Höllische Rache
Johan Museeuw (Be) wagt alles. Und gewinnt 2000 zum zweiten Mal dieses härteste Rennen, das ihn fast zum Krüppel gemacht hat. Er war 1998 auf dem mittelalterlichen Kopfsteinpflaster in Arenberg gestürzt. Komplikationen mit der offenen, gebrochenen Kniescheibe führten zu einem akuten Nierenversagen. Die Ärzte wollten ihm das linke Bein amputieren. Doch sechs Monate Spital und Therapie - dann sass der «Löwe aus Flandern» wieder auf dem Rennvelo.
Höllischer Lohn
Auf den Sieger wartet heute eine Prämie von 36000 Franken, ein Pflasterstein als Trophäe und die sportliche Unsterblichkeit. 1000 Francs Siegprämie, das 7-fache eines durchschnittlichen Monatslohns, war 1896 der Lohn für den Josef Fischer (De), den ersten Gewinner. Die Kopfsteinpflaster, die er bezwingen musste, wären heute ohne das Rennen asphaltiert. Viele dieser «Pavés», Feldwege mit Steinen aus der Ära Napoleons, stehen inzwischen unter Denkmalschutz.
Höllische Steine
Insgesamt 54,5 Kilometer (aufgeteilt in 26 Sektorden) warten auf 175 Fahrer (25 Tams à 7 Fahrer). Einen Teil (rund 19 440 Steine) dieses gröbste Kopfsteinpflaster haben in den letzten Monaten 630 freiwillige Helfer renoviert. Rund 6,1 Millionen Steine pflastern die teils geschützten Karrenwege im Norden Frankreichs.
Höllisches Wetter
Seit 16 Jahren hat es während des Rennens nicht mehr geregnet. «Klar hätten wir gerne Regen», sagt Renndirektor Thierry Gouvenou. «Dann wird es mystisch, mit rutschenden und stürzenden Fahrern. Das Rennen aber sei leichter zu leiten, wenn die Pavés trocken seien. Es wird heute ein paar rutschige Stellen haben – Regen ist nicht angesagt.
Höllisches Fahren
Für gewöhnlich ist der Hauptgegner des Rennfahrers der Wind, der Luftwiderstand. Der Profi schützt sich im Windschatten in der Gruppe oder im grossen Feld. Hat er die Nase nicht im Wind, muss er vielleicht 30 Prozent weniger leisten. Aber bei Paris-Roubaix gibt es so etwas nicht. «Auf den Pavés rollt man nicht, man muss alles mit den Beinen machen. Das macht Roubaix aus», sagte der legendäre Renndirektor Jacques Goddet.
Höllische Ironie
Sie fahren und gewinnen. Das belgische Team Quick-Step dominiert die Klassiker in diesem Frühjahr. Statt auf einen einzigen Leader zu setzen, lassen sie bis zu vier Chefs los. Das verwirrt die Gegner. Ihr Sponsor sorgt auch heute für die Ironie, wirbt mit Plakaten entlang der Strecke für ihre ebenen Laminat-, Holz- und Vinylböden).
Höllischer Traum
Sein Traum hat sich erfüllt. Fabian Cancellara fährt 2006 allein auf die Rennbahn in Roubaix. Nach sechs Stunden Rumpelfahrt über 257 Kilometer gehören die letzten 800 Meter ihm ganz allein. 83 Jahre nach dem legendären Heiri Suter (1923) hat wieder ein Schweizer in Roubaix gewonnen. Fabian Cancellara hat es im vierten Anlauf geschafft: Eine Aufgabe (2003), Achter (2005) und Vierter (2004) - und jetzt dieser Sieg. Der Berner wird dann auch 2010 und 2014 noch gewinnen.
Höllische Schmerzen
Letztes Jahr stürzt Stefan Küng (24). Überrascht wird er vom Bremsmanöver des Materialwagens von AG2R. «Ich bremse voll ab, das Vorderrad bricht mir weg, ich rutsche sehr nahe an das stehende Auto. Als der Sportliche Leiter wieder Gas gibt, fährt er mir über den Arm.» Mit Schmerzen fährt er noch 70 Kilometer – dann kann er nicht mehr. Er steigt in den Besenwagen.