Nati-Coach Petkovic hat eine Vision
«Ich will in der Schweiz eine Ära prägen»

Vladimir Petkovic sitzt in der Villa Sassa in Lugano. Braungebrannt. Zufrieden mit sich und der Welt. Und voller Zuversicht vor den entscheidenden Spielen gegen Ungarn und Portugal.
Publiziert: 24.09.2017 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 07:10 Uhr
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«Wir müssen den Schritt zu einer grossen Fussball­nation erst noch machen», sagt Vladimir Petkovic.
Foto: TOTO MARTI
Felix Bingesser (Interview) und Toto Marti (Fotos)

Nach harzigem Start in sein Amt ist Vladimir Petkovic (54) endgültig aus dem Schatten seiner Vorgänger Köbi Kuhn und Ottmar Hitzfeld getreten. Er ist statistisch der beste Nati-Coach aller Zeiten. Und er verrät, wie er Ronaldo stoppen will.

BLICK: Vladimir Petkovic, ist die Schweizer Nati stärker einzustufen als Frankreich?
Vladimir Petkovic: Mathematisch schon, ja. Wir stehen in der Fifa-Weltrangliste ja nicht nur vor Frankreich. Sondern auch vor Italien, England und Spanien. Aber das ist natürlich die Mathematik des Augenblicks.

Und Fussball ist keine Mathematik.
Die Resultate prägen und bestimmen vieles. Aber nicht alles. Darum ist ja klar, dass eine solche Rangliste auch hinkt. Wir können uns mit diesen ganz grossen Mannschaften noch nicht vergleichen.

Unter Petkovic soll der Schweizer Nati ein Exploit gelingen.
Foto: TOTO MARTI

Noch nicht?
Ja, noch nicht. Wir müssen den Schritt zu einer grossen Fussball­nation erst noch machen. Da fehlt uns die Konstanz von Erfolgserlebnissen auch gegen grosse und klassische Fussballnationen.

Und es fehlt ein Exploit an einem grossen Turnier. Ein Viertelfinal bei einer WM-Endrunde beispielsweise.
Ja, und so etwas streben wir auch an. Das wäre dann dieser nächste, grosse Schritt. Und ich weiss, dass diese Erwartungshaltung und Hoffnung bei den Fans besteht. Sie besteht auch bei der Mannschaft und bei mir. Aber ich möchte eigentlich nicht über die WM-Endrunde reden, solange wir die Qualifikation noch nicht in der Tasche haben.

Was machen Sie eigentlich zwischen dem 9. und 14. November?
Da bin ich hoffentlich mit der Nati auf einem anderen Kontinent unterwegs. Bei einem Freundschaftsspiel.

Das sind die Zeitfenster der Barragespiele für die WM.
Ich weiss.

Dann gehen Sie also davon aus, dass wir uns als Gruppensieger direkt für die WM qualifizieren.
Jetzt müssen wir erst einmal die Hausaufgaben gegen Ungarn machen. Und dann haben wir eigentlich drei Barragespiele vor uns. Aber wir wollen im ersten schon alles klarmachen.

Der Nati-Coach steht in Lugano Rede und Antwort.
Foto: TOTO MARTI

Zwei Unentschieden genügen ja.
Zwei Siege auch ... (lacht) Natürlich ist Portugal Favorit. Aber wir sind überzeugt, dass wir auch in Lissabon punkten können. Für dieses Ziel tun wir alles.

Was stimmt Sie so zuversichtlich?
Wir sind als Mannschaft enorm gewachsen. Wir können agieren, aber im Spiel auch reagieren. Wir haben eine tolle Dynamik und eine gute Stimmung. Nicht nur bei den Spielern. Wenn wir zur Nationalmannschaft einrücken, kommen fünfzig Personen mit Freude und Begeisterung. Das kommt nicht von ungefähr …

Die Schweiz hat eine weisse Weste und bereits 24 Punkte auf dem Konto. Trotzdem kommt es in Portugal zum Showdown. Ein einziges Spiel wird entscheiden. Wäre es besser, man hätte eine ausgeglichenere Gruppe gehabt?
Das ist hypothetisch. Die vielen Erfolgserlebnisse haben uns auch sehr viel Selbstvertrauen und Stilsicherheit gebracht.

Aber wir sind ja auch in der schwächsten aller Qualifikationsgruppen, oder?
Das sagen Sie. Nach der Auslosung hat es ganz anders getönt. Da hatten alle Bedenken, ob wir die Ungarn, die bei der EM-Endrunde dabei waren und die Gruppe mit Portugal, Island und Österreich gewonnen hatten, im Kampf um Platz zwei in Schach halten. Und hinterher reden alle nur noch vom Gruppensieg und von dieser vermeintlich schwachen Gruppe.

