Der Schweizer Traum von Olympischen Spielen 2030 ist geplatzt. Aber nur der Plan vom Winter-Grossevent in knapp sechs Jahren – neu lebt die Schweiz den Traum von Olympia 2038. Doch der Reihe nach.
Das IOC senkt am Mittwoch zunächst den Daumen für die Schweiz und auch für die Bewerbung aus Schweden. Die beiden Länder werden vom Komitee für 2030 aussortiert. Die Hürde, bis zur Vergabe im nächsten Sommer mit dem IOC in den sogenannten gezielten Dialog gehen zu dürfen, überspringt nur Frankreich. Damit scheint vor der Doppelvergabe 2030 und 2034 alles klar: Die Franzosen und die Amerikaner mit Salt Lake City bekommen ihre gewünschten Slots.
In der Schweiz wurde der Olympia-Traum nicht zuletzt lanciert, weil man 2030 als einmalige Chance gesehen hat, erstmals unter der neuen IOC-Philosophie mit Nachhaltigkeit und ohne Gigantismus Spiele durchzuführen. «Natürlich war ich im ersten Moment enttäuscht, aber ich sehe den heutigen Tag als Chance», sagt Swiss-Ski-Boss Urs Lehmann zu Blick. Er ist einer der treibenden Kräfte hinter dem Projekt und sagt nun aber auch: «Es ist ein guter Tag für den Schweizer Sport.»
Weil sich eben nach der ersten, niederschmetternden Nachricht ein unverhofft neuer Horizont auftut. Das IOC taxiert die Schweiz als bevorzugte Kandidatin für 2038. «Wir hatten zwar 2030 oder 2034 im Fokus. Gerade im Sport heisst es aber, flexibel zu sein», sagt Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl.
Plötzlich steht der Schweiz so womöglich ein einmaliges Sport-Jahrzehnt bevor: 2028 ist St. Moritz Kandidat für die FIS-Games, wo alle Schneesportarten zusammenkommen. Dann stehen nun für 2030 ernsthaft die European Championships zur Debatte. Unter diesem Dach finden diverse EMs von Sommersportarten als eine Art Mini-Olympia statt. Und dann zum krönenden Abschluss 2038 Winter-Olympia.
Jetzt gibts bis Ende 2027 Zeit für die Bewerbung
Für Letzteres hat die Schweiz einen Sonderstatus erhalten. Der Österreicher Karl Stoss vom IOC sagt am Medientermin in Paris: «Das IOC geht mit der Schweiz in den privilegierten Dialog für 2038. Unser Gefühl war, dass diese Lösung für beide Seiten eine gute Sache ist.»
Bis Ende 2027 haben Swiss Olympic und Co. nun Zeit, alles sauber aufzugleisen – falls das gelingt, gesteht das IOC der Schweiz das Vorrecht auf 2038 zu. Lehmann: «Wir stehen auf der Türschwelle für die Spiele 2038. Jetzt gilt es, das positive Momentum, das wir in den letzten sechs, sieben Monaten aufgebaut haben, mitzunehmen in die nächsten Jahre.»
Doch um tatsächlich durch die Türe zu gehen, erwartet das IOC eine ganze Reihe von Nachbesserungen. IOC-Mann Stoss sagt klipp und klar: «Die Schweiz muss ihre Hausaufgaben machen.» Lehmann hält dagegen und sagt: «Ich bin sehr optimistisch, dass wir in den vier Bereichen, wo das IOC noch zusätzliche Vertiefung fordert, liefern können.»
IOC stellt dezentrale Ausrichtung der Spiele in Frage
Das IOC erwartet Nachbesserungen beim Businessplan, dazu mehr Unterstützung aus der Bevölkerung und von der Regierung. Das könne auch gerne per Referendum passieren, «dann wissen wir, woran wir sind», so Stoss. Ziemlich fundamental ist die IOC-Kritik bei einem Kernpunkt unseres Projekts, der dezentralen Ausrichtung mit übers ganze Land verteilten Sportstätten. Das IOC fordert das Näherrücken zu den grossen Städten, dazu doch ein olympisches Dorf, «nicht nur übers Land verteilte Hotels.»
Im Bundeshaus ist man schon Mal Feuer und Flamme für 2038. Sportministerin Viola Amherd hatte erst noch am Freitag das Schweizer Sportparlament auf 2030 eingeschworen, nun sagt sie: «Ich freue mich, dass das IOC entschieden hat, in den privilegierten Dialog für 2038 zu gehen. Das ist zwar später als angenommen, aber ich bin nicht unglücklich, dass wir mehr Zeit bekommen.»
Amherd redet am Rande eines Empfangs der Frauen-Fussballnati über das Olympia-Projekt – und hofft, dass es nach der Frauen-EM 2025 nun dann auch 2038 mit Winterspielen bei uns klappt: «Die Schweiz ist vom IOC schon mal gesetzt für diese Kandidatur. Das gibt uns und auch dem IOC in der Planung etwas Sicherheit.»
Ein Traum ist geplatzt. Der nächste umso grösser.