Geburtstagskind Ferdy zu Cancellara
«Es ist nicht schön 95 zu sein»

BLICK gratuliert Ferdy Kübler gestern zum 95. Geburtstag und verfolgt mit dem Tour-Sieger von 1950, wie Vincenzo Nibali die Tourmalet-Etappe gewinnt.
Publiziert: 25.07.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:22 Uhr
Von Carl Schönenberger (Text) und Kathy Bettels (Fotos)

Da sitzt er im Fauteuil in seinem Wohnzimmer in Birmensdorf, seine Beine hochgelegt, den Kopf­hörer an – «weil ich nicht mehr so gut höre» –, seine Augen gebannt auf den Fernsehschirm gerichtet.

«Ferdy National» gestern Nachmittag an seinem 95. Geburtstag. Klar, was am Fernseher läuft: die 18. Etappe der Tour de France.

Ferdy Kübler erlebt gerade die Abfahrt der Profis vom Tourmalet. «Eine der gefährlichsten Abfahrten überhaupt», sagt er.

«Da bin ich ein paar Mal runtergesaust.» Auch 1950, als er die Tour gewann.

Heute ist Ferdy Kübler der älteste noch lebende Tour-de-France-Sieger – und er schwärmt von seiner Zeit, bewundert aber auch die heutige Generation: «Vincenzo Nibali ist ein grossartiger Fahrer, ein Stilist, wie der auf dem Velo sitzt.

Neben ihm reissen seine Gegner am Berg vor Anstrengung fast den Lenker raus, und Nibali tritt ganz ruhig in die ­Pedale. Ein super Fahrer, ein anständiger, senkrechter Bube.»

Ferdy Küblers Augen glänzen. Nibali wird gestern für ihn der würdigste Etappensieger.

Als Profi leichter geatmet

Am Bildschirm rasen sie immer noch den Tourmalet runter. «Ich bin zu meiner Zeit zwar ein guter Bergfahrer gewesen, klettern konnte ich einfach», erzählt Kübler.

«Aber auch die Abfahrten habe ich genossen – viel riskiert, mit 40 oder 50 Stundenkilometer um die Kurven gedonnert. Damals ­waren Strassen und Material noch viel schlechter als heute.»

Dann läutet das Telefon. Christina, Ferdys Frau, nimmt ab und bringt den Apparat danach ihrem Gatten. «Fabian ist dran.» Kübler strahlt.

«Schön, dass du anrufst», sagt Ferdy, seine Augen funkeln wieder. «Ich rate dir nur eines, Fabian. Werde nie 95 Jahre alt. Das ist nämlich nicht schön.»

Nach dem Telefonat erklärt Kübler den Hintergrund: «Mein Körper ist alt. Ich bin immer so müde. Das Atmen fällt mir seit einiger Zeit so schwer. Ich brauche zur Unterstützung immer wieder Sauerstoff.»

Kübler deutet auf die schwere Sauerstoffflasche, die hinter seinem Sessel am Boden liegt. «Als Rad-Profi ist mir das Atmen selbst an den steilsten Bergen viel leichter gefallen als jetzt, da ich als 95-Jähriger daheim vor dem Fernseher sitze.»

Christina ist sein Goldschatz

Kübler dreht seinen Kopf, hin zu seiner Frau. «Christina ist mein Goldschatz. Was sie für mich alles tut – es ist einfach unvorstellbar.» In Ferdys ­Augen drücken ein paar Tränen. Seine Frau dankt ihm’s mit einem Strahlen.

Am Bildschirm strampeln Nibali und Co. dem Ziel entgegen. Und Cancellara ist immer noch am Draht. «Fabian, du bist ein Grosser», sagt Kübler.

«Du hast alles richtig gemacht, als du nach 11 Tour-Tagen ausgestiegen bist. Nur die Berge hoch fahren, das konnte ich besser. Aber etwas kannst du: in diesem Jahr Weltmeister werden.»

Kübler wünscht Cancellara dazu das nötige Glück. «Tschau Fabian, liebe Grüsse an die Familie.»

Zum Schluss kann es der 95-jährige Grand-Monsieur nicht lassen, mit seiner Gattin und mit BLICK mit einem Glas Champa­gner anzustossen.

«Nicht auf mein Alter, da kann ich nichts dafür. Unsere Körper sind gar nicht für so viele Jahre gemacht.» Der Klang der Gläser ist vor ­allem ein Dank an seine Liebste.

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