Darum gehts
Die Szenerie ist eines ganz grossen Champions würdig. Und genau das ist Tadej Pogacar (26, Slo). Mitten in der Altstadt von Lille, in der 112 Jahre alten Oper, sitzt der dreifache Tour-de-Fance-Sieger (2020, 2021, 2024) im Weltmeister-Trikot auf der Bühne. «15 Minuten Fragen in Englisch, dann noch drei Fragen in Slowenisch», gibt die Moderatorin den Takt vor. Die gut hundert Journalisten sind einverstanden. Denn: Wenn der grösste Radstar der letzten Jahre spricht, nimmt man, was man bekommt.
Blick: Tadej Pogacar, Sie haben die Tour dreimal und Jonas Vingegaard zweimal gewonnen. Wie sehen Sie dieses Duell?
Tadej Pogacar: Die letzten fünf Jahre waren sehr intensiv. Wir haben eine tolle Rivalität, die bei dieser Tour weitergehen wird. Es wird spannend. Aber vielleicht macht uns sonst jemand das Leben schwer. Ich freue mich. Es wird tolle Momente geben für die Menschen vor dem TV und auch jene am Strassenrand.
Sie sind der grosse Favorit. Sehen Sie irgendeinen Aspekt, in dem Vingegaard besser ist als Sie?
Für mich ist Jonas in den letzten Jahren der beste Bergfahrer der Welt – vor allem in den langen Anstiegen. Auch in den Zeitfahren hat er mich schon geschlagen – ich aber auch ihn (schmunzelt).
Zu Beginn der Tour gibt es keine grossen Berge, aber viele knackige Anstiege. Dazu einige Flachetappen. Wie gehen Sie in das Rennen?
Es wird sehr intensiv. Du kannst die Tour bis zum ersten Ruhetag nicht gewinnen, aber verlieren. Aber ich sehe das auch als Chance, es gibt einige knifflige Schlussphasen von Etappen, die mir gut liegen. Dazu kommt natürlich das Zeitfahren in der fünften Etappe. Es geht darum, in der ersten Woche einfach nichts zu vermasseln und heil durchzukommen. Man muss einfach überleben.
Fühlen Sie sich manchmal unsicher auf dem Velo?
Sogar sehr oft, vor allem im Training. Was wir tun, ist kein besonders sicherer Sport. Im Training bin ich im normalen Verkehr unterwegs – es hat immer mehr Autos und die Leute werden immer nervöser. Da riskiere ich jeden Tag mein Leben. Im Rennen ist es anders, da sind die Strassen abgesperrt und wir kennen uns im Peloton ziemlich gut.
Auch da kann es gefährlich werden, oder?
In den grossen Bergen oder Städten gibt es sehr viele Fans. Einige haben in der Vergangenheit schon Probleme gemacht. Aber es ist grossartig, an solchen Menschenmengen vorbeizufahren. Wenn man hört, wie sie deinen Namen rufen, ist das toll. Die Fans machen die Tour so grossartig.
In der dritten Netflix-Staffel gibt es eine Episode aus der letzten Tour, bei der Sie Vingegaard «fuck you!» zurufen. Wie stehen Sie dazu?
Es ist natürlich nicht nett, jemanden anschnauzen. Aber in der Hitze des Gefechts sagt man manchmal Dinge, die man später bereut. Das ist in vielen Sportarten so. Viele im Peloton sagen wüste Dinge, wenn sie gestresst oder frustriert sind. Das passiert einfach, es ist normal. Aber ich habe grössten Respekt für Jonas und sein Team. Wenn eine Etappe vorbei ist, gratuliert man sich gegenseitig – egal, was vorher passiert ist. Das ist das Schöne am Sport.
Was haben Sie in den zwei Wochen nach ihrem Sieg beim Dauphiné getan?
Ich war in einem Trainingslager mit dem Team, in der Höhe. Wir hatten einige harte Trainings. Dann war ich viereinhalb Tage daheim. Es war die Zeit, zu geniessen, bevor dieser ganze Schlamassel diesen Monat losgeht (schmunzelt).
Es ist die erste Tour de France, bei der gelbe Karten verteilt werden. Wie denken Sie darüber?
Ich spüre, dass viele Fahrer die Regeln nicht verstehen – sie wissen nicht, was bestraft wird und was nicht. In diesem Jahr gab es viele Karten, oft auch für Bagatellen. Die Regel ist nicht konsistent, da braucht es Verbesserungen. Aber die Idee an sich ist nicht schlecht.
Sie werden in den nächsten Wochen sehr häufig Rede und Antwort stehen müssen. Wie gehen Sie damit um?
Früher hatte ich mehr Mühe damit. Leute haben ihre Meinungen – egal, was ich sage oder tue. Ich kann nicht allen gefallen. Ich habe aufgehört, viel über mich zu lesen. Und auch auf Social Media mache ich weniger. Seitdem ist mein Leben besser geworden.