Es tut schon beim Zuhören weh. Fünf Tage nach seinem brutalen Crash an den Schweizer Meisterschaften in Martigny spricht Stefan Küng erstmals über seinen «Hochgeschwindigkeits-Sturz», wie er es nennt.
Er spricht von annähernd 100 Stundenkilometer im Moment des Crashs. Von mehrfachem Überschlagen, bis er schwer verletzt zum Liegen kommt. Von schlimmen Gedanken bis zum Eintreffen der Ambulanz.
Auch wenn sich die schlimmsten Befürchtungen zum Glück nicht bewahrheiten, ist die Diagnose niederschmetternd: Becken-Fraktur, Schlüsselbeinbruch, gebrochener Mittelhandknochen, Schürfungen und Prellungen am ganzen Körper. Und doch ist für Küng klar: «Ich bin mit einem blauen Auge davon gekommen.»
Im Krankenbett im St. Galler Kantonsspital klingt der Wiler Radprofi schon wieder aufgestellt und kämpferisch. Klar, für einen Leistungssportler sind negative Gedanken Gift. Aber Küng ist intelligent genug zu wissen, dass er das Schicksal nicht zu fest herausfordern darf. Der zweite schlimme Sturz seiner noch jungen Karriere hat den Bahn-Weltmeister auch nachdenklich gemacht, wie er im Interview einräumt.
Wie konnte es zu diesem fatalen Sturz auf der Zeitfahrstrecke in Martigny kommen?
Ich bin in einer Abfahrt mit hohem Tempo in eine Linkskurve gefahren. Der Strassenbelag war schlecht, dreckig, viele kleine Steine. Ich habe einen Schlag bekommen, dann hat es mich ausgehoben. Aber unter dem Strich kann ich nur mir einen Vorwurf machen. Ich war an dieser Stelle zu schnell. Der Sturz war eigenverschuldet.
Was haben Sie im ersten Moment gedacht?
Ich habe schnell gemerkt, dass einiges kaputt ist, weil ich nicht aufstehen konnte. Am meisten hat mich beschäftigt, wann ich wieder aufs Velo kann. Je nach Schwere der Verletzung hätte ja auch meine Karriere vorbei sein können.
Letztes Jahr erlitten Sie bei Ihrem Sturz am Giro eine Wirbelfranktur, nun der zweite schlimme Sturz. Werden Sie in Zukunft anders fahren?
Ich muss mich sicherlich hinterfragen. So kann er nicht weitergehen. Momentan will ich vielleicht zuviel. Ich brauche Coolness und Selbstvertrauen, damit ich kein unnötiges Risiko eingehe.
Machen Sie sich Sorgen, dass diese Stürze im Hinterkopf bleiben und Sie künftig verunsichern?
Ich werde mir Zeit nehmen, das aufzuarbeiten. Und ich werde Leute beiziehen, um das zu schaffen. Es darf nichts davon übrig bleiben.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich werde morgen oder übermorgen nach Hause können. Für die Hand werde ich vier Wochen eine Schiene brauchen. Weil ich Erschütterungen vermeiden muss, darf ich acht Wochen nicht mit dem Velo auf die Strasse. Aber auf der Rolle werde ich sicher schon früher wieder fahren können.
Olympia ist damit für Sie geplatzt.
Ja. Das ist natürlich eine grosse Enttäuschung. Ich habe viel Herzblut, Trainingsstunden und auch Geld in die Olympia-Vorbereitung investiert. Und natürlich tut es mir sehr leid für meine Kollegen vom Bahn-Vierer. Ich habe mich bei ihnen entschuldigt. Aber Sie haben mir gesagt, dass Sie voll hinter mir stehen.
Werden Sie diese Saison noch ins Renngeschehen zurückkehren?
Mein grosses Ziel ist jetzt die Strassenrad-WM im Oktober in Katar. Dort will ich unbedingt am Start sein. Und ich rechne fest damit, dass es klappt.