Foto: BENJAMIN SOLAND

«Churz» und «Lätz» unter Palmen
Wie ein Basler den Schwingsport im Tessin aufpoliert

Das Tessin war auf der Karte der Sägemehl-Schweiz lange ein dunkler Fleck. Dank einem Zwilchhosen-Missionar aus dem Baselbiet sind nun aber «Churz» und «Lätz» auch im Süden angekommen.
Publiziert: 15.08.2019 um 18:11 Uhr
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Aktualisiert: 17.08.2019 um 08:23 Uhr
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Tessiner Nachwuchshoffnungen: Nicolas Laloli (o.) und Enea Donelli.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Marcel W. Perren (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Nicolas Laloli ist der jüngste Schwerstarbeiter der Eidgenossenschaft. Der Achtjährige aus Gordola muss bei den Trainings der Tessiner Schwinger regelmässig den deutlich grösseren und gewichtigeren Enea Donelli bearbeiten. «Wir haben derzeit neben den neun Aktiven nur fünf Bubenschwinger, Nicolas ist mit Abstand unser jüngster. Deshalb muss er im Training oft mit dem 13-jährigen Enea zusammengreifen», erklärt Edi Ritter, seines Zeichens Präsident des Tessiner Schwingerverbands.

Vor acht Jahren hat der im Baselbiet aufgewachsene Ritter die kleine Schwingbewegung in seiner Tessiner Wahlheimat ausgelöst. «Als ich den ersten Schnuppertag in Tenero durchgeführt habe, bin ich mir vorgekommen, wie wenn ich mit Schwinghosen und einem Sack Sägemehl in Afrika oder Skandinavien angekommen wäre. Die Tessiner wussten damals von unserem Nationalsport gleich wenig wie ein Nigerianer oder ein Finne ...»

Viel höhere Akzeptanz

Bei den örtlichen Behörden ist Ritters Plan anfänglich auf Unverständnis gestossen. «Weil es hier keinen Schwingkeller gab, habe ich den ersten Sägemehlring in der Nähe des Seeufers gestreut. Doch als wir ein paar Wochen später erneut trainieren wollten, war der Ring verschwunden. Die örtliche Kehrichtabfuhr hatte das Sägemehl als nutzlosen Abfall taxiert und deshalb entfernt und verbrannt!»

Mittlerweile geniesst Ritter mit seinen Ragazzi in der Sonnenstube eine sehr viel höhere Akzeptanz. Im offiziellen Swiss-Olympic-Trainingszentrum in Tenero haben die Ticino-Schwinger neben einem kleinen Schwingkeller einen fixen Aussentrainingsplatz. Und zumindest Ritters Jungschwinger haben in den Vergleichen mit den starken Innerschweizern schon einige Achtungserfolge erzielen können. «Der 13-jährige Diego Poletti hat in dieser Saison bei neun Buben-Schwingfest-Teilnahmen neunmal das Zweigli gewonnen. Zweimal hat er sich sogar für den Schlussgang qualifiziert», erzählt der stolze «Presidente».

Einen zukünftigen Schwingerkönig kann Ritter in seinem stärksten Jungschwinger trotzdem nicht erkennen. «Diego lebt derzeit von seiner körperlichen Überlegenheit, er hat Kraft wie ein Stier. Aber technisch schwingt er noch viel zu einseitig.» Bei seinen erwachsenen Kämpfern hat Ritter das umgekehrte Problem: «Wir haben bei den Aktiven ein paar technisch hervorragende Schwinger, aber dummerweise bringen diese Burschen 30 Kilo zu wenig auf die Waage.» Und weil die Tessiner Leichtgewichte noch keinen Kranz gewinnen konnten, wird die Associazione Ticinese di Lotta Svizzera beim Eidgenössischen in Zug nicht am Start stehen.

«Wichtiger als Kränze ist die Nachhaltigkeit»

Unzufrieden ist Ritter, der zuvor als Präsident der Doping-Kommission des Eidgenössischen Schwingerverbands amtete, mit der Entwicklung des Älplersports an der Grenze zu Italien trotzdem nicht: «Viel wichtiger als Kränze ist mir die Nachhaltigkeit. Wir haben hier jetzt zwei Schwinger, die den J+S-Leiterkurs bestanden. Somit haben wir jetzt also ein paar Männer, die sich auch dann noch um den Schwingsport im Tessin kümmern, wenn ich einmal nicht mehr da bin.»

Den nächsten Höhepunkt in der Geschichte von «Lotta Svizzera» will der 69-jährige «Zwilchhosen-Missionar» aber noch aktiv mitgestalten. Da der Tessiner Verband zu Beginn des Jahres offiziell vom Innerschweizer Teilverband aufgenommen wurde, wird es in zwei Jahren erstmals ein Kranzschwingfest im Tessin geben. «Ab 2021 wird dann alle drei Jahre ein Tessiner Kantonales ausgetragen. Es wird für uns sicher nicht einfach werden, den üblichen Gabentempel zu erstellen, weil die Tessiner ja gar nicht wissen, was ein Gabentempel ist.»

Einen hochkarätigen Preisspender hat Ritter aber bereits auf sicher: Skilegende und Schwingerfreund Bernhard Russi lässt ausrichten, «dass ich meinen Kantonsnachbarn aus dem Tessin einen Lebendpreis spenden werde». Ob er den Stier, ein Rind, Kalb oder Kaninchen spenden wird, lässt der ewige Abfahrts-Olympiasieger und -Weltmeister aber offen ...

Alle Infos zum Eidgenössischen in Pratteln

Vom 26. bis 28. August dominieren Kolosse, Sägemehl und Zwilchhosen die Schweiz – das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2022 in Pratteln steht an. Hier findest Du alles, was Du über den Mega-Event wissen müssen.

Sven Thomann

Vom 26. bis 28. August dominieren Kolosse, Sägemehl und Zwilchhosen die Schweiz – das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2022 in Pratteln steht an. Hier findest Du alles, was Du über den Mega-Event wissen müssen.

Die Schwingplätze in der Zug Arena sind bereit
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