Mujinga Kambundji verrät
«Mein Freund ist auch Sportler»

Eine Woche nach ihren Exploits bei den Schweizer Meisterschaften und eine Woche vor WM-Beginn spricht Mujinga Kambundji (25) über London, schnelle Sprints und WG-Einsamkeit.
Publiziert: 30.07.2017 um 23:52 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:35 Uhr
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Mujinga Kambundji cool und aufgestellt – auch für ihre Sprints macht sie sich gerne schön.
Foto: KEY
Interview: Carl Schönenberger

Mujinga, vor einer Woche bei der SM in Zürich sind Sie so schnell gerannt, wie seit zwei Jahren nicht mehr. Wie fühlen Sie sich jetzt, eine Woche vor der WM?
Mujinga Kambundji: Ich habe mich gut erholt. Die ersten beiden Tage nach den fünf Läufen an der SM war ich noch ein wenig müde. Aber jetzt gehts mir gut. Die 11,08 Sekunden über 100 Meter im Regen und die 22,42 im 200er – so schnell wie noch nie – machen mich für die WM wirklich zuversichtlich. Ich bin parat, egal, wie die Bedingungen sind.

Keine Angst, dass die Top-Form für die WM schon zwei Wochen zu früh da war?
Überhaupt nicht. Wie gesagt, für mein Selbstvertrauen ist das bestens. Und jetzt ist es der Job meines Trainers Valerij Bauer, zu schauen, dass ich die Form halten kann und noch schneller werde.

Wie macht er das?
Ich bin ja wieder bei Valerij in Mannheim beim Training. Er schaut vor allem, dass ich mich optimal erhole. Er ist im Moment ganz allein für mich da und schaut darauf, dass ich noch kleine Details verbessern kann.

Wo sind denn Ihre deutschen Trainingskolleginnen?
Für die einen, die in London nicht dabei sind, ist die Saison schon fast zu Ende. Die WM-Starter sind im deutschen Trainingscamp in Kienbaum. Das ist grossartig, Valerij hat Zeit, sich nur um mich zu kümmern.

Aber Sie sind ganz allein in Ihrer Mannheimer WG, weil Ihre Wohnungspartnerin Alexandra Burghardt ja in Kienbaum ist?
Das macht mir nichts aus. Einsam fühle ich mich nicht. Da kann ich machen, was ich will. Ab und zu bin ich ganz gerne allein. Ausserdem trainiert meine Schwester Muswama auch in Mannheim und unsere kleine Schwester Ditaji ist ein paar Tage zu Besuch und trainiert mit uns.

Wie schaffen Sie es immer wieder, auf internationale Meisterschaften hin in Bestform zu sein?
Ich funktioniere halt so. Ich brauche den Stress. Nicht nur im Sport, auch im «Gymer» habe ich am besten gelernt, wenn die Zeit knapp war. Ich liebe diesen Druck eines Gross­ereignisses. Ich empfinde ihn als positiv.

Sie trainieren jetzt im vierten Jahr in Mannheim bei Valerji Bauer – geht Ihre Zusammenarbeit über den Sportplatz hinaus?
Valerij ist nicht der Typ, der Sportler rund um die Uhr kontrolliert. Er lässt uns viele Freiheiten. Ab und zu treffen wir uns bei ihm zu Hause, weil ich zu seiner Frau Ella in die Massage gehe. Und dann kommt es schon einmal vor, dass wir zusammen grillen, kochen und essen.

Er lässt Ihnen Freiheiten?
Ja. Er stellt mich auch in der Wettkampf-Planung nicht einfach vor Tatsachen. Ich erkläre ihm meine Vorstellungen – er mir seine. Dann kann ich entscheiden, wie ich will.

Und wenn Sie die falsche Entscheidung treffen?
Dann sagt mir Valerij danach, er hätte es ja schon immer anders vorgeschlagen. Das kann ich akzeptieren. Mein Coach lässt mich auch Fehler machen. Er ist kein Diktator. Das ist mir wichtig. Wenn ich etwas falsch mache, weiss ich, dass ich selbst schuld bin. Das ist im Nachhinein viel einfacher, als wenn mich jemand zu Fehlern gezwungen hat.

Haben Sie damit auch erklärt, weshalb Sie 2015 mit dem Schweizer Staffel-Coach Laurent Meuwly gebrochen haben?
Ja.

Thema Staffel. Sie sind zurückgekehrt. Wie wurden Sie aufgenommen?
Bestens. Die Schweizer Staffel-Girls sind alle cool. Mit allen habe ich ein sehr herzliches Verhältnis.

