Pauli Gut, ihre Tochter hat schon viele Rennen gewonnen, aber eine Goldmedaille an einem Grossanlass fehlt noch. Wie wichtig wäre es für sie, dies zu ändern?
Jede will das schaffen, auch Lara. Dafür ist sie dort. Welmeisterschaften und Olympische Spiele sind immer speziell. Am Tag des Rennens muss alles klappen. Sie könnte auch ohne Goldmedaille leben, denn sie hat gelernt, dass die Gesundheit das Wichtigste ist. Alles andere ist im Vergleich dazu relativ.
Stehen die Olympischen Spiele zu sehr im Fokus der Öffentlichkeit?
Vielleicht. Alle reden nur davon. Olympia, Olympia, Olympia. Sonst gibt es wenig.
Kann Lara Gold gewinnen?
Ja. Wie alle anderen auch (schmunzelt).
Sie sind nicht nur Laras Vater, sondern schon immer auch ihr Trainer. Wann schlüpfen sie in welche Rolle?
Vater bin ich immer! (überlegt lange) Und sehr wahrscheinlich auch Trainer (lacht).
Aber?
Lara entscheidet mittlerweile meistens selbst, nicht mehr ich.
Sie fragt Sie nur noch nach ihrem Rat?
Genau. Sie hat eine Meinung, kommt zu mir und fragt: «Dad, was meinst du? Ich würde das so machen. Findest du das auch gut?»
War es früher umgekehrt, kam da alles von Ihnen?
Ja. Aber das ist auch normal. Ich habe viel gepusht, dass sie eigenständiger wird. Das hat sie geschafft. In mehreren Bereichen ist sie sehr selbstständig geworden.
Bei ihrer Comeback-PK im Herbst meinte Lara: «Früher war ich ein Kind, jetzt eine Frau.»
Früher drehte sich alles nur um Ski und Sport. Dann riss sie sich im letzten Februar das Kreuzband. Lara kam in den Monaten danach auf andere Gedanken. Sie hat sich grundlegende Fragen gestellt: «Was mach ich? Was bin ich? Was wollen die anderen von mir?» Heute konzentriert sie sich noch mehr auf sich selbst.
Im Sommer ist Lara ausgezogen. Ein Zeichen ihrer neuen Selbstständigkeit?
Sicher. Das ist normal und richtig. Es ist absolut ideal für sie und für uns. Ich trainiere sie seit mehr als 15 Jahren. Lara brauchte ihre Freiheiten, ihren Platz. So ist es am besten.
Ist es hart für Sie, dass Lara nicht mehr bei Ihnen wohnt?
Nein, absolut nicht. Wir stehen oft in Kontakt, hören uns viel.
Aber es ist anders als früher.
Ja. Aber man geniesst alles fast mehr, wenn man sich dann wieder sieht.
Lara sagte: «Ich hatte meinen Dad verloren. Nun habe ich ihn wieder gewonnen.»
Ich war immer dabei in ihrem Leben. Nicht nur beim Skifahren, sondern auch im Training. Nun ist das etwas anders geworden.
Mussten Sie lernen, loszulassen?
Klar. Aber in den letzten Jahren habe ich mich ganz bewusst immer mehr zurückgezogen. Lara ist eine Frau. Sie hat zehn Jahre Weltcup-Erfahrung, vieles gewonnen und weiss genau, was sie will und was für sie gut ist.
Sie könnten sich auch ganz zurückziehen...
Theoretisch schon. Aber es ist wichtig, dass sie eine Person dabei hat, der sie voll vertraut. Eine Person, die sie alles fragen kann.
Täuscht der Eindruck, dass Lara nach Siegen oder Niederlagen ausgeglichener geworden ist?
Nein, das kann schon stimmen...
Aber?
Wenn man Erfolg hat ist es auch wichtig, diesen voll zu geniessen. Das haben wir früher vielleicht zu wenig getan.
Weshalb?
Es geht immer alles Schlag auf Schlag. Kaum gewinnt man ein Rennen, steht schon das nächste Training, der nächste Wettkampf, an. Den Athletinnen wird enorm viel abverlangt – nicht nur Lara.