Der 54-Jährige dirigiert die Nati von Sieg zu Sieg.
Foto: TOTO MARTI

Ärgert Sie das?
Wir haben bisher eine tolle Quali­fikation gespielt, unabhängig davon, wie das Ganze endet. Wir haben vor niemandem Angst gehabt, aber auch niemanden unterschätzt.

Können Sie die Aufstellung Ihres ersten Spieles als Nati-Coach bei der 0:2-Niederlage 2014 gegen England noch nennen?
Ja, natürlich. Sommer, Lichtsteiner, Von Bergen, Djourou, Rodriguez, Shaqiri, Behrami, Inler, Xhaka, Mehmedi und Drmic. Oder Seferovic?

Ja, Seferovic. Der Rest stimmt. Es ist mit Ausnahme von Inler und Von Bergen die gleiche Mannschaft wie heute. Sie haben eigentlich in den letzten Jahren gar nichts verändert.
Der Stamm ist derselbe, das stimmt. Und trotzdem ist es eine andere, eine ganz neue Mannschaft. Wir sind eine Einheit mit einem ganz anderen Teamspirit und ganz anderem Selbstvertrauen als damals. Und wir haben schon junge Spieler nachgezogen.

Sie haben sich früher über fehlende Wertschätzung beklagt. Hat sich das geändert?
Ich werde anders, sicher positiver wahrgenommen. Das hat natürlich in erster Linie mit den guten Resultaten zu tun, da muss man sich nichts vormachen. Aber ich habe mich auch verändert.

Inwiefern?
Ich versuche, noch offener und zugänglicher zu sein.

Waren Sie das vorher nicht?
Doch. Aber es ist nicht so rübergekommen. Wir haben darum zum Beispiel die Interviews neu arrangiert. Statt schnelle Fragen und Antworten im TV gibt es jetzt Studio-Situationen im Stadion, in denen man ruhig und sachlich über Fussball spricht. So wie wir jetzt hier in Lugano. Zwei Sessel und Couchtisch statt Pressekonferenz mit Bühne und Kino-Bestuhlung.

«Wir sind einen Einheit mit ganz anderem Teamspirit» freut sich Petkovic.
Foto: TOTO MARTI

Ihre Vertragsverlängerung ist ohne Diskussion über die Bühne gegangen. Hatten Sie eigentlich andere Angebote?
Konkret hat niemand mit mir gesprochen. Aber ich habe auch keine entsprechenden Signale ausgesandt.

Und Ihr Manager, der den Markt auslotet?
Hatte ich noch nie. Ich kümmere mich selber um meine Belange. (Pause) Meine Aufgabe hier ist noch nicht beendet.

Gibt es eine Ausstiegsklausel, wenn es mit der WM-Qualifikation doch noch schiefgehen sollte?
Nein. Wie gesagt: Meine Aufgabe hier ist noch nicht beendet.

Fehlt Ihnen die tägliche Arbeit eines Klubtrainers nie?
Natürlich kann man als Klubtrainer in kurzer Zeit mehr bewegen. Eine Nationalmannschaft zu trainieren, hat andere reizvolle Herausforderungen.

Und der Stress ist weniger gross als früher bei YB oder bei Lazio Rom.
Ja, das stimmt. Vor allem, wenn es so gut läuft wie bei uns. Ansonsten wäre es auch ein Dauerstress, wenn ständig an der Nationalmannschaft herumgenörgelt würde. Dann käme man zwischen den Länderspielterminen auch nicht zur Ruhe.

Sie wirken entspannt und gelöst wie nie. Das sieht man Ihnen an. Das wird auch Ihre Frau freuen.
Ich habe ihr auch vorher gefallen. Wir sind im November dreissig Jahre verheiratet.

Können Sie sich vorstellen, bei der Schweizer Nationalmannschaft pensioniert zu werden.
Der Fussball ist ein schönes und wildes Geschäft. Und am Ende ist man immer von den Resultaten abhängig. Darum mache ich keine solchen Pläne. Aber ich habe schon Lust, in der Schweiz eine gewisse Ära zu prägen.

