Ruedi Elsener spricht über seine Zeit im Knast
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Fussball-Legende packt aus:Ruedi Elsener spricht über seine Zeit im Knast

Fussball-Legende Ruedi Elsener packt aus
«Die Zeit im Knast war sehr schlimm»

Ruedi Elsener (68) zündet den Turbo. Warum er aus dem Bett raus verhaftet wurde. Warum er Christian Gross das Toupet zerschnitt. Warum er umstrittene Substanzen zu sich nahm. Und warum er nach der Karriere in ein tiefes Loch fiel.
Publiziert: 29.11.2021 um 12:07 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2023 um 14:23 Uhr
Im Interview spricht Ruedi Elsener über die Höhepunkte und Tiefschläge seines Lebens.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Daniel Leu

Blick: Herr Elsener, Sie müssen es wissen: Wie fühlt es sich an, verhaftet zu werden?
Ruedi Elsener:
Dieses Gespräch fängt ja gut an (lacht). Das Ganze passierte 1979 kurz nach meinem Wechsel von Eintracht Frankfurt zum FCZ. Ich wohnte damals noch im Hotel Holiday Inn in Regensdorf, als an einem Montag um 5.30 Uhr das Telefon klingelte.

Wer war dran?
Meine Mutter. Sie klang ganz aufgeregt und sagte: «Jetzt war grad die Polizei hier. Die suchen dich!»

Was war Ihr erster Gedanke?
Ich konnte mir das alles nicht erklären. Deshalb legte ich mich ins Bett zurück. Als ich wieder eindöste, klopfte es plötzlich an der Tür. Ich öffnete, und da stand ein Polizist vor mir, der mir sagte, es läge ein Haftbefehl gegen mich vor. Natürlich wollte ich sofort wissen, warum. Doch er meinte nur, er dürfe mir das nicht sagen.

Wie gings weiter?
Er nahm mich dann auf den Polizeiposten in Zürich mit. Dort hiess es: «Am besten geben Sie alles zu!» Ich: «Was soll ich zugeben?» Sie: «Dass Sie einen Porsche geklaut haben.»

Sie sassen dann zweieinhalb Tage in Untersuchungshaft. Wie schlimm war das?
Das war sehr schlimm. Im Zimmer hatte es nur ein Klappbett, einen Klappstuhl und eine Militärdecke. Mehr nicht. Keine Zahnbürste und ich durfte nicht mal duschen. Man nahm mir dann die Fingerabdrücke ab und befragte mich immer wieder. Mittlerweile suchte mich auch der FCZ, weil sie ja nicht wissen konnten, dass ich im Knast steckte. Ich bin dann am Mittwochmittag endlich freigekommen, habe anschliessend ein Einzeltraining absolviert und am Abend gegen Chiasso bereits wieder gespielt.

Sie waren unschuldig. Ihr früherer GC-Teamkollege Jonny Hey war in den Porsche-Diebstahl und Versicherungsbetrug involviert und zog Sie mit rein, ohne dass Sie davon etwas wussten. Haben Sie Hey mal verziehen?
Nein, das geht nicht, er hat mich da voll reingeritten. Jahre später habe ich ihn an einem Legendenspiel gesehen. Doch er hat so getan, als ob nie etwas gewesen wäre.

Ruedi Elsener (68)

Der Stadtzürcher wurde sowohl mit GC (1978) als auch mit dem FC Zürich (1981) Meister. Dazwischen spielte er für eine Saison mit Eintracht Frankfurt in der Bundesliga. Später kickte er noch für Xamax, Vevey und Yverdon. 1978 wurde er zum besten Schweizer Fussballer gewählt. Ausserdem stand er dreimal in ­einem Cupfinal (alle verloren) und dreimal im Ligacup-Final (alle gewonnen).

Auch in der Nati war der Stürmer erfolgreich. In 48 Länderspielen schoss er 6 Tore, das bedeutendste war sein Siegestreffer 1982 gegen den amtierenden Weltmeister Italien.

Elsener arbeitet seit 20 Jahren in der Immobilienbranche und lebt in Oberiberg SZ. Er hat drei Kinder.

Der Stadtzürcher wurde sowohl mit GC (1978) als auch mit dem FC Zürich (1981) Meister. Dazwischen spielte er für eine Saison mit Eintracht Frankfurt in der Bundesliga. Später kickte er noch für Xamax, Vevey und Yverdon. 1978 wurde er zum besten Schweizer Fussballer gewählt. Ausserdem stand er dreimal in ­einem Cupfinal (alle verloren) und dreimal im Ligacup-Final (alle gewonnen).

