitet er auch das Mittagessen zu. Kochen kann Chrigu richtig gut, vor allem Fleischgerichte ...»
Schon bald wird Big Daddy seiner Familie die Zungenschnalzer in einer neuen Küche zubereiten – Ende Februar haben die Stuckis in Lyss, unweit von ihrer jetzigen Mietwohnung, mit dem Bau eines Hauses begonnen. Spätestens im November will der 32-fache Kranzfest-Sieger mit seinen Liebsten das Eigenheim beziehen.
Weil der Kilchberg-Champion von 2008 neben den familiären Verpflichtungen auch noch ein sechzig Prozent-Pensum als Lastwagenchauffeur absolviert, konnte er in den letzten Monaten weniger Zeit ins Schwingtraining investieren. Seine jüngsten Auftritte bei den Hallenschwingfesten in Büren und Oberdiessbach haben aber gezeigt, dass sich die geringere Trainingsquantität nicht auf die Qualität seiner Schwünge ausgewirkt hat – Stucki hat alle zwölf Gänge in der Halle gewonnen. In Büren hat er auch den Berner Shooting-Star Remo Käser (besiegte im Vorjahr zweimal Kilian Wenger) im ersten Zug versenkt.
Trotzdem hat der gelernte Forstwart drei Wochen vor seinem Start in die Kranzfest-Saison eine kleine Sorgenfalte auf der Stirn: «Nachdem ich im Winter zeitweise von einem Muskelfaserriss beeinträchtigt wurde, bereitet mir momentan die Leiste Probleme. Ich bin aber noch zuversichtlich, dass ich das bis zum Berner Mittelländischen am 8. Mai in den Griff bekomme.»
Dass ein gesunder Stucki beim Eidgenössischen in der letzten Augustwoche in Estavayer nur schwer zu stoppen sein wird, hat auch der regierende König Matthias Sempach eingesehen. Nach Chrigus Sieg am letzten Berner Kantonalen sagte Mättu zu BLICK: «Diese Vorstellung von Chrigu war absolut königlich. Und ich traue ihm zu, dass er diese Form bis Estavayer konservieren kann. Wenn ihm das gelingt, wird er der neue König.»
Für Cécile, Xavier und Elia wird der Chrigu aber auch dann der Grösste bleiben, wenn am 28. August ein anderer den Schwinger-Thron erobert.