Marvin Lier hat die Lizenz zum Toreschiessen. 175-mal hat der linke Flügel von Pfadi Winterthur in 24 Saisonspielen eingenetzt. Eine Ausbeute, dank welcher Lier am Dienstag vor dem ersten Playoff-Viertelfinal als Liga-Topskorer geehrt wurde. Nur Minuten nach der Auszeichnung ist im Spiel vor allem seine Coolness vom Penaltystrich gefragt. Lier versenkt alle fünf Siebenmeter und ist so – obwohl er am Flügel kaum einen Ball bekommt – zweitbester Pfadi-Skorer beim Sieg gegen Kriens-Luzern.
Dank seiner Qualitäten ist der Winterthurer inzwischen auch bei Nati-Trainer Michael Suter erste Wahl auf Linksaussen und als Penaltyschütze. Lier bekommt gar den Vorzug vor Superstar Andy Schmid. «Andy und ich sprechen uns während des Spiels oft ab. Dann tritt derjenige zum Siebenmeter an, der sich gerade besser fühlt», erklärt Lier.
Seinen Wert für die Nati unterstrich er nicht zuletzt letzten Sonntag in der EM-Quali gegen Belgien, als er die Skorerliste mit neun Treffern erneut anführte. «Es war eine geschlossene Mannschaftsleistung», blickt Lier zurück. «Zudem hat uns der grosse Zuschaueraufmarsch in Schaffhausen sicherlich geholfen.»
«Handball hat erste Priorität»
Zeit, den 36:22-Sieg gross zu feiern, blieb jedoch nicht. Regeneration war angesagt. Beim Liga-Topskorer jagt diese Woche ein Termin den anderen: Am Montag wurden Pfadis Nationalspieler zum separaten Videostudium aufgeboten, gefolgt von einem zweistündigen Mannschaftstraining. Am Dienstagmorgen sitzt der 26-Jährige dann im Hörsaal der Universität Zürich, wo er seinen Master in Erziehungswissenschaften macht. «Ich absolviere nur gut die Hälfte der Credits eines Vollzeitstudenten. Handball hat erste Priorität.»
Das Programm während der Handball-Playoffs ist dennoch happig: Gespielt wird wie im Eishockey jeweils am Dienstag, Donnerstag und Samstag. Als Leistungsträger muss Lier bei Pfadi die kompletten 60 Minuten ran.
«Generell bin ich ein Handballer, der viel Einsatzzeit braucht, um auf Touren zu kommen», erklärt Lier. «Diese Saison bin ich nach dem Rücktritt von Marcel Hess erstmals die Nummer 1 am linken Flügel. Das erklärt vielleicht meinen Leistungssprung.»
Ein Leistungssprung, der bald zu einem Wechsel ins Ausland führt? Lier: «Ich suche das nicht aktiv. Aber es ist der Traum jedes Handballers, einmal in Deutschland oder Frankreich zu spielen.»