Darum gehts
Wenn der Weltfussballverband Fifa umstrittene Entscheide fällt, lässt ihre Anklage oft nicht auf sich warten: Die Norwegerin Lise Klaveness (43) ist die härteste Kritikerin von Fifa-Präsident Gianni Infantino (55) und seiner Administration. Am Donnerstag wird die Präsidentin des norwegischen Fussballverbandes ins Exekutivkomitee der Uefa gewählt. Das versuchte sie vor zwei Jahren schon einmal, damals scheiterte sie allerdings. Vielleicht auch, weil sie manchen Kollegen zu kritisch ist.
Blick: Sie haben am Fifa-Kongress im März 2022 die WM-Vergabe nach Katar scharf kritisiert. 2023 haben Sie die Wahl ins Uefa-Exekutivkomitee verpasst. Sehen Sie da einen Zusammenhang?
Lise Klaveness: Ich kann nicht sagen, ob es mir diese Rede schwieriger gemacht hat. Aber natürlich ist das nicht überall nur gut angekommen. Das ist uns im Vorfeld bewusst gewesen. Aber wir haben es für nötig gehalten, das Thema Menschenrechte in den Fokus zu rücken. Gleichzeitig haben wir auch viel Zuspruch bekommen, vor allem von externen Gruppen.
Welche Folgen hatte Ihre Rede?
Danach waren wir Norweger einige Monate lang etwas isoliert. Das ist der Preis, den man manchmal zahlen muss. Wichtig ist, das Gleichgewicht zu finden. Der Fussball muss immer im Mittelpunkt stehen.
Sie haben auch die WM-Vergabe 2034 nach Saudi-Arabien kritisiert.
Unsere Einwände hatten nichts mit diesem oder jenem Land zu tun. Sie hatten mit den Regeln zu tun, die im Rahmen der Reform nach der Vergabe an Katar und Russland eingeführt wurden. Zum Beispiel, dass zwei Weltmeisterschaften nicht mehr zusammen vergeben werden sollen. Das war eine vernünftige Regelung. Nun ist die Fifa aber wieder davon abgewichen. Das ist keine gute Entwicklung. Und natürlich müssen wir die Führung dafür verantwortlich machen.
Lise Klaveness (*19. April 1981 in Meland) holt als Fussballerin in Norwegen und Schweden mehrere Meistertitel und Pokalsiege. Für das norwegische Nationalteam bestreitet die Offensivspielerin insgesamt 73 Länderspiele. Bereits während ihrer Spielerinnenkarriere schliesst sie ihren Master in Rechtswissenschaften ab und arbeitet als Anwältin. Nach ihrem Karriereende 2011 ist sie als stellvertretende Richterin am Bezirksgericht Oslo tätig. Später arbeitet Klaveness auch als Fussball-Expertin, bis sie 2022 das Präsidium des norwegischen Fussballverbands übernimmt. Für ihr Engagement ihm Rahmen der WM in Katar ist sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden. Klaveness ist verheiratet und hat drei Kinder.
Lise Klaveness (*19. April 1981 in Meland) holt als Fussballerin in Norwegen und Schweden mehrere Meistertitel und Pokalsiege. Für das norwegische Nationalteam bestreitet die Offensivspielerin insgesamt 73 Länderspiele. Bereits während ihrer Spielerinnenkarriere schliesst sie ihren Master in Rechtswissenschaften ab und arbeitet als Anwältin. Nach ihrem Karriereende 2011 ist sie als stellvertretende Richterin am Bezirksgericht Oslo tätig. Später arbeitet Klaveness auch als Fussball-Expertin, bis sie 2022 das Präsidium des norwegischen Fussballverbands übernimmt. Für ihr Engagement ihm Rahmen der WM in Katar ist sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden. Klaveness ist verheiratet und hat drei Kinder.
Beide Turniere wurden gemeinsam per Akklamation vergeben. Sie haben als einzige Stimmberechtigte auf das Applaudieren verzichtet.
Wir konnten als Norwegen in dieser Situation keine Akklamation geben. Wir wollten darauf hinweisen, dass man in einem System mit so grossen Interessen und so viel Geld den eigenen Statuten folgen sollte. Es ist sehr wichtig, dass die Verfahren gründlich sind und dass sie den Vorschriften entsprechen.
Hätten Sie sich mehr Unterstützung erhofft? Vielleicht auch vom Schweizer Verband?
Nein, ich bin schliesslich seit einigen Jahren in diesem politischen Spiel dabei und bin bescheiden genug, um nicht von irgendjemandem enttäuscht zu sein. Ich weiss, wie schwierig und komplex das ganze System ist.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Gianni Infantino?
