Amoah führt St.Gallen zum Meistertitel (© 2000 SRF)
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Vor 20 Jahren Torschützenkönig:Amoah führt St.Gallen zum Meistertitel (© 2000 SRF)

FCSG-Meisterheld Charles Amoah im Interview
«Ich glaube an das St. Galler Wunder»

Vor zwanzig Jahren wurde St. Gallen letztmals Schweizer Meister. Mittendrin: Torschützenkönig Charles Amoah (45). Blick besucht Amoah in seiner neuen Heimat Graz. «Ich bete, dass St. Gallen das Wunder noch schafft», sagt der praktizierende Christ.
Publiziert: 25.07.2020 um 01:33 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2020 um 09:42 Uhr
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BLICK besucht Charles Amoah in seiner neuen Heimat Graz.
Foto: Felix Bingesser
Felix Bingesser aus Graz

«Prinz Charles» haben ihn die Ostschweizer Fussballfans gerufen. Dabei sind seine Ohren deutlich kleiner als diejenigen des englischen Prinzen. Sein Vorname ist ein Überbleibsel aus der englischen Kolonialzeit. In Ghana sind britische Namen gang und gäbe. Und so wird 1975 auch Amoah in seiner Grossfamilie in Accra auf den Namen Charles getauft.

Mit zwanzig Jahren kommt er zusammen mit seinem Kumpel zum FC Winterthur. Und dann via Frauenfeld und den FC Wil zu St. Gallen. Und in der Saison 99/2000 startet der pfeilschnelle Amoah durch und schiesst mit seinen Toren die Ostschweizer sensationell zum Meistertitel. Den letzten Titel bis zum heutigen Tag.

Das macht Hannes Kartnig, den damaligen Präsidenten von Sturm Graz, neugierig. Er blättert für Amoah mehr als vier Millionen auf den Tisch. Kartnig, ein extrovertierter Schillerfalter wie Christian Constantin, träumt von Titelgewinnen und grossen Auftritten in der Champions League.

Aber der damalige Rekordtransfer der österreichischen Fussballgeschichte bringt dem Rolls Royce-Fahrer Kartnig nicht die erhoffte Rendite. Amoah bleibt vieles schuldig, wird dann ausgeliehen, verletzt sich und beendet vor seinem 30. Geburtstag die Karriere. Bei der Brauerei Puntigamer findet er einen Job im Lager und stapelt Bierkisten.

Jetzt sitzt Prinz Charles in der Innenstadt von Graz vor dem Denkmal von Erzherzog Johann. Und erzählt.

BLICK: Charles Amoah, glauben Sie noch an den Titelgewinn des FC St. Gallen?
Charles Amoah: Natürlich. Sie können das Wunder schaffen. Das hoffe ich und dafür bete ich. Aber es wird schon sehr schwierig. Das 0:5 gegen Basel war schon ein brutaler und vielleicht entscheidender Rückschlag.

Sie sind bestens informiert.
Ich schaue praktisch jedes Spiel des FC St. Gallen. Der Verein ist meine Leidenschaft und meine grosse Liebe. Und die Mannschaft begeistert mich schon die ganze Saison. Sie spielt spektakulär und erfrischend. Sie hätte den Titel verdient.

Welcher Spieler fällt ihnen am meisten auf?
Demirovic. Der hat grosses Potenzial. Aber er muss noch etwas respektvoller und disziplinierter werden.

Erinnern Sie sich noch gut an den Titelgewinn vor 20 Jahren?
Natürlich. Die Fans waren unglaublich, wir haben in der Stadt bis zum Morgen durchgefeiert. In der Ostschweiz gibt es eine Fussballbegeisterung, wie man sie nur selten findet.

Wer war eigentlich damals ihr Sturmpartner?
Meistens Giorgio Contini. Oder dann der Rumäne Ionel Gane. Wir haben eine Whatsapp-Gruppe mit fast allen Spielern der Meisterschaft. Auch Jörg Stiel ist dabei. Wir haben immer noch Kontakt. Dieser Titel verbindet uns. Und dafür bin ich dankbar. Ich denke viel an meine Zeit in der Ostschweiz und an viele wunderbare Menschen.

Beispielsweise?
Zum Beispiel an Familie Oppikofer in Frauenfeld. Die haben mich aufgenommen wie einen Sohn. Und sie sind mit mir sogar einmal Skifahren gegangen. Aber das war nichts für mich. Wie schwimmen. Das wollte mir Marcel Koller schon in Wil beibringen. Erfolglos. In der Firma der Oppikofers habe ich auch meinen ersten Job gehabt. Ich habe vorher ja nie gearbeitet, sondern nur Fussball gespielt.

