Ein Interview geben? So richtig wohl ist Ruth Kambundji (57) dabei nicht. «Es geht doch eigentlich um Mujinga», sagt die Mutter der ersten Schweizer Sprinterin, die bei einer WM eine Medaille geholt hat, am Telefon aus Doha. «Ich will mich nicht in den Vordergrund drängen.» Dann erzählt sie aber doch ausführlich: Darüber, wie sie gemeinsam mit Ehemann Safuka und Mujingas Onkel und Tante mit ihrer Tochter mitgefiebert hat, wie Mujinga zur Leichtathletik kam und was auf den Tisch kommt, wenn diese zu Hause vorbeischaut.
BLICK: Ruth Kambundji, wie feiert man, wenn die eigene Tochter bei einer WM sensationell eine Bronzemedaille gewinnt?
Ruth Kambundji: Mit Limonade, Güetzi und Chips.
Sie haben sich also kein Glas Champagner gegönnt?
Wir haben es schon probiert. Aber wir haben auf Mujinga gewartet, sie war erst um halb zwei mit Dopingkontrolle und Pressekonferenz fertig. Bei uns im Hotel gabs keinen Alkohol. Wir sind dann mit dem Taxi in eine andere Hotelbar gefahren. Weil wir erst um 2.05 Uhr da waren, gabs dort seit fünf Minuten keinen Alkohol mehr. Aber dafür hatten wir am Tag danach kein Kopfweh. (Lacht.) Auch nicht schlecht.
Was haben Sie im Moment des Zieleinlaufs gedacht?
Von unserem Platz auf der Tribüne war die Perspektive etwas verzerrt. Ich dachte eher, es hat gereicht, meine Schwester neben mir eher nicht. Darum haben wir gewartet. Bis ihr Name auf der Anzeigetafel erschien und klar war: Sie hat es geschafft!
Und dann?
Dieser Moment war extrem emotional. Es ist nicht irgendeine Medaille, sondern eine bei der WM. In einer Weltsportart, wo die Leistungsdichte sehr hoch ist. Dass Mujinga dort vorne dabei ist, das ist riesig. Krass.
War Mujinga immer schon so schnell?
Sie war schon bei der Geburt die Schnellste. Sie ist die zweitälteste meiner vier Töchter. Die erste Geburt hatte ziemlich lange gedauert. Aber Mujinga war nach 20 Minuten im Spital schon auf der Welt.
Mujinga läuft schnell und spricht schnell. Was konnte sie zuerst?
Laufen! Das konnte sie schon sehr früh, mit 11 Monaten. Sprechen kam ein bisschen später. Auch, weil unser Haushalt zweisprachig, Deutsch und Französisch, ist. Aber ihre ersten Worte waren auf Deutsch.
Können Sie sich an ihre ersten sportlichen Gehversuche erinnern?
Zur Leichtathletik ist sie eher zufällig gekommen. Daheim ist sie einfach ums Haus herumgerannt, das war ihr einziges Training. Bis man sich fürs «Schnellste Berner Modi» anmelden konnte. Ihre ältere Schwester Kaluanda und sie haben mitgemacht, und beide haben die Silbermedaille gewonnen. Dass sie diesen «Plämpu» bekommen hat, das hat Mujinga schon gefallen. Dann ist sie in den STB (Stadtturnverein Bern, Anm. d. Redaktion) gegangen, das Training war total spielerisch aufgebaut und hat ihr einfach Spass gemacht. Ich hätte nie gedacht, dass sie eine internationale Karriere machen könnte. Jesses Gott!
War Mujinga als Kind schon so ehrgeizig?
Sie hat zwei Seiten. Auf der einen Seite hat sie auch beim Kartenspielen sehr gerne gewonnen. Aber sie war auch ein lustiges, liebes Kind. In der Pubertät zwischenzeitlich sogar sehr scheu.
Das kann man sich heute fast nicht mehr vorstellen. Ihre Tochter hat mit ihrer offenen Art die Herzen der Schweizer längst erobert.
Sie hat dieses Selbstvertrauen nach und nach entwickelt. Und es ist schön, zu sehen, wie sie geschätzt wird, dass sie so positiv wahrgenommen wird. Sie muss sich dafür ja auch nicht verstellen. Sie ist so.
Vor 38 Jahren brach Safuka Kambundji im Kongo auf, um in der Westschweiz zu studieren. Da ist er Ruth begegnet und schnell bei ihr angekommen. Safukas Herzlichkeit und Grosszügigkeit hätten sich in ihrem Herzen eingenistet, sagt Ruth Kambundji zur Zeitung «La Liberté». Zusammen haben sie vier Töchter: Kaluanda, Mujinga, Muswama und Ditaji. Immer wichtig, dass diese neben dem Sport eine gute Schulbildung haben. Leichtathletik war für Safuka am Anfang ein Rätsel. «Ich habe nur Fussball und Boxen gekannt.»
