Luigi Ponte ist am 1. August 2025 Festredner in der Aargauer Gemeinde Wohlen. Ponte erzählt am Nationalfeiertag die Geschichte seiner Familie. Er erzählt davon, wie sein Vater Angelo 1958 mit einem Köfferchen Neapel verlässt. Aus wirtschaftlicher Not. So, wie dies Zehntausende andere, vorwiegend aus Kalabrien und Sizilien, auch tun.
Schuhmacher Ponte findet bei der Bally in Schönenwerd einen Job. Bald wechselt er zur Firma Künzli nach Windisch. Mit seiner Frau und Tochter Anna. Am 1. August 1963 sitzen dann auch seine Söhne Toni, Luigi und Raimondo Ponte im Zug Richtung Schweiz. «Wir schauten zum Fenster hinaus und staunten über die vielen Fahnen und die Feuerwerke. Und fragten uns, ob das alles wegen unserer Ankunft ist», sagt Luigi.
In Windisch angekommen merken sie dann schnell, dass die Feuerwerke mit dem Geburtstag der Schweiz und weniger mit ihrer Ankunft zu tun hatten. Ein Zimmer in der kleinen Wohnung im Aargau teilen sich die Eltern mit der dreijährigen Tochter, im anderen Zimmer schlafen Toni, Raimondo und Luigi. Ihre Schwester sehen die drei Buben zum ersten Mal, denn sie haben die ersten Jahre ihres Lebens bei den Grosseltern verbracht.
Luigi erzählt, wie sie ihr Vater zur Integration erzieht. Sofort die Sprache lernen, immer alle Menschen grüssen, immer Danke sagen. Er schickt sie in den Turnverein. «An den Ringen herumzappeln war aber nichts für uns», sagt Luigi. Sie gehen zum FC Windisch. Raimondo macht eine grosse Karriere, wird zum Schweizer Nationalspieler. Toni arbeitet sich in der Finanzbranche nach oben und wird später Investor beim FC Siena. Auch Luigi ist beruflich ehrgeizig, engagiert sie schon sehr früh im Behindertensport und wird zum Präsidenten des Aargauischen Fussballverbands.
Luigi erzählt auch von den Widerständen, von Ablehnung und davon, wie sie 1970 alle gezittert haben. Am 7. Juni stimmt die Schweiz damals über die Initiative von James Schwarzenbach gegen die Überfremdung ab. Die Stimmbeteiligung beträgt 75 Prozent. Die Initiative wird mit 54 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Ansonsten hätten 300'000 Italiener das Land verlassen müssen.
24 Stunden nach der 1.-August-Ansprache von Luigi Ponte spaziere ich in Sizilien dem Strand entlang. Von Bagno zu Bagno. Die Buben spielen beim Sonnenuntergang Fussball, die Älteren spielen Balla Tamburello und die noch Älteren Boccia. Ein Ball oder eine Kugel ist immer dabei. Die Grossmütter schauen zu, der Bademeister sitzt auf seinem Holzgestell mit der Zigarette im Mundwinkel und blickt aufs Meer hinaus. Idyllische Glückseligkeit pur.
Sind sie als Einwanderer glücklich geworden?
Ich denke mir, ganz im Sinn von Onkel Donald: Die Schweiz hat damals mit diesen fleissigen Menschen, die unsere Kultur bereichert und zu unserem Wohlstand beigetragen haben, einen guten Deal gemacht. Aber sind bei uns auch alle Einwanderer so glücklich geworden, wie sie hier am Strand in Süditalien sind? Und kommen heute auch so gute Menschen wie damals? Luigi ist da bei seiner 1.-August-Ansprache skeptisch. «Viele Werte gehen verloren», sagt er nachdenklich.
Luigi hat bei seiner 1.-August-Rede in Wohlen nur eines vergessen. Die Schuhfirma Künzli, in der sein Vater so viele Jahre gearbeitet hat, wurde von Roberto Martullo gekauft. Einem Secondo aus Wohlen.