Röthlin: Was genau verursachte Thrombose?

Marathon-Man Viktor Röthlin hat eine zweite Lungenembolie erlitten. BLICK weiss, was er durchmacht. Und zeigt, warum er Glück im Unglück haben könnte.
Publiziert: 26.03.2009 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 21:08 Uhr
Von Ernst Kindhauser

Mein Körper gefriert innert Sekundenbruchteilen. Hühnerhaut, Atemnot, Furcht. Ich lasse mich am Waldrand nieder, regungslos. Ich atme flach, flacher geht es nicht. Mein Lauftraining ist abrupt beendet.

Irgendwo in einer Schweizer Stadt vor 25 Jahren. Letzte Sonnenstrahlen erwärmen den Vorabend. Ich bin 24 Jahre alt, Läufer und Fussballer, vermeintlich kerngesund. Jetzt schleiche ich nach Hause, entkleide mich stöhnend, dusche stöhnend – und schwitze nächtens, ja, um mein Leben. Tags darauf bloss ein Gedanke: Rühr dich nicht! Drei Tage vegetiere ich dahin, bevor ich das Spital aufsuche.

Dort verwandle ich mich in ein Studienobjekt. Alle dürfen ran, um das medizinische Rätsel zu lösen. Der Befund nach mehrtägigen, langwierigen Tests: Brustfellentzündung. Mit der Empfehlung «Ruhe, Ruhe, Ruhe» werde ich entlassen.

Zu Hause klingen die Atembeschwerden zwar allmählich ab, schlafen aber fällt mir weiterhin schwer. Derweil verspüre ich in der rechten Wade eine Spannung, an die ich jedoch keinen Gedanken verschwende.

Ohne Sport bin ich drei Wochen später wie ein Junkie auf Entzug. Leichtes Lauftraining muss her, wider alle Vernunft. Nach zwei Kilometern bricht die Sekunde an, die mein Leben verändert.

Mitten im Lauf löst sich etwas Unheimliches in der rechten Wade, kriecht langsam den Körper hinauf und schlägt ein, direkt in die Brust. Ich denke, ich sterbe.

Irgendwie schleppe ich mich heim, bis heute weiss ich nicht wie. Höllische Brustschmerzen, als würden Tausende Nadeln meine Lunge durchbohren. Die Nacht – Todesangst. Der Morgen – Entsetzen. Mein rechtes Bein ist zehn Zentimeter dicker als sonst. Und hart wie Beton.

«Thrombose in der rechten Wade und Lungenembolie», diagnostizieren die Ärzte im Spital. «Sie haben unglaubliches Glück, dass Sie überhaupt noch leben.» Dass sie drei Wochen zuvor falsch diagnostiziert haben, darüber verlieren sie kein Wort.

Wochenlang liege ich im Spital, das Bein hochgelagert, das Blut verdünnt. Trotzdem erleide ich eine weitere Embolie. Man behandelt mich wie ein Versuchskaninchen, weil ich nicht zur klassischen Thrombose-Risikogruppe gehöre: Raucher, Übergewichtige, Über45-Jährige, frisch Operierte, Sport-Verachter. Und schwanger bin ich auch nicht. Schliesslich des Rätsels Lösung: Ich leide an einer vererbten Neigung zur Blutverdickung – wie höchstens ein Prozent der Schweizer Bevölkerung. Pech gehabt.

Seither trage ich Kompressionsstrümpfe und schlucke täglich Blut verdünnende Medikamente. Auch als 50-Jähriger treibe ich Leistungssport, meine Freunde sagen, leidenschaftlicher denn je. Ich habe gelernt, mit dem Risiko zu leben. Und ich bin autodidaktisch zum Blutexperten geworden.

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Röthlin
Dienstag, 17. März 2009: Viktor Röthlin gibt bekannt, er leide an einer Thrombose und an einer Lungenembolie. Seine Geschichte liest sich wie die meine. Gleichwohl ist mein erster Gedanke: Röthlin dopt mit Epo, dem Sauerstoff-Turbo mit Blutverdickungsrisiko. Mein zweiter: nicht vorverurteilen!

Am Mittwoch die Nachricht, Röthlin habe eine weitere Embolie erlitten. So wie ich zählt er nicht zur klassischen Risikogruppe. Ein Flug vor knapp einem Monat soll die Thrombose ausgelöst haben. Hat er danach weiter trainiert? Warum ist er erst drei Wochen nach dem ominösen Flug in die Schweiz gereist? Was genau verursachte die Thrombose?

Dem Menschen und Sportler Röthlin wünsche ich, dass die ärztlichen Untersuchungen rasch für Klarheit sorgen. Es könnte eine einmalige Chance sein, gleichsam Glück im Unglück. Wenn er nachweisen kann, absolut sauber zu sein. Wenn er etwa, so wie ich, von Geburt an dickes Blut hätte. Bei solchen Menschen wirken die gebräuchlichen Doping-Wundermittel nämlich final – als Todesdrogen.
Dienstag, 17. März 2009: Viktor Röthlin gibt bekannt, er leide an einer Thrombose und an einer Lungenembolie. Seine Geschichte liest sich wie die meine. Gleichwohl ist mein erster Gedanke: Röthlin dopt mit Epo, dem Sauerstoff-Turbo mit Blutverdickungsrisiko. Mein zweiter: nicht vorverurteilen!

Am Mittwoch die Nachricht, Röthlin habe eine weitere Embolie erlitten. So wie ich zählt er nicht zur klassischen Risikogruppe. Ein Flug vor knapp einem Monat soll die Thrombose ausgelöst haben. Hat er danach weiter trainiert? Warum ist er erst drei Wochen nach dem ominösen Flug in die Schweiz gereist? Was genau verursachte die Thrombose?

Dem Menschen und Sportler Röthlin wünsche ich, dass die ärztlichen Untersuchungen rasch für Klarheit sorgen. Es könnte eine einmalige Chance sein, gleichsam Glück im Unglück. Wenn er nachweisen kann, absolut sauber zu sein. Wenn er etwa, so wie ich, von Geburt an dickes Blut hätte. Bei solchen Menschen wirken die gebräuchlichen Doping-Wundermittel nämlich final – als Todesdrogen.
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