Vor 38 Jahren brach Safuka Kambundji im Kongo auf, um in der Westschweiz zu studieren. Da ist er Ruth begegnet und schnell bei ihr angekommen. Safukas Herzlichkeit und Grosszügigkeit hätten sich in ihrem Herzen eingenistet, sagt Ruth Kambundji zur Zeitung «La Liberté». Zusammen haben sie vier Töchter: Kaluanda, Mujinga, Muswama und Ditaji. Immer wichtig, dass diese neben dem Sport eine gute Schulbildung haben. Leichtathletik war für Safuka am Anfang ein Rätsel. «Ich habe nur Fussball und Boxen gekannt.»
Macht Sie das stolz?
Ja, noch stolzer als die sportliche Leistung macht es mich, dass sie eine selbstbestimmte Frau geworden ist. Dass sie Verantwortung übernimmt für das, was sie macht, eine eigene Meinung hat und die vertritt. Bei Mädchen ist das nicht immer selbstverständlich. Zumindest für mich war das früher nicht so.
Das hat Sie geprägt?
Für mich ist Selbstbestimmung ein sehr wichtiges Thema. In meiner Generation war die Welt eine andere. Meine Schwester und ich konnten nicht aussuchen, ob wir in der Schule in den Handarbeits- oder in den Werkunterricht wollten. Wir hatten «Mädchenrechnen», und für die Buben gab es anspruchsvollere Aufgaben zu lösen. Uns standen nicht alle Türen offen.
Was wollten Sie Ihren vier Töchtern unbedingt mitgeben?
Es ist wichtig, dass man als Frau weiss, was man will, und Verantwortung übernimmt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist natürlich auch für die Buben wichtig. Aber bei Mädchen ist es weniger selbstverständlich.
Mujinga ist bereits heute für viele Mädchen ein Vorbild, mit der WM-Medaille wird das wohl noch extremer. Hoffen Sie, dass sie auch diese Werte vermittelt?
Heute sind die Kinder weiter, glaube ich. Zehnjährige sind heute selbstbewusster als früher. Aber vielleicht ist es gut, wenn es Vorbilder gibt, die das auch bestätigen. Und die zeigen, dass man Selbstbewusstsein haben, aber trotzdem respektvoll und nett sein kann.
Ihre Tochter steht mittlerweile seit fünf Jahren stark in der Öffentlichkeit. Wie ist das für Sie persönlich?
Es ist echt krass. Als sie 2014 in der Tagesschau kam … Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Aber es gibt immer noch diese Momente, in denen ich sie irgendwo sehe und denke: «Das ist mein Kind!» Aber es ist nicht mehr nur mein Kind, sie gehört auch ein bisschen der Öffentlichkeit.
Jetzt haben wir sehr viel über Mujingas starke Seiten gesprochen. Wo ist sie denn schwach?
Sie könnte pünktlicher sein, nicht immer alles auf den letzten Zacken machen. An ihrem Zeitmanagement dürfte sie definitiv noch arbeiten. Aber das kann auch eine Qualität sein.
Wie meinen Sie das?
Es spricht dafür, dass jemand im Moment leben kann. Nicht nur ans Pflichtprogramm denkt. Davon abgesehen können die Leute, die immer so gut organisiert sind, gar nicht üben, mit Druck umzugehen. Das ist ein tägliches Stressbelastungstraining! (Lacht.)
Was wird aufgetischt, wenn Mujinga nach der Weltmeisterschaft mal wieder daheim in Bern vorbeischaut?
Einen klaren Favoriten gibt es bei ihr nicht. Ich frage im Voraus, was sie will, sie kennt ja meine Speisekarte. Und jetzt, wo die Saison vorbei ist … Meine Lasagne mag sie ganz gern. Ich muss einfach aufpassen, dass ich sie mit genügend Fleisch mache. Wenn es nämlich zu viel Gemüse darin hat, gibt es einen Rüffel (lacht).
Wo Mujinga ist, ist der Rest der Familie nicht weit: Die Kambundjis und alle, die dazugehören, sind eine verschworene Gemeinschaft. Mujingas älteste Schwester Kaluanda erklärt, wie der schnelle Berner Clan tickt.
Ruth Kambundji-Nafzger, Mutter
Sie ist das Mami und für uns alle ein Vorbild. Eine sehr starke Frau, wir schauen zu ihr auf. Sie hält die Familie zusammen, man kann auf sie zählen. Sie ist immer da. Eine Superwoman.
