«Wir lebten unsere Liebe versteckt»
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Diskussionsrunde:So ist das Leben als lesbische Spitzensportlerin

Ex-Captain der Schweizer Handball-Nati Rosmarie Oldani
«Er schaute mir zwischen die Beine und sagte: ‹Ja, eine Frau›»

Rosmarie Oldani (66) über die unerwiderte Liebe zu einer Mitspielerin, Sorgen der Vereinspräsidentin und einen Eklat.
Publiziert: 14.04.2020 um 09:38 Uhr
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Oldani war einst Captain der Schweizer Handball-Nati.
Foto: PD

«Das erste Länderspiel bestritten wir gegen eine süddeutsche ­Auswahl. Kurz danach, 1973, wurde offiziell die Schweizer Frauennationalmannschaft ­gegründet. In dieser Zeit verliebte ich mich zum ersten Mal in eine Frau – in eine Spielerin unseres Teams. Aber sie erwiderte meine Gefühle nicht, da sie bereits mit einer anderen Mitspielerin liiert war, was ich zuvor gar nicht bemerkt hatte.

Meine Vermutung und die ­Gerüchte bewahrheiteten sich also: Meine Angebetete war lesbisch. Diese Erkenntnis hat mich aus der ­Fassung gebracht, mir war eine ganze Woche lang schlecht. Alle Emotionen schlagen mir auf den Magen. Doch es war ein Aha-Moment: Ich konnte mir eingestehen, dass ich auch ­lesbisch bin.

Mein unglückliches Verliebtsein wurde teamintern publik, und die Vereinspräsidentin machte sich Sorgen um mich. Sie bat eine Mitspielerin, mit mir zu reden. Auf einem Spaziergang sagte sie: ‹Knirps, hör zu, wir denken, dass du dir das noch mal überlegen solltest mit dem Lesbischsein. Denn da kommen sehr viele Schwierigkeiten auf dich zu in dieser Gesellschaft, du wirst immer am Rand stehen ...› So dachten die meisten Leute Anfang der 1970er-Jahre noch.

Das Buch

Im neuen Buch «Vorbild und Vorurteil. Lesbische Spitzensportlerinnen erzählen» reden 28 junge und ältere Frauen aus unterschiedlichsten Sportarten über ihr Leben. In einer vierteiligen Serie drucken wir gekürzte Fassungen ab.

Das Buch erscheint im Verlag «HIER UND JETZT», hat 272 Seiten und kostet 39 Franken. Für BLICK-Leser gibt es eine spezielle Aktion: Sie bezahlen nur 32 Franken, ohne Portokosten. Zu bestellen per E-Mail an admin@hierundjetzt.ch oder telefonisch 056 470 03 00, jeweils mit dem Stichwort «BLICK-Aktion».

Weitere Infos finden Sie unter www.vorbildundvorurteil.ch und www.hierundjetzt.ch

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Weitere Infos finden Sie unter www.vorbildundvorurteil.ch und www.hierundjetzt.ch

Im Handballteam war das ­Lesbischsein stets akzeptiert. Als junge Frau wurde mir damit eine Normalität vermittelt. Das war speziell, da lesbische Frauen ausserhalb des Sports kaum sichtbar waren. Wir mussten uns die Räume ­suchen, in denen wir so sein konnten, wie wir sind.

Dazu gibt es eine Anekdote: ­Immer am Donnerstag nach dem Training gingen wir in ­unsere Beiz, tranken etwas, und dann verabschiedeten sich die lesbischen Frauen im Team langsam. Denn wöchentlich fand im legendären Schwulen- klub Hey am Bellevue in Zürich der Frauenabend mit Disco statt. Wir sagten den Heteras jeweils, wir gingen noch an die ‹Vorlesung›, was zum geflügelten Wort wurde. Nicht selten tanzten wir bis nach Mitternacht, obwohl wir am nächsten Tag wieder arbeiteten. Wir ­hatten eine Gaudi und mussten uns nicht verstecken: tanzen, küssen, sich umarmen, ­Händchen halten, neue Frauen kennenlernen, sich verlieben – das war dort alles möglich ...

Ich muss sagen, ich bin gut durchs Leben gekommen, ich erlebte weder Anfeindungen aufgrund meiner Sportart noch aufgrund meiner sexuellen Orientierung, auch dann nicht, als ich meine Frauen- liebe öffentlicher zu leben ­begann.

Dennoch gab es einige frag-würdige Situationen. Als der Damenhandballclub Zürich mit einem anderen Zürcher Klub fusionieren wollte, kam es zum Eklat: In letzter Sekunde wurde alles abgesagt, da sich die ­Eltern des anderen Vereins querstellten. Sie wollten ihre Töchter nicht in diesem ‹Lesbenklub› spielen lassen. Das war 1988. Warum die wussten, dass es bei uns lesbische Spielerinnen gab, weiss ich nicht. Zu dieser Zeit lebten wir das nicht offen.

Auch während meiner Zeit im Nationalkader trug sich Befremdendes zu: An einem ­Trainingswochenende wollte unser Trainer mit drei von uns Spielerinnen sprechen. Er teilte uns mit, dass man von ‹dem› wisse – er meinte unser ­Lesbischsein –, und sagte, er möchte keine Probleme im ­Nationalteam. Darum entschied er, dass das Pärchen in getrennten Zimmern schlafen müsse. Diese Weisung umgingen wir elegant: Ich bewohnte ein Doppelzimmer allein und tauschte heimlich das Zimmer mit dem Paar. Unter den Nationalspielerinnen war Lesbischsein nie ein Thema. Wir wussten es voneinander und feierten auch zusammen mit den Heteras immer fröhliche Feste. Wir waren aber zurückhaltend und schmusten nicht etwa vor den anderen herum.

Ein Erlebnis der ­besonderen Art hatten wir an der sogenannten B-Weltmeisterschaft in Norddeutschland 1977. Die Frauen sollten vorgängig einen «Sexpass» machen: Ein Gynäkologe musste bestätigen, dass wir wirklich Frauen ­waren. Ich stand also vor ­meinem Arzt und liess die ­Hosen runter. Er schaute mir zwischen die Beine und sagte: ‹Ja, eine Frau›, und unterschrieb das Formular. Im Nationalteam lachten wir darüber. Damals waren wir noch nicht so kritisch, wir machten, was von uns erwartet wurde.»

Persönlich: Rosmarie Oldani (66)

Die Zürcherin spielte während zehn Jahren in der Schweizer Handball-Nati. 1977 nahm sie an der B-WM teil. Heute ist die ­gelernte technische Zeichnerin Rentnerin.

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