Es ist ein Lauf für die Geschichtsbücher. Eine Zeit für die Ewigkeit. 12,24 Sekunden braucht Ditaji Kambundji (23) am 15. September in Tokio, um auf dem Weg zu einem der grössten Coups der Schweizer Sportgeschichte die zehn Hürden bis ins Ziel zu überqueren. 12,24 Sekunden beste Schweizer Präzisionsarbeit, als sich Kambundji auf Bahn 3 Hürde für Hürde gegen die Weltklasse-Konkurrenz behauptet, ehe sie vor Weltrekordhalterin Tobi Amusan (28) als Weltmeisterin über 100 m Hürden ins Ziel hechtet.
Blick: Ditaji Kambundji, wie oft haben Sie sich das Gold-Video mit Ihrem Wahnsinnslauf angesehen?
Kambundji: Das weiss ich nicht mehr. Am Anfang relativ häufig. Aber jetzt ist der Alltag zurück, ich bin wieder im Training. Da ist es nicht mehr ganz so präsent. Aber das war für mich ein sehr, sehr spezieller Moment.
An wen haben Sie als Erstes gedacht, nachdem klar war, dass Sie Gold gewonnen haben?
Ich war da sehr stark im Moment. Es ist ja wirklich grossartig, wenn du erlebst, wie der sportliche Erfolg zuschlägt. Im Vorfeld weisst du für dich, dass du es kannst, dass du es in dir hast – aber du musst es zuerst umsetzen. Das waren meine ersten Gedanken. Es hat geklappt! Und dann habe ich schon sehr bald meine Familie im Stadion gesehen, Mami, Papi, Tante, die zum Glück sehr nahe dran waren. Diesen Moment noch auf der Bahn mit der Familie teilen zu dürfen, war toll.
Wie stark hat sich Ihr Leben seit jenem Tag in Tokio verändert?
Gar nicht so sehr. Im Alltag ist fast alles noch gleich. Nach Tokio hatte ich Ferien, nach sechs, sieben Wochen bin ich ins Training zurückgekehrt. Die Trainingsstruktur ist dieselbe geblieben – nur, dass Mujinga (Kambundji, ihre Schwester, d. Red.) dann irgendwann nicht mehr im Training dabei war, weil sie ihr Baby bekommen hat. Das war eigentlich die grösste Veränderung.
Und abseits des Alltags?
Für mich persönlich war es sehr speziell. Der Weltmeistertitel ist etwas richtig Grosses. Etwas, hinter das ich ein Häkchen setzen konnte. Und für mich ist klar: Ich bin erst 23. Das ist erst der Anfang von etwas. Es wird sicher anders sein, wenn ich künftig an Wettkämpfe gehe.
Ditaji Kambundji (23) ist die jüngste von vier Schwestern, die allesamt in der Schweizer Leichtathletik ihre Spuren hinterlassen. Die Bekannteste: Mujinga (33), welche den Schweizer Sprint in neue Sphären hob. Nach EM-Bronze 2022 und EM-Silber 2024 über 100 m Hürden holte Ditaji Kambundji 2025 erst an der Hallen-WM in China Silber über 60 m Hürden, später an der Freiluft-WM in Tokio in absoluter Weltklassezeit (12,24 s) über 100 m Hürden Gold. Sie ist die erste Schweizerin, die je Outdoor-Weltmeisterin in der Leichtathletik wurde und ist am Sonntag bei den «Sports Awards» als Sportlerin des Jahres nominiert.
Ditaji Kambundji (23) ist die jüngste von vier Schwestern, die allesamt in der Schweizer Leichtathletik ihre Spuren hinterlassen. Die Bekannteste: Mujinga (33), welche den Schweizer Sprint in neue Sphären hob. Nach EM-Bronze 2022 und EM-Silber 2024 über 100 m Hürden holte Ditaji Kambundji 2025 erst an der Hallen-WM in China Silber über 60 m Hürden, später an der Freiluft-WM in Tokio in absoluter Weltklassezeit (12,24 s) über 100 m Hürden Gold. Sie ist die erste Schweizerin, die je Outdoor-Weltmeisterin in der Leichtathletik wurde und ist am Sonntag bei den «Sports Awards» als Sportlerin des Jahres nominiert.
Inwiefern?
