Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Ein vertrauliches Geständnis

Die Fussball-EM der Frauen steht vor der Tür. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 01.06.2025 um 17:54 Uhr
|
Aktualisiert: 01.06.2025 um 18:06 Uhr
Teilen
Kommentieren
Alisha Lehmann – wird sie an der EM dabei sein?
Foto: keystone-sda.ch
Blick_Portrait_2631.JPG
Felix BingesserReporter Sport

Bitte halten Sie Ihr Ohr ganz nahe an den Bildschirm oder auf die Zeitungsseite. Ich muss Ihnen in aller Vertraulichkeit etwas zuflüstern. Und hoffe in dieser delikaten Angelegenheit auf Ihre Diskretion.

Denn was jetzt folgt, ist das schwierigste Outing in der heutigen Zeit. Das heikelste Tabuthema überhaupt. Das Fettnäpfchen, das im Grunde ein riesiger Fettnapf ist. Sind Sie bereit? Ich wechsle jetzt in den Flüsterton.

«Mich interessiert der Frauenfussball nicht.»

Natürlich wünsche ich der EM-Endrunde in der Schweiz, die in einem Monat startet, viel Erfolg. Natürlich soll jedes Mädchen auf der Welt mit Begeisterung Fussball spielen dürfen. Argumente gegen den Frauenfussball gibt es keine.

Das Fehlen der Begeisterung

Aber mich interessiert es einfach nicht. So sehr ich mich auch bemühe: Die Begeisterung will sich nicht einstellen. Darum muss ich jetzt mit dem Makel leben, als ewiggestriger alter weisser Mann abgestempelt zu werden. Denn es ist einfacher, sich als non-binärer Sympathisant von Donald Trump zu outen, als zuzugeben, dass man mit dem Frauenfussball nicht warm wird.

Es gibt längst ein gesellschaftliches Grundverständnis, dass dem Frauenfussball auf Teufel komm raus und im Eilzugstempo zum grossen Durchbruch verholfen werden muss. Das muss in einen Rahmen gepackt werden. Der Rahmen wird gedehnt, bis das Abkommen hineinpasst.

Schon die Formulierung «verholfen werden muss» sollte aber aufhorchen lassen. Sind alle Förderer und Fürsprecher Überzeugungstäter? Sitzen die Fussballfans beim Final der Champions League der Frauen so gebannt vor dem Fernseher wie bei den Männern?

Oder schwimmen sie nur mit dem Zeitgeist? Ist es bei einigen nicht devoter, vorauseilender Gehorsam? Dieser öffentliche Druck zur politischen Korrektheit? Die Angst, in dieser Frage anzuecken?

Warum werden keine Frauen-Schwingfeste übertragen?

Und man kann sich auch die Frage stellen, warum keine Frauen-Schwingfeste übertragen werden und warum das Frauen-Eishockey keine Lobby hat und ein stiefmütterliches Dasein fristet.

Beim Fussball ist das anders. Die gesamte Funktionärsriege pusht diese EM-Endrunde. Die Sponsoren stehen bereit, die Medien auch. Über jeden Satz zum Thema wird Puderzucker gestreut. Es darf unter keinen Umständen der Eindruck entstehen, der Frauenfussball werde strukturell benachteiligt. Es wird zur patriotischen Pflicht erhoben, bei dieser EM eine gewisse Begeisterung zu verströmen.

Denn: Auch grosse Sponsorenfirmen und Medienunternehmen wollen nicht die Hälfte der Belegschaft und die Hälfte der zahlenden Kundschaft vergraulen. Aber der Knackpunkt bleibt: Interesse und Begeisterung können nicht verordnet werden.

In den USA hat man schon in den Siebzigerjahren Franz Beckenbauer, Pelé und Gerd Müller in die Liga geholt, um den Fussball zu pushen. Mit mässigem Erfolg. Basketball, Football, Baseball und Eishockey dominieren weiterhin. Interesse muss organisch und von der Basis her wachsen.

Der Frauenfussball hat enorme Fortschritte gemacht. Aber ich gehöre zu jenen, die in diesem einstimmigen Chor der Begeisterung nicht mitsingen können.

So leid es mir tut.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?