Darum gehts
Ungewöhnliche Kranz-Zeremonien
Am Baselstädtischen Schwingertag schien alles bereit für die Übergabe der Kränze. Die Ehrendame und die Schwinger standen im Festzelt. Doch wo waren die Handörgeler? «Es gab ein Missverständnis. Sie sind bereits nach Hause gegangen», erklärte der Zeremonienleiter. Nach kurzem Gelächter bat er das Publikum, als Ersatz einzuspringen. So ertönte die übliche Melodie während der Kranzübergabe nicht aus Handorgeln, sondern aus mehreren Hundert Kehlen im Festzelt. Trotz einigen schrägen Tönen gefiel es den Schwingern. «Das ist einmal etwas anderes. Daran werden wir uns noch lange erinnern», sagten gleich mehrere Athleten. Dass sie es drei Tage später am Basellandschaftlichen noch einmal erleben würden, hätten sie wohl nicht gedacht. Diesmal sind die Handörgeler zwar noch da, doch sie flüchten vor dem Regen.
Zuschauer muss einspringen
Das vergangene Wochenende wird als das bisher turbulenteste in die noch junge Schwingkarriere von Mirco Tschan (17) eingehen. Dabei sah am Samstagmorgen noch alles ganz normal aus. Der Jurassier reiste als Zuschauer ans Mittelländische Schwingfest nach Uetendorf BE. Dort angekommen, erhielt er die Nachricht, welche alles veränderte. Einer seiner Kollegen vom Bern Jurassischen Gauverband tauchte nicht auf. «Also fragten mich die Organisatoren, ob ich Lust habe zu schwingen.» Tschan musste nicht zweimal überlegen. «Da ich als Ersatzschwinger aufgelistet war, hatte ich zum Glück alles Nötige dabei», erzählt er am Abend.
Tschan erhielt einige Minuten mehr, um sich aufzuwärmen. Immerhin kannte er den Schwingplatz bereits bestens. Am Donnerstag gewann er in der gleichen Arena den Nachwuchsschwingertag. Mit einem Sieg startete er perfekt in das Kranzfest zwei Tage danach. Vor dem Mittag gelang ihm mit dem Gestellten gegen einen Teilverbandskranzer ein Achtungserfolg. Am Nachmittag musste sich Tschan jedoch zweimal geschlagen geben und verpasste damit seinen ersten Kranz. Die nächste Chance auf Eichenlaub bot sich bereits am Sonntag. Dann trat er am Neuenburger Kantonalen an. Diesen Wettkampf musste Tschan nach vier Gängen verletzungsbedingt abbrechen.
Kollegen witzeln über Staudenmann
Es war die grösste Sensation der bisherigen Schwingsaison. Beim Seeländischen Schwingfest besiegte der 19-jährige Michael Moser die beiden Berner Teamleader Fabian Staudenmann (25) und Adrian Walther (23). Auch eine Woche danach war diese Glanzleistung noch immer Thema. Nach seinem souveränen Sieg am Mittelländischen Schwingfest verriet Staudenmann, dass er sich nach der überraschenden Niederlage einige dumme Sprüche hatte anhören müssen. «Ihr seid umgefallen wie faule Tannen, witzelten die Kollegen in der Garderobe.»
Klare Worte nach Fehlentscheid
Er hat es wieder getan. Eine Woche nach Staudenmann und Walther bodigte Michael Moser den nächsten Eidgenossen. Beim Mittelländischen Schwingfest legte er Severin Schwander aufs Kreuz. Dass es wieder nicht zum Sieg reichte, lag dieses Mal an zwei Gestellten. Eine Woche zuvor hatte eine Niederlage gegen Dominik Roth seine Schlussgang-Träume platzen lassen. Im Nachgang deckte König Nöldi Forrer im Blick-Podcast «Hoselupf» auf, dass Roth bei seinem Siegeswurf keinen Griff hatte. Bitter für Moser, der kurz nach dem Gang in der Garderobe davon erfuhr. «Ich habe mich aber überhaupt nicht über den Kampfrichter geärgert, sondern über mich selbst.» Zudem betont der Landwirt, dass es jeweils extrem schnell geht. «Ich mache da niemandem einen Vorwurf.»
Prominente Neukranzer
Dass der Name Walther ganz oben auf der Rangliste steht, ist nichts Ungewöhnliches. Adrian Walther gehört zu den stärksten Bernern und darf sich Chancen auf den Königstitel ausrechnen. Doch am letzten Samstag war vor dem letzten Gang überraschend sein Bruder Reto (22) vor ihm platziert. Dieser bezwang Leandro Nägeli (22), an dem sein berühmter Bruder verzweifelt war. Nach diesem Sieg war klar, dass Reto seinen ersten Kranz gewinnen würde. Ein Meilenstein. «Ich bin unglaublich glücklich, dass es jetzt endlich geklappt hat», sagte er im Anschluss. Ebenfalls seinen ersten Kranz sicherte sich Timo Gisler (16). Der Sohn des dreifachen Eidgenossen Bruno Gisler durfte sich am Basellandschaftlichen erstmals das Eichenlaub aufsetzen lassen.