Safuka Kambundji, Vater
Auch auf unseren Vater kann man sich verlassen. Mit ihm haben wir viel gespielt und gesungen, ihm ist es aber auch sehr wichtig, dass wir eine gute Ausbildung abschliessen. Er ist an praktisch jedem Wettkampf dabei. Er chauffiert Mujinga auch mal nach Frankreich an ein Rennen, damit sie nicht fahren muss und sich ausruhen kann.
Aissatou Seck, Freundin
Sie gehört zur Familie, ist überall dabei. Sie ist die fünfte Kambundji-Schwester! Sie war auch im STBern und hat lange Leichtathletik trainiert. Und sie ist manchmal ein Trainings-Buddy für Mujinga. Wenn sie in der Schweiz ist, begleiten wir sie manchmal ins Krafttraining, damit sie nicht alleine ist. Das ist gut für sie – und uns schadet das Training auch nicht.
Ditaji Kambundji, jüngste Schwester
Didi ist die jüngste der Familie. Obwohl sie schon 17 ist, wird sie wohl immer das Baby bleiben. Sie geht aufs Sportgymnasium, ist ebenfalls sehr talentiert und fragt Mujinga oft um Rat, wenn sie in Bezug auf die Leichtathletik Entscheidungen treffen muss.
Edith Nafzger, Tante (Schwester von Mutter)
Mujingas Tante ist für uns wie ein zweites Mami. Früher waren wir viel bei ihr, haben bei ihr in Basel übernachtet, sind in den Europapark gegangen oder an die Basler Fasnacht. Sie war von Anfang an bei jedem Wettkampf dabei, ob es in Finnland oder in Peking war. Mujingas Supporter Nummer 1!
Brigitte Sommer, Masseurin
Sie ist eine ehemalige Arbeitskollegin unserer Mutter und eine Freundin der Familie. Sie war Mujingas erste Masseurin. Und auch wenn sie heute noch mehr Physiotherapeuten und Masseure hat, zu Brigitte geht sie immer noch. Dort kann sie auch zu unmöglichen Zeiten noch in Behandlung gehen. Ob am Sonntag oder abends um 9 oder 10 Uhr: überhaupt kein Problem!
Silas Nafzger, Cousin
Er ist gleich alt wie Ditaji. Auch zu ihm pflegen wir eine sehr enge Beziehung, er ist oft dabei, kommt an die Wettkämpfe – und wir gehen an seine Fussballspiele.
Manfred Nafzger, Onkel
Silas' Vater. Er ist der jüngste Bruder meiner Mutter und hat den Bauernhof übernommen, auf dem die Geschwister aufgewachsen sind. Mujinga mag ja sehr gerne Fleisch. Das holen wir meistens bei ihm, da wissen wir, woher es kommt. Mehr bio geht nicht! Ausserdem ist er noch Sicherheitschef im Stadion der SCL Tigers.
Bayane Boulhazayez, Freundin
Kaluandas beste Freundin. Sie ist die sechste Schwester! Sie ist immer dabei, gehört voll dazu, ist auch für Mujinga immer da.
Werner Nafzger, Götti und Onkel
Hat als Götti eine enge Beziehung zu Mujinga. Von Beruf Physiotherapeut, malt aber auch sehr gerne. Er hat Mujinga schon Bilder geschenkt, die sie zuhause aufgehängt hat. Ein sehr lustiger Typ, ist immer für Spässe zu haben.
Muswama Kambundji, jüngere Schwester
Die drittälteste Schwester und der Witzbold der Familie! Mit ihr war Mujinga viel reisen, sie waren zum Beispiel schon zusammen in Kuba. Im Moment arbeitet sie in London und Mujinga wohnt bei ihr, wenn sie dort trainiert.
Murielle Salzmann, Freundin
Die siebte Schwester! Auch sie gehört zu dieser verschworenen Gruppe. Wir haben zu siebt einen Whatsapp-Chat, unternehmen extrem viel zusammen, gehen essen oder zusammen in die Ferien.
Kaluanda Kambundji, älteste Schwester
Ich bin die älteste Schwester, arbeite als Sport- und Französisch-Lehrerin in Bern und in Olten am Gymnasium. Bis vor einem Jahr habe ich mit Mujinga in einer WG zusammengewohnt. Das war total entspannt, bei uns kann man sich sagen, wenn einem etwas nicht passt. Schliesslich waren wir uns immer schon nahe, haben uns schon als Kinder ein Zimmer geteilt. Aber seit einem Jahr wohnen wir beide mit unseren Partnern zusammen.
Wo Mujinga ist, ist der Rest der Familie nicht weit: Die Kambundjis und alle, die dazugehören, sind eine verschworene Gemeinschaft. Mujingas älteste Schwester Kaluanda erklärt, wie der schnelle Berner Clan tickt.