Ich versuche, mit meiner Kritik nie persönlich zu werden. Ich bin selbst eine gewählte Führungskraft. Ich habe darum grossen Respekt vor den gewählten Führungskräften der Fifa. Ich versuche darum, mich bei meiner Kritik immer auf andere Dinge zu konzentrieren. Was steht im Reglement? In welchem Rahmen sollen wir abstimmen? Und wenn wir uns darüber Sorgen machen, fragen wir nach, erheben Einwände und versuchen, Druck auszuüben. Wir können uns zum Beispiel kulturell oder auch religiös nicht über alles einigen und das werden wir auch nie. Aber wir können uns auf die Statuten einigen.
Gianni Infantino war bei der Vereidigung von US-Präsident Donald Trump persönlich anwesend. Wie sehen Sie das?
Es ist sehr wichtig, dass die Verantwortlichen im Fussball gute Beziehungen zu allen Staatsoberhäuptern haben. Natürlich immer mit einer gewissen Distanz. Der Fussball ist so gross, dass man als Funktionär immer wieder auf Staatsoberhäupter trifft. Die WM der Männer 2026 in Nordamerika ist das grösste Sportereignis der Welt, also muss man den Staat an seiner Seite haben. Darum ist es gut und wichtig, dass Infantino eine gute Beziehung zu Trump hat. Entscheidend ist, Transparenz zu gewährleisten und Interessenkonflikte zu vermeiden.
Sind Sie mutig?
Ich bin vielleicht eher prinzipientreu als mutig. Aber ich bin nicht unmutig. Ich bin ein Mensch, der keine Angst hat. Ich denke, meine Freiheit ist mein grösstes Kapital. Ich kann jederzeit etwas anderes machen, wenn ich will. Ich sehe mich vor allem aber auch als Teamplayer. Ich muss immer versuchen, ein Gleichgewicht zwischen Einflussnahme und Zusammenarbeit zu finden. Nur dann kann ich effektiv sein.
Am Donnerstag werden Sie die Wahl ins Uefa-Exekutivkomitee schaffen. Sie sind die einzige Kandidatin für den Frauen-Sitz. Vor zwei Jahren versuchten Sie es auf dem «normalen» Weg – ohne Erfolg.
Der Frauen-Sitz war auch für Nicht-Verbandspräsidentinnen verfügbar. Weil ich wusste, dass Laura McAllister dafür kandidieren würde, wollte ich ihr 2023 nicht im Weg stehen. Es gibt nicht viele Frauen im europäischen Fussball-Geschäft, darum müssen wir zusammenarbeiten.
Waren Sie enttäuscht, dass Sie es als Frau nicht auf dem «normalen» Weg geschafft haben?
Ich wusste, dass ich es wahrscheinlich nicht schaffen werde. Das war sehr offensichtlich. Für mich war es vor allem ein Schritt, um zu lernen und zu normalisieren, dass Frauen kandidieren. Jetzt haben wir einen weiteren Frauen-Sitz. Ich glaube schon, dass dieser auch deswegen geschaffen worden ist. Es wäre respektlos, wenn ich jetzt nicht kandidiert hätte.
Auch der Schweizer SFV-Präsident Dominique Blanc kandidiert.
Dominique ist ein toller Typ! Ich hoffe, er schafft es. Ich habe viel mit ihm zusammengearbeitet. Wir waren die beiden einzigen Verbandspräsidenten, die in der Arbeitsgruppe für die WM in Katar waren. Er ist eine sehr hilfsbereite Person.
Ihre Nation trifft im Sommer an der EM der Frauen auf die Schweizer Nati. Welche Erwartungen haben Sie an die EM in der Schweiz?
Es wird ein grossartiges Turnier. Alle Gruppen sind sehr ausgeglichen. Es werden enge Spiele sein, niemand wird durchspazieren. Es wird ein echtes Fest des Frauenfussballs werden. Und ich denke, wir werden noch einmal ein anderes Niveau sehen als 2023 in England.
Warum?
Wir erleben in Europa eine wahre Explosion von professionellen Klubs. Früher, als ich gespielt habe, gab es nur die USA und Schweden, wo man professionell spielen konnte. Heute gibt es professionelle Ligen in Deutschland, Spanien, Frankreich, England, den Niederlanden. Und es kommen mehr und mehr dazu. Die Nationalmannschaften sind schon lange Zeit auf einem guten Level. Dass der Vereinsfussball jetzt auch zulegt, hebt das Gesamtniveau noch einmal an.