Auch in der Nati war der Stürmer erfolgreich. In 48 Länderspielen schoss er 6 Tore, das bedeutendste war sein Siegestreffer 1982 gegen den amtierenden Weltmeister Italien.

Elsener arbeitet seit 20 Jahren in der Immobilienbranche und lebt in Oberiberg SZ. Er hat drei Kinder.

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Ihr Spitzname lautet Turbo. Hängt der mit dem geklauten Porsche Turbo zusammen?
Nein, den verpasste mir Eintracht-Legende Charly Körbel. In einem Spiel gegen Bielefeld bestritt ich ein Laufduell. Dabei wurde ich auf die Tartanbahn rausgedrückt. Ich lief einfach weiter, überholte ihn aussen und rannte vorne wieder ins Spielfeld rein. Seitdem war ich der Turbo.

Als Sie 1978 nach Frankfurt wechselten, waren Sie der teuerste Schweizer Fussballer aller Zeiten und verdienten ordentlich Geld. Aufgewachsen sind Sie aber in armen Verhältnissen.
Ich lebte im Zürcher Kreis 5 zusammen mit meiner Schwester, meinen Eltern und den Grosseltern zu sechst in einer Dreizimmerwohnung.

Wie waren Ihre Eltern?
Mein Mami war ein Engel und mein Vater ein Diktator. Er hatte eine lockere Hand, «Flätteren» waren damals normal. Würde sich heute ein Vater so benehmen, könnte man ihn verklagen.

War der Fussball Ihre Rettung?
Wir haben immer gespielt, auf der Strasse oder im Hof. Im Winter haben wir uns den Ball mit Schuhschwärze angemalt, damit man ihn im Schnee sehen konnte. Die Teppichstangen waren unser Tor. Wenn du das verfehlt hast, ging halt eine Scheibe zu Bruch. Uns wurde sogar mal die Versicherung gekündigt, weil ich zu viele Scheiben zerstört hatte. Zu der Zeit war übrigens der Schuhmacher mein bester Freund.

Warum?
Wegen des vielen Spielens hatte ich immer Löcher in den Schuhen. Hätte mein Vater das gesehen, hätte es wieder Ärger gegeben. Doch zum Glück gab es bei uns einen Schuhmacher. Der hat mir die Schuhe immer gratis geflickt.

Konnte sich die Familie Elsener Ferien leisten?
Die einzigen Ferien hatten wir im Sommer. Da gingen wir immer für zwei Wochen in Südfrankreich campen. Doch mein Traum war es immer, mal Skiferien zu machen. Deshalb schaute ich am TV immer fasziniert den Spengler Cup und träumte davon, nach Davos zu reisen.

Ging dieser Traum später in Erfüllung?
Halbwegs, irgendwann fischten mein Vater und mein Grossvater kaputte Ski aus dem Abfall reicherer Leute. Sie lackierten sie neu, und wir gingen in Oberiberg Ski fahren. Das war richtig toll.

Mit elf begannen Sie beim FC Industrie. Konnten Sie sich überhaupt Fussballschuhe leisten?
Ich hatte zu Beginn die schlimmsten Gurken an und habe mich dafür richtig geschämt. Das waren so alte Dinger, solche mit Stahlkappen. Irgendwann bekam ich zu Weihnachten meine ersten richtigen Fussballschuhe, Adidas Santos. Doch dann verbot mir mein Vater, Fussball zu spielen.

Warum?
Ich brachte ein schlechtes Zeugnis nach Hause. Mein Vater schaute es an, stand auf, rief meinen Trainer an und sagte: «Der Ruedi kommt ab sofort nicht mehr ins Training.» Dann hängte er auf und meinte zu mir: «Du kannst erst wieder ins Training gehen, wenn das nächste Zeugnis gut ist.» Widerrede zwecklos. Deshalb musste ich ein halbes Jahr pausieren.

Mit 17 wechselten Sie als Arbeitersohn zum Nobelklub GC. Wie kam es dazu?
Trainer René Hüssy rief damals meinen Vater an und sagte, wir sollen mal vorbeikommen. Also zog sich mein Vater schön an. Schale, Krawatte, Hut, Mänteli.