Das Niveau ist unglaublich hoch im Hürdensprint der Frauen im Moment. In meinem WM-Final standen die Olympiasiegerin, eine Weltmeisterin, die Weltrekordhalterin, die habe ich im wichtigsten Rennen alle geschlagen. Da war ich jetzt einmal on top.
Was bedeutet das für Ihre Ziele 2026?
Wichtig ist, dass ich diese Leistung bestätigen kann. Ich bin im letzten Jahr konstant 12,40er-Zeiten gelaufen und hatte diesen Ausreisser auf 12,24. Jetzt muss ich konstant 12,30er-Zeiten laufen.
… und dann kommt irgendwann ein noch besserer Ausreisser?
Genau, so läuft das. (lacht)
Was rufen Ihnen die Leute auf der Strasse seit dem WM-Titel zu?
(lacht) Man ruft mir nichts zu. Ich glaube, dafür sind wir in der Schweiz zu zurückhaltend. Ich war positiv überrascht: Die Leute sind so freundlich! Viele haben mir erzählt, dass sie zu Tränen gerührt waren, als sie meinen Goldlauf live gesehen haben. Ich meine – für mich war klar, dass ich selber emotional werde, wenn mir so etwas gelingt. Aber dass das anderen passiert! Das ist etwas ganz Besonderes und mega, mega schön. Aber ich werde überhaupt nicht dauernd angesprochen, wenn ich unterwegs bin. Und von denen, die mich ansprechen, ist es mega nett und sehr respektvoll.
Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie jetzt eine der Athletinnen sind, die als Inspiration für andere gelten?
Jein. So ganz realisiert man das selber nicht. Aber das ist sehr schön. Ich darf mich glücklich schätzen, dass ich in dieser Position sein darf. Als junge Athletin haben mich andere inspiriert und mir gezeigt, was alles möglich ist. Jetzt hoffe ich, dass ich das für jüngere auch tun kann.
In der Leichtathletik gab es durchaus kritische Stimmen, als sie zu On, bisher nicht bekannt als Sprintschuhhersteller, gewechselt sind. Wie gross war das Risiko für Sie?
Nicht sehr gross. Ich wusste, dass ich mich schnell daran gewöhne. Darum habe ich mir keine Sorgen gemacht. Zumal ich von On gespürt habe, dass für die nächsten Jahre eine enge Zusammenarbeit geplant ist, wo ich meine Bedürfnisse und Beobachtungen einfliessen lassen kann, wenn neue Sprintschuhe entwickelt werden.
Sie und ihre drei Schwestern Kaluanda, Mujinga und Muswama haben einen Kambundji-Schwestern-Chat, in dem immer etwas läuft. Wie heiss lief dieser Draht nach WM-Gold?
Also das kann ich bestätigen: Der Chat ist sehr unterhaltsam. Der läuft sowieso jeden Tag, irgendwer ruft da immer an. Wir haben unter uns Schwestern eine Regel: Wenn man in die Chat-Gruppe hinein anruft ist es nicht so wichtig. Wenn es wichtig ist, dann melden wir uns direkt. Im Chat plaudern wir einfach und die eine ist vielleicht gerade am Kochen, eine am Autofahren, eine am Waschen. In Tokio war das super, mein Rennen war sehr spät, ich war erst um 3 Uhr zurück im Hotel und konnte eh nicht schlafen. Da war es super, dass die anderen mit der Zeitverschiebung noch wach waren und wir uns alle noch gehört und gesehen haben.
Was haben Sie da besprochen?
Ach, gar nichts Besonderes. Es war einfach schön, zu erfahren, wie die anderen mein Rennen erlebt haben. Mujinga war zum Beispiel bei unserem Grosi und hat mit ihr zusammen geguckt. Muswama war gerade am Flughafen, als ich gelaufen bin.
Was ist das Erste, das Sie 2026 machen?
Nicht sehr viel. Ich glaube, ich habe frei.
Ist der 1. Januar auch als Weltmeisterin ein Feiertag?
Nicht darum. Es ist ein Donnerstag, da habe ich normalerweise trainingsfrei. Aber ich muss das mit Florian (Clivaz, ihr Trainer, d. Red.) noch besprechen. Ich würde gerne mal wieder einen Tag machen, wo ich alle Harry-Potter-Filme durchschaue. Vielleicht mache ich das am 1. Januar.