Die Mountainbike-WM im Wallis sind in jeder Beziehung ein Anlass im Grossformat. Neben den klassischen Disziplinen wie Cross-Country, Downhill und Short Track werden auch die Marathondistanz sowie die Rennen in der Pumptrack, im Enduro und mit den E-Bikes ausgefahren.
Mittendrin die 28-jährige Sina Frei, Zürcherin aus Uetikon am See und spätestens seit den Olympischen Spielen 2021 in Tokio weit über die Grenzen ihres Sports bekannt. Damals gehörte die zierliche Fahrerin (151 cm) mit dem riesigen Kämpferherzen zum Schweizer Team, das im Cross-Country-Rennen den gesamten Medaillensatz abräumte. Für Frei reichte es hinter Jolanda Neff (32) und vor Linda Indergand (32) zu Silber – und zum Preis des uneingeschränkten Publikumslieblings.
Darauf angesprochen, sagt sie: «Wenn ich ein Bild von diesem Rennen sehe, werden die Ereignisse sofort präsent. Auch deshalb zaubert allein der Gedanke an Japan immer ein Lächeln in mein Gesicht.» Doch Frei weiss: Im Spitzensport sind vergangene Erfolge von beschränktem Wert. So ist in diesen Tagen ihr Fokus auf die Titelkämpfe im Wallis gerichtet. Sie wird am kommenden Dienstag in Zermatt im Short Track an den Start gehen – und am folgenden Samstag in Crans-Montana im Cross-Country-Rennen. Mit Blick auf die Ausgangslage sagt die mehrfache U23-Weltmeisterin: «Es ist sicher ein Vorteil, dass zwischen den beiden Rennen eine dreitägige Pause liegt. Das lässt Zeit zur Erholung und zur Umstellung – physisch und mental.»
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Manager, Mechaniker und Koch
Zu ihrem engsten Umfeld gehören unter anderem der Performancemanager Mike Posthumus, die Teammanagerin Tara Lazarski, der Mechaniker Jerome Alix sowie Koch Alan Murchison. Doch dessen Menüwahl ist eher Mittel zum Zweck als kulinarischer Genuss. Die Short-Track-Weltmeisterin von 2021 erzählt lächelnd: «Vor und während der Wettkämpfe gibt es vor allem etwas – Reis in allen Variationen. Reisnudeln. Pancakes mit Reismehl, Milchreis und normalen Reis.» Dies sei der Grund, weshalb sie sonst gut auf Reis verzichten könne.
Bis zum ersten Rennen residiert Frei in einer Mietwohnung in Verbier – um sich an die Höhe zu gewöhnen. Allerdings nicht mit der Schweizer Nationalmannschaft, sondern mit dem Specialized-Factory-Racing-Team. Dort steht ihr ein Einzelzimmer zur Verfügung. Ist das Platzangebot beschränkt, teilt sie sich das Zimmer normalerweise mit der österreichischen Teamkollegin Laura Stigger: «Wir kommen sehr gut miteinander klar», sagt Frei. Das Training stehe so kurz vor der WM nicht mehr im Fokus: «Da haben wir – auch mit meinem persönlichen Coach Thomas Bonne – bereits alles gemacht, was es zu tun gibt.»
Von der Ferienwohnung ins Hotel
Zu ihren Schweizer Teamkolleginnen stösst Frei erst in Zermatt, wo die ganze Equipe in einem Hotel untergebracht ist. Die Titelkämpfe im Wallis seien aber nicht nur wegen der recht aufwendigen Logistik speziell. Die Atmosphäre an Heimrennen sei immer schön – und sicher ein emotionaler Vorteil: «Wenn ich vom Strassenrand her meinen Namen höre, spornt dies zusätzlich an.» Sina Frei freut sich, dass ihre Eltern an die Rennen anreisen – und «wohl auch viele Freunde». Mit der Erwartungshaltung des heimischen Publikums hat sie kein Problem: «Den Druck mache ich mir selber.»
Mit der WM im Wallis werden unweigerlich auch die Erinnerungen an die Strassen-Weltmeisterschaften 2024 in Zürich wach – und an den tragischen Unfall von Muriel Furrer (†18). Frei verbindet mit der tödlich verunglückten Sportlerin eine gemeinsame Vergangenheit im VC Meilen und damit auch grosse Emotionen: «Obwohl wir altersmässig relativ weit auseinanderlagen und nur selten gemeinsam trainierten, verfolgte ich Muriels Karriere ganz genau. Ich habe ihr jeweils meine alten Veloschuhe überlassen und auch sonst Materialgegenstände weitergegeben.» Bei den Erinnerungen an ihre Kollegin wird Freis Stimme leise: «Muriel wird immer einen Platz in meinem Herzen behalten.»
Dass auch im Mountainbike Risikopotenzial vorhanden ist, negiert Sina Frei nicht, dennoch gebe es grosse Unterschiede zu Strassenrennen: «Wir fahren auf einem Rundkurs von rund drei Kilometern Länge. Die Strecken sind entsprechend gut überwacht und gesichert. Ausserdem kommen bei uns Stürze wegen Fremdeinwirkung selten vor.» Damit hofft sich Sina Frei an der Heim-WM aber nicht befassen zu müssen. Auf ihre Ziele angesprochen, sagt sie: «Wer schon mal eine Medaille gewonnen hat, will das Gefühl wieder erleben.»
Und wie sieht ihre längerfristige Planung aus? Darauf hat Sina Frei noch keine verbindliche Antwort. Gleichwohl hat sie eine vage Idee, was dereinst eine Alternative sein könnte: «Wieso nicht ein Café eröffnen? Ich trinke gerne Kaffee, und ich kann mir vorstellen, einen Ort zu schaffen, wo sich die Menschen treffen.»
So weit ist es aber noch lange nicht. Als Erstes will die Weltmeisterin von 2021 an den Titelkämpfen im Wallis aufs Podest fahren – und mittelfristig könnten auch die Olympischen Spiele in Los Angeles wieder zum Thema werden. Für ihre Gegnerinnen sind dies zwiespältige Neuigkeiten. Um Sina Frei zu bezwingen, muss jede Fahrerin über sich hinauswachsen.