Wie lief dieses Gespräch ab?
Ich sass einfach nur dort und habe kein Wort gesagt. Sie haben sich dann darauf geeinigt, mich für ein Jahr auszuleihen und mich bei den Inter-A-Junioren spielen zu lassen.

Bei GC trafen Sie dann auf Christian Gross.
Wir wurden schnell Freunde und gingen oft auch gemeinsam in die Ferien. Damals trug Jogi-Bär, wie er von den Niggl-Brüdern genannt wurde, noch ein Toupet. Das hat immer gemüffelt. Und wenn er mit seiner Solex ins Training fuhr, war er jeweils zu faul, es auch vorne mit Doppelklebeband festzumachen. Deshalb flatterte das Toupet immer beim Fahren. Ein köstliches Bild!

Haben Sie ihm als Freund nie gesagt «Chrigel, lass es sein»?
Doch, immer wieder. Irgendwann einmal waren wir in Saas-Fee in den Skiferien. Da sagte er plötzlich: «Nimm mir das Ding runter.» Also ging ich zur Rezeption und holte mir eine Schere. Ich habe ihm dann das Toupet, das ja seitlich am Haarkranz angenäht war, erst abgeschnitten, dann es zerschnitten und weggeworfen.

Mit GC waren Sie in einigen legendären Trainingslagern. Was passierte dort alles?
(Lacht.) Vieles davon darf man nicht erzählen. Einmal waren wir in Hongkong, Bangkok und Pattaya. Wir waren da noch keine 20. Sagen wir es so: Wir alle hatten damals noch keine festen Freundinnen, und weil wir hart trainierten, brauchten wir abends Pflege. Wir sind deshalb jeweils im Ausgang geschlossen als Mannschaft aufgetreten …

Damals arbeitete bei GC Masseur Hans Brunner, der zuvor die Rad-Legende Eddy Merckx betreut hatte. Bis heute heisst es, Sie sind gedopt gewesen.
Das Ganze war eigentlich eine einfache Geschichte. Damals lagen diese Coramin-Zältli einfach reihenweise auf dem Tisch. Da nahm man vor dem Spiel schon ein paar dieser Sugus zu sich, dazu noch reichlich Kaffee. Danach lief der Kolben auf 180.

Genau wegen dieses Coramins wurde Hürdenläufer Kariem Hussein diesen Sommer gesperrt.
Ja, aber damals stand das noch nicht auf der Liste. Demnach war es kein Doping. So einfach ist das.

Wer war Ihr verrücktester Trainer?
Da hatte ich einige. Zum Beispiel Helmuth Johanssen, mit dem ich bei GC regelmässig Ärger hatte. Oder auch René Hüssy. Dessen trockene Sprüche waren legendär.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Zu Ruedi Schneeberger sagte er immer: «Wenn du aufs Goal läufst, haust du den Ball entweder rein oder weit drüber. Dann haben wir genügend Zeit, um zurückzulaufen.» Oder zu Chrigel Winiger, der beim Rennen immer den Kopf unten hatte: «Chrigel, wenn die Eckfahne kommt, ist der Platz fertig.» Speziell war auch Albert Sing, den ich kurz beim FCZ hatte. Der ging vor dem Spiel immer aufs Klo und schaute, wie viel wir nebens Pissoir gepinkelt hatten.

Warum?
War viel daneben, wusste er, dass wir nervös waren.

Wie war es bei Xamax mit Gilbert Gress?
Der hat uns brutal trainieren lassen. Er hatte am liebsten unzufriedene Spieler, weil die dadurch mehr Leistung erbrachten. Wir mussten aber auch oft über ihn lachen. Im Winter trug er ja immer diesen Langhaar-Pelzmantel. Von hinten sah er mit seinen langen, grauen Haaren jeweils immer wie eine Frau aus.

Wer war Ihr verrücktester Teamkollege?
Auch da gab es natürlich viele. Ich kann mich noch an Mongi Ben Brahim bei Yverdon erinnern. Der konnte mit seinem Maul so pfeifen, wie eine Schiedsrichterpfeife klingt. Wenn ein Gegner alleine aufs Tor lief, pfiff er einfach, und der andere hielt an.

Damals gab es noch keinen VAR und keine unzähligen Kameras. Waren Sie Stürmer Freiwild?
Ja, das kann man schon so sagen. Es gab einige Verteidiger, die gnadenlos waren.