Da fehlt doch was
Wenn Matthias Aeschbacher ins Sägemehl schreitet, erkennt man ihn meist auf den ersten Blick. Denn der ESAF-Schlussgangteilnehmer von 2022 ist einer der wenigen Schwinger, die immer einen Ohrenschutz tragen. Umso erstaunter waren die Blicke am Mittelländischen, als er dort plötzlich ohne diesen auftauchte. Und das nicht nur beim Anschwingen, sondern bei allen Gängen. Was steckt dahinter? Die Erklärung ist simpel, wie er gegenüber Tele Bärn sagt. «Ich habe ihn zu Hause vergessen», verrät Aeschbacher lachend. Das Fest beendete er auf Rang sieben, holte gerade noch den Kranz – den 97. seiner Karriere. Dass es nicht ganz wunschgemäss lief, «lag nicht am fehlenden Ohrenschutz, das ist keine Ausrede», wie der Berner betont.
Neuerung auf Athletenwunsch
Das Mittelländische wartete mit einer Neuerung auf. Erstmals gab es ein Hosen-Zelt. Das hatte sich der Athletenrat gewünscht. Der Vorteil: Die Schwinger holen dort nicht nur ihre Zwilchhosen ab, sondern melden sich auch für den Kampf an und belagern damit nicht mehr den Tisch der Kampfrichter. Dadurch wird die Sicht der Zuschauer nicht mehr gestört. Wie lautet das erste Fazit? «Das Zelt ist etwas zu klein, nächstes Mal nehmen wir ein grösseres», sagt Reto Zbinden vom Mittelländischen Schwingerverband gegenüber Tele Bärn. «Und eine WC-Anlage fehlt auch.» Grundsätzlich sei der erste Eindruck aber durchwegs positiv. Ganz neu ist ein Hosen-Zelt indes nicht. Beim Baselstädtischen gibt es das schon länger, auch auf dem Weissenstein wurde es bereits eingeführt.
Ungemütliche Mittagspause
Jonas Odermatt (20) musste lange zittern. Nach seinem sechsten Gang stand der Basler bei 46,25 Punkten. Ob das für den Kranz reichen würde? Erst nach dem Schlussgang war klar: Ja, es reicht. Eine Erlösung. Trotzdem zeigte sich der Bruder des Eidgenossen Adrian Odermatt nicht vollends zufrieden. «Heute wäre mehr möglich gewesen. Ich konnte nicht so schwingen, wie ich mir das vorgestellt habe.» Ein Grund dafür waren seine körperlichen Probleme. «Ich fühlte mich teilweise nicht gut. Am Mittag musste ich mich sogar übergeben. Das soll aber keine Ausrede sein für meinen schlechten Auftritt.» Dass er sich letztlich doch noch den Kranz sicherte, spricht für seine starke Willenskraft.
Die Königs-Favoriten
Obwohl in der vergangenen Woche gleich fünf Kranzfeste stattfanden, waren nur zwei Königs-Favoriten im Einsatz. Die Berner Teamleader Fabian Staudenmann und Adrian Walther drückten dem Mittelländischen den Stempel auf. Auf überzeugende Art und Weise feierte Staudenmann seinen ersten Saisonsieg. Er gewann alle Gänge, verpasste nur zweimal die Maximalnote und bodigte mit Kilian von Weissenfluh, Curdin Orlik und Patrick Gobeli gleich drei Eidgenossen.
Adrian Walther zeigte den perfekten Morgen – alle drei Gänge (unter anderem gegen die Eidgenossen Florian Gnägi und Matthias Aeschbacher) entschied er innert kürzester Zeit mit Plattwurf für sich. Eine kleine Baisse am Nachmittag mit den Gestellten gegen Leandro Nägeli und Dominik Roth, für die er aber jeweils die Note 9,00 bekam, kostete ihn das Schlussgang-Ticket. Dennoch beendete er das Fest auf Rang zwei.
Kommendes Wochenende verspricht viel Spannung. Während Samuel Giger und Armon Orlik am Glarner-Bündner teilnehmen, kommts auf dem Stoos zum Zusammentreffen der Berner und Innerschweizer Teamleader. Dort steigen neben Staudenmann und Walther auch König Joel Wicki und Pirmin Reichmuth in die Zwilchhosen.