Die Schulferien 2008 wird Stefan Küng (23) nie mehr vergessen. Sie bleiben ein Erlebnis. Sie machen aus ihm einen Rennfahrer. Mit seinem Trainer Guido Amrhein (63), einst Radprofi im Team Cilo-Aufina, radelt er aus dem Thurgau zur Tour.
In 10 Tagen fahren sie 1500 Kilometer, kraxeln 28 000 Höhenmeter – und das auf einem 28 kg schweren Rennvelo! Stefan schläft im Zelt, muss dieses Gepäck also auch schleppen. Die Vorgabe von Amrhein (schläft im Schlafsack): «Bergauf fährst du dein Tempo, aber bergab bleibst du hinter mir.»
«Mami, hol mich ab»
Bald einmal ist Stefan Küng am Sustenpass, dem ersten grossen Hindernis dieser Tour, allein. «Dr huerä Pass war ewig lang. Etwa dreimal bin ich abgestiegen und habe ein Biberli gegessen.»
Oben angekommen, hat er genug. Er telefoniert heim. Er weint. «Mami, hol mich ab. Ich habe von der Tour de France die Nase voll. Ich schaffe die französischen Alpen sicher nicht.»
Küng fährt immer besser
Er sollte sich täuschen. Brigitte beruhigt ihren Sohn, der Trainer spricht ihm Mut zu – es geht gleich wieder bergab. Vor den Toren von Chamonix, am Forclaz-Pass, sieht die Welt schon rosiger aus. Stefan Küng fährt immer besser. Strahlt dann später auf dem Col de la Bonette, auf 2715 m. Macht grosse Augen auf der Alpe d’Huez, dieser holländischen Festwiese. «Doch für mich gab es kein Heineken. Bier schmeckte mir damals nicht – ich war ja erst 14.»
Das Beste erlebt er in Prato Nervoso, im Piemont. «Da liessen wir all das Gepäck im Hotel. Ich hatte das Gefühl, ich fliege, ich meinte ich sei Pantani.» Er kommt wie die Hobby-Gümmeler ins Rennfieber. Es regnet, er rutscht auf einem Fussgängerstreifen aus. Die Schürfwunden hat er bald vergessen.
«Jetzt fahre ich die einfachere Tour»
Damals war für ihn eine Pizza mit Frites das Grösste – bis zu dieser Nonna in der Po-Ebene. «Wir mussten in einem Maisfeld schlafen. Ich höre heute noch das Bellen der wilden Hunde. Tags darauf aber sassen wir in einer Osteria. Ich ass wie ein König, alles kostete so um die 12 Euro!»
In Düsseldorf startet Stefan Küng heute zu seiner ersten richtigen Tour de France. «Ich frage mich oft, wie ich das damals geschafft habe. Als Profi habe ich jetzt Masseure, Osteopathen, gutes Essen und ein Hotel. Ich bin überzeugt: Jetzt fahre ich die einfachere Tour.»
Hoffentlich wird ihm diese «einfache Tour» auch ewig in Erinnerung bleiben.