Der fünffache Vize-Weltmeister Jeremy Seewer (28) ist der grosse Hoffnungsträger der Schweizer Motocross-Fans in Frauenfeld, wo die Königsklasse MXGP zum ersten Mal seit 2018 wieder zu einem WM-Rennen startet.
Doch nur wenige Sekunden nach dem Start des 1. Laufs stöhnen die 12'000 Zuschauer – der Zürcher liegt plötzlich im Dreck. Gegner Calvin Vlaanderen touchiert ihn bei einem Sprung in der Luft, Seewer stürzt unverschuldet.
Brutal: Weil das ganze Feld direkt hinter ihm daherkommt, touchieren und überfahren ihn mehrere Piloten. Seewers Traum vom Heimsieg endet früh im Dreck. Er fährt zwar beide Läufe zu Ende, es reicht aber nur zu GP-Rang 11. Besonders bitter: Den GP gewinnt ausgerechnet sein Teamkollege Maxime Renaud (Fr, 22).
Blick begleitete den MXGP-Helden beim Heim-GP in Frauenfeld. Das Protokoll von Seewers denkwürdigem Ostermontag.
55 Uhr
Seewer kommt im Fahrerlager an, zieht sich aber in sein Wohnmobil zurück. Beim Zelt seines Yamaha-Rennstalls steht Vater René Seewer und sagt: «Viel Rummel hier!»
33 Uhr
Seewer taucht beim Teamzelt seines Yamaha-Rennstalls auf und braust zum Aufwärmtraining davon. Es sieht gut aus. Er fährt die drittschnellste Zeit.
07 Uhr
Seewer bringt seinen Töff zum Teamzelt zurück. Den Helm behält er auf, flitzt mit einem Elektroscooter zum Waschplatz und spritzt seine Stiefel sauber. Danach schreibt er hastig ein Autogramm für einen Fan.
19 Uhr
Seewer ist an seinem Rückzugsort, gut versteckt auf dem Zuckerfabrikareal. Sein eigenes Wohnmobil und das seiner Eltern Anita und René stehen sich gegenüber.
28 Uhr
Seewer fragt Blick: «Wie viel Zeit habe ich noch?» Er ist plötzlich in Eile, muss für einen Sponsor zu einem Auftritt vor den Fans.
05 Uhr
Mittagessen im Camper. Eine Kollegin hat gekocht: Süsskartoffel-Stocki mit Poulet.
49 Uhr
Es gilt ernst: 1. Lauf der MXGP-Klasse. Sein Weg zum Startgelände führt Seewer und alle anderen Piloten mitten durch ein Wohnquartier und die Fans, die auch auf dem Weg zur Strecke sind.
01 Uhr
Seewer geht in die Konzentrationsphase. Er schliesst die Augen und fährt die Strecke nochmals in Gedanken ab.
10 Uhr
Der Start. Nur Sekunden danach liegt Seewer unverschuldet im Dreck, in der Luft hat ihn der Südafrikaner Calvin Vlaanderen abgeschossen. «Es war klar sein Fehler. Er hat sich danach entschuldigt», sagt Seewer später. «Ich habe ein paar Schrammen davongetragen.»
25 Uhr
Der Bülacher stürzt mit seinem beschädigten Töff nochmals. Er kommt nur auf Rang 20 ins Ziel und sagt: «Viele andere Fahrer hätten an der Box aufgegeben.»
11 Uhr
Seewer lässt sich beim Physiotherapeuten behandeln. «Ein solcher Sturz ist für den Körper ein Schock. Ich bin völlig verspannt im Nacken», erklärt er. «Ein normaler Mensch müsste drei Wochen pausieren, doch ich muss eine Stunde später wieder ein Rennen fahren. Das ist krass.»
34 Uhr
Hektik bei Yamaha. Seewers Mechaniker flicken noch immer den Töff. Als er für den 2. Lauf erscheint und die Zeit drängt, muss der Vize-Weltmeister noch selber mitschrauben.
10 Uhr
Start zum 2. Lauf. Seewer jagt die Top-4, bleibt aber Fünfter. «Nach dem Sturz haben mir ein paar Prozente gefehlt, meine Energiereserven waren weg», sagt Seewer.
02 Uhr
Sein Mechaniker steuert das Rennmotorrad zurück. Seewer kommt auf einem kleinen Töff ins Fahrerlager, auf dem Sozius die Tochter von Kollegen. Sein Fazit: «Ein sehr frustrierender Heim-GP. Heute ist es einfach blöd gelaufen. Aber das nächste Rennen kommt schon nächste Woche.»