Wer zum Beispiel?
Gabet Chapuisat beim FCZ, Jean-Pierre Maradan beim FCB oder Alain Balet bei Sion. Um die musstest du einen grossen, einen sehr grossen Bogen machen. Die haben dich sonst einfach gnadenlos umgenietet. In einem der ersten Zürcher Derbys, die ich spielen durfte, wollte mich Chapuisat mit einem Karatesprung umhauen. Hüssy hat dann in der Halbzeit auf ihn gewartet und ihm einfach eine Ohrfeige gegeben.

Haben die Schiedsrichter Sie nie beschützt?
Nein, wenn dich einer so richtig übel umgegrätscht hat, ging der Schiri seelenruhig zu ihm hin und sagte: «Mach das nüme!» Danach durfte er es aber noch zwei-, dreimal machen, bevor er überhaupt die Gelbe bekam. Heute wäre das alles direkt Rot.

Haben Sie sich nie gewehrt?
Einmal hatten wir mit GC in Lugano ein Vorbereitungsspiel. Ein junger Spieler hat mich gleich ein paarmal umgehauen. Da habe ich ihm gesagt: «Lueg, das ist ein Freundschaftsspiel. Mach das nöd, eifach nöd.» Doch er machte weiter. Irgendwann bekam ich den Ball und er hängte sich von hinten wie ein Rucksack auf mich drauf. Da nahm ich seinen Finger und bog ihn um. Es hat richtig geknackst, und er schrie sehr laut.

Was passierte dann?
Ich schaute ihn an und sagte: «Ist jetzt gut?» Ich erhielt übrigens noch einen Freistoss zugesprochen, und er kam danach nicht mehr näher als einen Meter an mich ran.

1988 beendeten Sie Ihre Karriere. Wie schwierig war die Zeit danach?
Sehr schwierig. Seit ich 17 war, hatte sich mein ganzes Leben nur um den Fussball gedreht. Alles war verplant. Wann ich aufstehen musste. Wann ich ins Bett gehen musste. Als die neue Saison ohne mich begann, fiel ich in ein Loch. Ich stand auf einmal nicht mehr im Rampenlicht. Dann bist du plötzlich niemand mehr. Hinzu kamen körperliche Probleme.

Wie äusserten sich diese?
Ich war in Lugano in den Ferien und bekam auf einmal in beiden Beinen Krämpfe. Da bekam ich richtig Angst, und es kam ein Herzrasen hinzu. Mir ging es in der Zeit so schlecht, dass ich nicht einmal mehr 100 Meter rennen konnte, ohne zu hyperventilieren. Manchmal musste ich mich auf der Strasse einfach auf einen Randstein setzen, weil ich nicht mehr weiterlaufen konnte.

Wissen Sie heute, warum das damals so war?
Ich bin ja nicht der einzige Fussballer, der das nach der Karriere erlebt hat. Während du spielst, stehst du dauernd unter Druck und musst immer Topleistungen bringen. In der Zeit kommst du nicht dazu, Erlebtes zu verarbeiten.

Wie kamen Sie da wieder raus?
Es kann dir niemand helfen, nur du dir selber. Ich war auch beim Psychologen. Der redete nicht und sagte mir immer wieder: «Erzählen Sie, lassen Sie es raus.» Nach gut einem Jahr hatte ich die Krise überwunden.

In den letzten Jahren mussten Sie einige Beerdigungen ehemaliger Weggefährten besuchen. Denken Sie dadurch öfters über die Endlichkeit des Lebens nach?
Ich fühle mich gesund und fit, mache mir aber schon meine Gedanken. Ich stelle mir mein Leben wie eine 400-Meter-Bahn in einem Stadion vor und frage mich, wo ich mich gerade befinde.

Und wie lautet die Antwort?
Am Morgen denke ich oft: Ich bin auf der Schlussgeraden. Wenn es mir aber gut geht, denke ich, dass ich erst zu Beginn der zweiten Kurve bin. Ich weiss aber, dass es sehr schnell vorbei sein kann, denn ich hätte schon als Siebenjähriger Flügeli haben können.

Was war damals passiert?
Wir kamen von der Schule nach Hause. Ein Kollege nahm mir meine Kappe weg und rannte über die Strasse, ich hinterher und lief vor ein Auto. Mich hats dann 20 Meter durch die Luft gewirbelt, und ich brach bewusstlos zusammen. Damals lag ich über einen Monat zu Hause im Bett. Und ja, hätte ich Pech gehabt, wäre da schon alles vorbei gewesen.

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