Fabian Cancellara (31) reist für einmal nicht mit dem Flugzeug. Von Bern fährt er die 320 km mit dem eigenen Wagen nach Kempten. Dann steigt er um, sitzt die restlichen drei Stunden neben dem Mechaniker in einem der Teamwagen. Nach seiner Ankunft in Traunstein/Chiemgau sagt er: «Das erinnert mich an meine Zeit als ganz junger Profi.»
Seit Cancellaras Jungprofizeit ist viel passiert. Er hat viel gewonnen. Hat sich an vieles gewöhnt. Doch sein jüngster Sturz an der Flandern-Rundfahrt am 1. April hat ihn erstmals in elf Profijahren völlig aus dem Tritt gebracht. «Vier harte Monate habe ich für die Klassiker Flandern-Rundfahrt und Paris–Roubaix investiert. Dann wirft eine am Boden liegende Getränkeflasche alles über den Haufen – das war ein Stopp von hundert auf null.»
In den letzten Wochen ging dem schnellen Berner alles viel zu langsam. «Es waren nicht die Schmerzen des vierfach gebrochenen Schlüsselbeins», erzählt er. «Der Knochen ist verheilt, die Muskeln und Bänder sind auf bestem Weg. Aber die Heilung lief nicht so schnell, wie ich es geplant und gehofft habe.»
Auch der Formaufbau im Anschluss war mühsam. Erst nach drei Wochen trainierte er wieder auf der Strasse. «Mit teils ganz komischen Gefühlen. Ich frage mich öfters, ob die Zeit reicht, bis London wieder in Top-Form zu sein.» Er gibt auch zu, dass ihm bei der einen oder anderen Trainingsfahrt die Motivation fehlte.
Nach 52 Tagen kehrt er heute ins Renngeschehen zurück. Es ist mehr als ein Comeback, es ist ein Neubeginn. Er nennt die Gründe: «Ich war noch nie so ernsthaft verletzt. Musste noch nie so lange pausieren. Und so verunsichert wie jetzt war ich auch nie – ich weiss nicht, wo ich stehe.»
Die Trainingswerte seien in Ordnung, erklären ihm die Trainingswissenschaftler. Aber so richtig Bescheid weiss er erst im Rennen. Die Bayern-Rundfahrt (bis Pfingstsonntag) führt in fünf Etappen über 801,9 km. Sie startet gleich mit der Königsetappe («entweder bin ich im Feld oder angehängt») und hat am Samstag mit dem Einzelzeitfahren über 26,4 km («hat für mich keine grosse Bedeutung») einen zweiten Höhepunkt.