Wer steht Ihnen im Staffel-Kader am nächsten?
Das ist Ersatzläuferin Cornelia Halbheer. Mit ihr habe ich gerade eben in Lausanne bei Athletissima das Zimmer geteilt. Sie ist genauso unkompliziert wie ich, liebt es, am Morgen lange zu schlafen oder auch einmal nach dem Mittag. Sie kann im Zimmer schlafen und ich darf am Fernseher trotzdem meine Serien schauen. Wir kennen uns seit unserer gemeinsamen Teilnahme am Olympischen Jugend-Festival 2009 in Tampere. Schon dort sind wir zusammen Staffel gelaufen und haben gewonnen. Mit Cornelia habe ich mich auch schon privat getroffen.

Schwester Muswama ist also zur Zeit bei Ihnen in Mannheim. Wie wichtig ist Ihnen Ihre Familie?
Sehr wichtig. Ich finde es genial, dass sie bei meinen Wettkämpfe dabei sind. Für mich ist das immer zusätzliche Motivation. Selbst wenn ich nicht weiss, wo im Stadion sie sitzen. Meine Mama schrieb mir zum Beispiel während der EM in Zürich jeden Morgen, wer von den Verwandten, Bekannten und Freunden an diesem Tag im Stadion sei.

Freuen Sie sich auf die WM in London?
Ja, mega. London ist eine super Stadt. Die Leute sind cool. Sie haben einen extremen Sport-Spirit. Schon bei Olympia 2012 mit der Staffel habe ich erlebt, wie sie jede gute Leistung feiern, egal, wer sie erbracht hat.

Kennen Sie London auch ausserhalb des Sports?
Ja, 2011/2012 habe ich mit meinen Schwestern Kaluanda und Muswama in London Silvester und Neujahr gefeiert. Im Sommer 2013 haben wir einen dreitägigen Shopping-Trip nach London gemacht. Die Stadt und die Leute sind mega cool. Einige laufen in den schrägsten Klamotten herum und niemanden störts. Alle sind freundlich. Und man kann sehr gut essen: indisch, thailändisch, Sushi, jamaikanisch. Es gibt einfach alles. Das liebe ich, Speisen zu probieren, die ich selbst nicht so gut kochen kann.

Haben Sie dabei noch nie etwas aufgelesen?
Nein, ich hatte deshalb noch nie Magenprobleme. Ich gehe auch immer nur in sehr saubere Lokale.

Apropos «auflesen» – gibts bei Mujinga eigentlich Zeit für einen Freund?
Ja, seit kurzem kann man das sagen.

Ist es schwierig, als Sportlerin Zeit für die Liebe zu finden?
Wenn der Freund selbst Sportler ist, hat er für mein Leben Verständnis. Das macht es einfacher.

Ist er Sportler?
Ja.

Ist er Schweizer oder Deutscher? Sie leben und trainieren ja mehrheitlich in Mannheim.
Er ist Schweizer. Aber mehr will ich dazu noch nicht sagen.

Für viele Sportlerinnen ist das Stadion ja auch eine Art Laufsteg. Gilt das auch für Sie?
Ja, es ist mir schon wichtig, dass ich auch gut aussehe, wenn ich als Sprinterin so in der Öffentlichkeit stehe. Deshalb nehme ich mir, bevor ich ins Stadion gehe, Zeit zum Schminken und die Haare schön zu machen. Das kann schon einmal eine Stunde dauern. Aber im normalen Trainingsalltag ist mir das nicht so wichtig. Da mag ich es vor allem bequem. Da brauche ich nicht viel Zeit, bevor ich aus dem Haus gehe.

Noch einmal zurück zur bevorstehenden WM – zur Zahl 11,0.
Ab und zu denke ich schon an die Zahl 11. Ich weiss, dass ich irgendeinmal 100 Meter unter 11 Sekunden laufen kann. Aber ich bin keine Sprinterin, die sich vor ihren Rennen eine bestimmte Zielzeit oder einen bestimmten Rang vornimmt. Für mich ist das Wichtigste, dass ich bei meinen Rennen vom Start bis ins Ziel ein gutes Gefühl habe – wenn dieses stimmt, ist die Zeit automatisch gut. Ob ich bei der WM in den 100-Meter- oder den 200er-Final komme, liegt ja nicht nur in meiner Hand, sondern ist davon abhängig, wie stark die Gegnerinnen zur Stunde X sind.

Dann wünschen wir Ihnen für London ein super Gefühl. Danke.

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