Katharina Bauer, was machen Sie am 29. September 2019?
Katharina Bauer: Da muss ich kurz überlegen. Läuft dann die WM?
Genau. An diesem Datum findet der WM-Final im Stabhochspringen statt. Mit Ihnen?
Ich hoffe es. Doch das neue Jahr ist ja noch jung, und ich habe erst einen Wettkampf bestritten. Ich bin aber schon gut in Form.
Sie wären die erste WM-Teilnehmerin mit einem Defibrillator.
Das würde mir unglaublich viel bedeuten. Ich würde so eine Rolle als Pionierin einnehmen und könnte zeigen, was alles möglich ist. Egal, wie hart die Rückschläge sind. Doch auch wenn ich es nicht an die WM schaffen sollte: Ich lasse mich von nichts aufhalten. Alles ist möglich.
Ihr Herz schlägt deutlich zu schnell. Wann haben Sie das ein erstes Mal realisiert?
Mit sieben Jahren. Ich war damals Kunstturnerin. Bei einer sportmedizinischen Untersuchung erkannte man, dass mein Herz pro Tag bis zu 6000 Mal zu viel schlägt.
Haben Sie das selber auch gespürt?
Ja, ich spürte, wie es manchmal in der Brust rumpelte. Und gelegentlich hatte ich auch Herzrasen.
Trotzdem wurden Sie Spitzensportlerin.
Man wusste damals noch nicht, dass das so gefährlich ist. 2017 wurde ich zum ersten Mal erfolgreich operiert. Danach hatte ich pro Tag nur noch 3000 Extraherzschläge. Doch wenig später waren es schon wieder 15’000 Schläge zuviel.
Bestand für Sie Lebensgefahr?
Ja, absolut! Ich sprang unter Lebensgefahr, von der ich jedoch nichts wusste. Ich hatte zusätzlich seit zehn Jahren immer mal wieder einen unangenehmen Schlag im Herz, den niemand erklären konnte. Es fühlte sich stets an, als ob ich in Ohnmacht fallen würde, aber es passierte nichts. Im letzten Jahr kam dieser Schlag während einer EKG-Untersuchung ans Licht. Als die Ärzte auf dem EKG diesen Schlag entdeckten, waren sie alarmiert, weil der zum plötzlichen Herztod führen kann. Dann hiess es, ich benötige einen Defibrillator.
Hatten Sie Angst, dass Sie durch diesen Eingriff Ihre Karriere als Sportlerin beenden müssen?Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, was auf mich zukommt und ob ich meine Karriere weiterführen kann. Das war ein Schock. Doch die Ärzte sagten mir, dass ich eh einen Defibrillator benötige, um weiter leben zu können. Vier Tage später wurde ich schliesslich operiert.
Wie gross ist der Defibrillator?
Ungefähr so gross wie eine Handfläche und etwa 300 Gramm schwer. Er liegt unter meinem linken so genannten Latissimus-Muskel. Wichtig ist, dass die Elektrode neben dem Herz liegt und nicht ins Herz führt. Deshalb kann ich auch noch Spitzensport betreiben.
Welche Funktion hat der Defibrillator?
Er ist nur für den Notfall da und würde erkennen, wenn es ein Kammerflimmern gäbe und dadurch der plötzliche Herztod drohen würde. In einem solchen Notfall gäbe er einen elektrischen Impuls ab. Ich würde zwar kurz umfallen, doch der Defibrillator würde mich gleich wiederbeleben.
Musste Ihr Defibrillator schon einmal eingreifen?
Bisher nur Ausversehen. Bei einer Physiobehandlung mit Strom dachte er, ich hätte Kammerflimmern und griff bei vollem Bewusstsein ein.
Wie fühlte sich das an?
Der ganze Körper steht unter Strom. Ich flog von der Physiobank hoch und hatte das Gefühl, einen Tritt von einem Pferd zu bekommen. Das Ganze hatte aber auch sein Gutes: Ich weiss jetzt, dass er im Ernstfall funktioniert.
Haben Sie Ihrem Defibrillator einen Spitznamen gegeben?
Ja, er ist eine sie und meine Freundin. Ich nenne den Defibrillator Anahata. Das ist im Yoga das Herzchakra, das fand ich sehr passend.
Müssen Sie im Alltag mit Einschränkungen leben?
Ich muss mich vor gewissen Stromgeräten und magnetischen Feldern fernhalten. Ich darf zum Beispiel nur am rechten Ohr telefonieren, und Rasenmähen und Bohren geht auch nicht. Doch da ist ja eh Männeraufgabe (lacht).
«So gesund wie jetzt war ich noch nie»
Sie sind erst 28 Jahre alt. Haben Sie sich in den letzten Monaten trotzdem Gedanken über den Tod gemacht?
Eigentlich erst, als ich den Defibrillator bekommen habe. Davor habe ich mir immer gesagt, dass ich gesund bin und ich sehr alt werde. Ich geriet dadurch nie in Panik, wenn mein Herz zu schnell schlug. Das hat mir wohl das Leben gerettet.
Leiden Sie immer noch unter zu vielen Herzschlägen?
Ursprünglich war nach der Defibrillator-Implantation noch eine weitere OP geplant, um das mit den Schlägen in den Griff zu bekommen. Doch momentan habe ich bloss 3000 Schläge zu viel und es ist keine Operation notwendig.
Wie haben Sie das hingekriegt?
Mit mentalem Training und Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Das zeigt, welchen Einfluss der Kopf auf den Körper hat. So gesund wie jetzt war ich noch nie. Das macht mich extrem stolz.
Letzte Frage: Sie möchten die erste WM-Teilnehmerin mit Defibrillator sein. Vor Jahren waren Sie schon einmal im Playboy zu sehen. Möchten Sie jetzt auch noch die erste Frau mit Defibrillator im Playboy sein?
(lacht) Diese Frage hat mir jetzt wirklich noch nie jemand gestellt. Mal schauen. Sollte eine Anfrage kommen, mache ich mir meine Gedanken darüber.
Die 28-Jährige zählt zu den besten Stabhochspringerinnen Deutschlands. 2018 wurde die Athletin von Bayer Leverkusen mit 4,51 Metern deutsche Hallenmeisterin. Ihre nächsten grossen Ziele: die WM 2019 in Katar und Olympia 2020 in Tokio.
Die 28-Jährige zählt zu den besten Stabhochspringerinnen Deutschlands. 2018 wurde die Athletin von Bayer Leverkusen mit 4,51 Metern deutsche Hallenmeisterin. Ihre nächsten grossen Ziele: die WM 2019 in Katar und Olympia 2020 in Tokio.