Ruth Kambundji-Nafzger, Mutter
Sie ist das Mami und für uns alle ein Vorbild. Eine sehr starke Frau, wir schauen zu ihr auf. Sie hält die Familie zusammen, man kann auf sie zählen. Sie ist immer da. Eine Superwoman.
Safuka Kambundji, Vater
Auch auf unseren Vater kann man sich verlassen. Mit ihm haben wir viel gespielt und gesungen, ihm ist es aber auch sehr wichtig, dass wir eine gute Ausbildung abschliessen. Er ist an praktisch jedem Wettkampf dabei. Er chauffiert Mujinga auch mal nach Frankreich an ein Rennen, damit sie nicht fahren muss und sich ausruhen kann.
Aissatou Seck, Freundin
Sie gehört zur Familie, ist überall dabei. Sie ist die fünfte Kambundji-Schwester! Sie war auch im STBern und hat lange Leichtathletik trainiert. Und sie ist manchmal ein Trainings-Buddy für Mujinga. Wenn sie in der Schweiz ist, begleiten wir sie manchmal ins Krafttraining, damit sie nicht alleine ist. Das ist gut für sie – und uns schadet das Training auch nicht.
Ditaji Kambundji, jüngste Schwester
Didi ist die jüngste der Familie. Obwohl sie schon 17 ist, wird sie wohl immer das Baby bleiben. Sie geht aufs Sportgymnasium, ist ebenfalls sehr talentiert und fragt Mujinga oft um Rat, wenn sie in Bezug auf die Leichtathletik Entscheidungen treffen muss.
Edith Nafzger, Tante (Schwester von Mutter)
Mujingas Tante ist für uns wie ein zweites Mami. Früher waren wir viel bei ihr, haben bei ihr in Basel übernachtet, sind in den Europapark gegangen oder an die Basler Fasnacht. Sie war von Anfang an bei jedem Wettkampf dabei, ob es in Finnland oder in Peking war. Mujingas Supporter Nummer 1!
Brigitte Sommer, Masseurin
Sie ist eine ehemalige Arbeitskollegin unserer Mutter und eine Freundin der Familie. Sie war Mujingas erste Masseurin. Und auch wenn sie heute noch mehr Physiotherapeuten und Masseure hat, zu Brigitte geht sie immer noch. Dort kann sie auch zu unmöglichen Zeiten noch in Behandlung gehen. Ob am Sonntag oder abends um 9 oder 10 Uhr: überhaupt kein Problem!
Silas Nafzger, Cousin
Er ist gleich alt wie Ditaji. Auch zu ihm pflegen wir eine sehr enge Beziehung, er ist oft dabei, kommt an die Wettkämpfe – und wir gehen an seine Fussballspiele.
Manfred Nafzger, Onkel
Silas' Vater. Er ist der jüngste Bruder meiner Mutter und hat den Bauernhof übernommen, auf dem die Geschwister aufgewachsen sind. Mujinga mag ja sehr gerne Fleisch. Das holen wir meistens bei ihm, da wissen wir, woher es kommt. Mehr bio geht nicht! Ausserdem ist er noch Sicherheitschef im Stadion der SCL Tigers.
Bayane Boulhazayez, Freundin
Kaluandas beste Freundin. Sie ist die sechste Schwester! Sie ist immer dabei, gehört voll dazu, ist auch für Mujinga immer da.
Werner Nafzger, Götti und Onkel
Hat als Götti eine enge Beziehung zu Mujinga. Von Beruf Physiotherapeut, malt aber auch sehr gerne. Er hat Mujinga schon Bilder geschenkt, die sie zuhause aufgehängt hat. Ein sehr lustiger Typ, ist immer für Spässe zu haben.
Muswama Kambundji, jüngere Schwester
Die drittälteste Schwester und der Witzbold der Familie! Mit ihr war Mujinga viel reisen, sie waren zum Beispiel schon zusammen in Kuba. Im Moment arbeitet sie in London und Mujinga wohnt bei ihr, wenn sie dort trainiert.
Murielle Salzmann, Freundin
Die siebte Schwester! Auch sie gehört zu dieser verschworenen Gruppe. Wir haben zu siebt einen Whatsapp-Chat, unternehmen extrem viel zusammen, gehen essen oder zusammen in die Ferien.
Kaluanda Kambundji, älteste Schwester
Ich bin die älteste Schwester, arbeite als Sport- und Französisch-Lehrerin in Bern und in Olten am Gymnasium. Bis vor einem Jahr habe ich mit Mujinga in einer WG zusammengewohnt. Das war total entspannt, bei uns kann man sich sagen, wenn einem etwas nicht passt. Schliesslich waren wir uns immer schon nahe, haben uns schon als Kinder ein Zimmer geteilt. Aber seit einem Jahr wohnen wir beide mit unseren Partnern zusammen.