Meistertrainer Marcel Koller hat sie dann von Wil nach St. Gallen geholt. Ist er ein guter Trainer?
Nein. Er ist kein guter Trainer. Sondern ein hervorragender Trainer. Er ist der Baumeister unseres Meistertitels. Und er ist er ist ein ganz toller Mensch, dem ich in vielerlei Hinsicht viel zu verdanken habe. Er hat sich in allen Bereichen um mich gekümmert.

Zum Beispiel?
In St. Gallen haben meine Frau und ich einen neuen Fernseher gekauft. Aber wir hatten keine Ahnung, wie wir den montieren und in Betrieb nehmen. Da kam Marcel Koller zu uns nach Hause und hat alles erledigt. Wir hatten auch später immer wieder Kontakt. Als er Nationaltrainer in Österreich war hat er mich in Graz besucht.

Warum hat es bei Sturm Graz mit dem Tore schiessen nicht mehr so geklappt?
Die Erwartungshaltung war sehr gross. Und die Mannschaft war eine geschlossene Gruppe, da bin ich nie so richtig hineingekommen. Und dann kamen auch Verletzungen dazu.

In den USA gab es nach dem Mord an George Floyd Proteste gegen Rassismus. Wie haben Sie das erlebt?
In Graz gab es auch Demonstrationen. Aber ich habe daran nicht teilgenommen. Ich habe in Graz in all den Jahren keinen Rassismus erlebt.

Und in St. Gallen?
Auf dem Platz nie. Aber von der Tribüne gab es schon mal Sprüche. Die hat man natürlich in Frauenfeld besser gehört als im grossen Espenmoos. Es gab da auch ein Lokal, in dem Dunkelhäutige offenbar nicht erwünscht waren. Aber da haben wir den Kontakt gesucht und sind von denen später sogar eingeladen worden.

Nach ihrem Rücktritt haben Sie im Lager der Brauerei Puntigamer gearbeitet. Ein Kulturschock für einen gut bezahlten Fussballprofi.
Ich musste damals einen Job haben, ohne Arbeitsvertrag hätten wir das Land verlassen müssen. Und wir hatten drei kleine Kinder. Meine Frau hat dann später auch einen African-Shop in Graz gehabt.

Und heute?
Ich schaue mich im Moment nach einer neuen Arbeitsstelle um. Im Moment habe ich viel Zeit. Und hoffe, dass ich bald einmal wieder in der Ostschweiz bin. Der FC St. Gallen hat mich immer zu allen grösseren Anlässen eingeladen. Der Verein hat einfach Stil und Klasse.

Ihr 20-jähriger Sohn Winfred hat jetzt bei Sturm Graz den ersten Profivertrag unterschrieben. Hat er noch mehr Talent als Sie?
Das sehen wir dann. Er ist sehr schnell und spielt bei Graz rechts aussen. Ich hoffe, dass er den Durchbruch schafft. Und es wäre wunderbar, wenn er einst auch in St. Gallen spielen würde.

Dann würden Sie auch wieder in die Ostschweiz zügeln?
Eher nicht. Meine Frau und ich werden wohl nach Ghana zurückkehren, wenn meine drei Kinder gross sind. Aber die Ostschweiz wird immer in meinem Herzen sein. Und ich würde dem FC St. Gallen den Meistertitel so sehr gönnen.

Torschützenliste 1999/2000

Charles Amoah (FCSG): 26 Tore
Rainer Bieli (Xamax): 21 Tore
Efan Ekoku (GC): 17 Tore
Marcin Kuzba (Lausanne): 13 Tore
Alex Frei (Luzern): 13 Tore
George Koumantarakis (Basel): 13 Tore
Alexandre Rey (Servette): 13 Tore
Henri Camara (Xamax): 12 Tore
Stéphane Chapuisat (GC): 11 Tore
Hakan Yakin (GC): 10 Tore
Roumen Ivanov (Aarau): 10 Tore

Charles Amoah (FCSG): 26 Tore
Rainer Bieli (Xamax): 21 Tore
Efan Ekoku (GC): 17 Tore
Marcin Kuzba (Lausanne): 13 Tore
Alex Frei (Luzern): 13 Tore
George Koumantarakis (Basel): 13 Tore
Alexandre Rey (Servette): 13 Tore
Henri Camara (Xamax): 12 Tore
Stéphane Chapuisat (GC): 11 Tore
Hakan Yakin (GC): 10 Tore
Roumen Ivanov (Aarau): 10 Tore

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