Als Lara acht Jahre alt war, haben Sie auf dem Griesgletscher eine Holzhütte gebaut und sind mit ihr zehn Tage lang Ski gefahren. Wie kamen Sie damals auf diese Idee?
Als junger Bub hatten wir mit dem Skiclub auch einmal etwas in dieser Art gemacht. Aber wir waren nie auf dem Griesgletscher. Das war also immer ein Traum von mir. Mitten im Sommer täglich die Ski anzuschnallen, war ein grosses Erlebnis. Für mich, vor allem aber auch für Lara. Sie konnte kochen und frühmorgens bei Sonnenaufgang Skifahren. Es war sehr speziell.
Und aufwändig.
Meine Frau und ich haben sehr viel in Laras Leidenschaft, dem Skisport, investiert. Nicht nur Geld. Sondern vor allem Energie, unsere ganzen Kräfte.
Was hat Lara von diesem Erlebnis auf 3200 Metern über Meer mitgenommen?
Die Freude, welche sie noch heute beim Skifahren hat, stammt zu einem grossen Teil von diesen Tagen auf dem Gletscher. Das ist meine Überzeugung.
Als Lara ein Kind war, haben Sie ihr Merksprüche ins Zimmer gehängt. Auf einem stand: «Bleibe stets du selbst!» Hat sie das geschafft?
Wenn man über so viele Jahre wie Lara im Rampenlicht steht, ist das nicht einfach. Es gab sicher Schwankungen. Manche waren auch nicht so zufrieden mit ihr. Aber es war und ist wichtig, authentisch zu sein. Wenn dich irgendetwas stört, sollst du sagen dürfen: «So nicht – ich habe genug!»
Könnten Sie sich überhaupt vorstellen, eines Tages nicht mehr Laras Coach zu sein?
Ja. Ich bin jetzt 60, werde also bald pensioniert. Danach kann ich andere Dinge machen (lacht)!
Und im Ernst?
Bei der Beziehung zwischen Trainer und Athletin gibt es immer Auf und Abs. Wichtig ist es, immer neue Inputs zu finden – das ist nicht immer einfach. Ich frage mich beispielsweise oft, wie Arno del Curto nach mehr als 20 Jahren bei Davos noch immer so viel Feuer zu versprühen. Das ist sensationell!
Sind Sie der Arno del Curto des Skifahrens?
Nein, nur jener von Lara (lacht)! Ich habe diese Passion für den Skisport. Sie wird immer bleiben – auch wenn es zwischendurch Schwankungen gibt. Wenn alles gut läuft, ist alles einfach. Wenn nicht, muss man sich zwischendurch zusammenreissen.
Würden Sie auch eine andere Athletin trainieren?
Nein, niemals. Wenn Lara nicht mehr mag, ist es auch für mich vorbei.
Sie ist jetzt 26 Jahre alt und hat auch anderes als nur Skifahren im Kopf. Müssen wir befürchten, dass dies ihre letzten Olympischen Spiele sind?
Puhh, das ist ein bisschen früh, um darüber nachzudenken. Das hängt auch von der Gesundheit ab.
Und sonst noch?
Vielleicht findet Lara morgen etwas anderes, das sie machen möchte. Oder sie will eine Familie gründen. Wer weiss das schon?
Folgendes Szenario: Lara Gut gewinnt Gold in Pyeongchang. Was sagen Sie ihr als Erstes im Ziel?
Ich würde kaum etwas sagen, sondern nur noch weinen!
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Persönlich:
Pauli Gut (60) ist ausgebildeter Lehrer. Aufgrund von Laras (26) frühen Erfolgen gab er seinen Beruf aber im Jahr 2009 auf, um sich als Ski-Trainer voll und ganz seiner Tochter widmen zu können. Laras vier Jahre jüngerer Bruder Ian gehört dem C-Kader von Swiss Ski an. Auch Pauli Gut war einst selbst ein Skirennfahrer. Ende der Neunzigerjahre gründete er mit seiner Frau Gabriella den Skiclub «Sporting Gottardo». Seit dem Jahre 2014 ist Pauli Gut in den Verbandsstrukturen von Swiss Ski integriert.
Seit dem 09. Februar laufen die 23. Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Alle Highlights und aktuellen Sportnews aus Südkorea gibts immer im Ticker.
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