Petkovic: «Ich habe immer an Seferovic geglaubt. Auch als andere gezweifelt haben.»
Foto: TOTO MARTI

Haben Sie da als Nationaltrainer ein Vorbild?
Ich nenne da jetzt keinen Trainer. Eher ein Land. Mir hat damals imponiert, wie Spanien mit einem eigenen Stil eine ganze Ära geprägt hat. Von einer solchen Entwicklung und einer solch nachhaltigen Arbeit träumt jeder Nationalcoach.

Wir haben gegen ein Portugal ohne Ronaldo gewonnen. Jetzt wird Ronaldo dabei sein. Ändert das viel?
Sie haben einen Topspieler mehr. Das wollen wir als Mannschaft aber lösen können.

Mit Haris Seferovic haben Sie endlich den lange gesuchten Topstürmer. Hat er die grösste Entwicklung gemacht?
Ich habe immer an ihn geglaubt. Auch als andere gezweifelt haben. Er hat auch immer viel für die Mannschaft gearbeitet, auch wenn er nicht getroffen hat. Jetzt spielt er im Klub endlich wieder in der Spitze. In seiner Lieblingsposition.

Es gibt auch Sorgenkinder. Blerim Dzemaili spielt in Kanada?
Das ist für mich kein Problem. Auch da kann er in WM-Form kommen.

Wie schaut es bei Josip Drmic aus?
Er hat mich grad angerufen. Er ist sehr bald wieder voll im Mannschaftstraining.

Bieten Sie Breel Embolo wieder auf?
Wenn er fit ist und im Klub spielt, dann ist er wieder dabei.

Sie haben einen Wunsch frei. Würden Sie Ronaldo, Messi oder Neymar gerne in Ihrem Team aufnehmen?
Alle drei sind aussergewöhnliche Klassespieler, keine Frage. Und sie haben noch eine Gemeinsamkeit: Keiner von ihnen gewinnt ein Spiel allein.

WM-Quali Gruppe A
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Deutschland
Deutschland
0
0
0
1
Luxemburg
Luxemburg
0
0
0
1
Nordirland
Nordirland
0
0
0
1
Slowakei
Slowakei
0
0
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe B
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Kosovo
Kosovo
0
0
0
1
Slowenien
Slowenien
0
0
0
1
Schweden
Schweden
0
0
0
1
Schweiz
Schweiz
0
0
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe C
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Belarus
Belarus
0
0
0
1
Dänemark
Dänemark
0
0
0
1
Griechenland
Griechenland
0
0
0
1
Schottland
Schottland
0
0
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe D
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Aserbaidschan
Aserbaidschan
0
0
0
1
Frankreich
Frankreich
0
0
0
1
Island
Island
0
0
0
1
Ukraine
Ukraine
0
0
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe E
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bulgarien
Bulgarien
0
0
0
1
Georgien
Georgien
0
0
0
1
Spanien
Spanien
0
0
0
1
Türkei
Türkei
0
0
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe F
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Armenien
Armenien
0
0
0
1
Ungarn
Ungarn
0
0
0
1
Irland
Irland
0
0
0
1
Portugal
Portugal
0
0
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe G
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Polen
Polen
2
3
6
2
Finnland
Finnland
2
1
4
3
Litauen
Litauen
2
-1
1
4
Niederlande
Niederlande
0
0
0
5
Malta
Malta
2
-3
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe H
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bosnien und Herzegowina
Bosnien und Herzegowina
2
2
6
2
Rumänien
Rumänien
2
3
3
3
Zypern
Zypern
2
1
3
4
Österreich
Österreich
0
0
0
5
San Marino
San Marino
2
-6
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe I
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Norwegen
Norwegen
2
7
6
2
Estland
Estland
2
0
3
3
Israel
Israel
2
-1
3
4
Italien
Italien
0
0
0
5
Moldawien
Moldawien
2
-6
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe J
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Nordmazedonien
Nordmazedonien
2
3
4
2
Wales
Wales
2
2
4
3
Kasachstan
Kasachstan
2
0
3
4
Belgien
Belgien
0
0
0
5
Liechtenstein
Liechtenstein
2
-5
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe K
Mannschaft
SP
TD
PT
1
England
England
2
5
6
2
Albanien
Albanien
2
1
3
3
Lettland
Lettland
2
-2
3
4
Serbien
Serbien
0
0
0
5
Andorra
Andorra
2
-4
0
Qualifiziert
Playoffs
Gruppe L
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Tschechien
Tschechien
2
5
6
2
Montenegro
Montenegro
2
3
6
3
Kroatien
Kroatien
0
0
0
4
Färöer
Färöer
2
-2
0
5
Gibraltar
Gibraltar
2
-6
0
Qualifiziert
Playoffs
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