Von Andreas Böni aus Vanderbijlpark

Herr Sutter, was ist bei Ihnen 1994 genau passiert?
Alain Sutter: Im ersten WM-Gruppenspiel gegen die USA stand mir nach 20 Minuten einer auf meinen starken linken Fuss. Es tat überhaupt nicht weh. Als ich in der Pause den Schuh auszog, war der Zeh total geschwollen. Die zweite Halbzeit spielte ich problemlos, aber beim Röntgen danach sah man, dass der kleine Zeh gebrochen war.

Was passierte dann?
Ich liess mich für die Spiele gegen Rumänien und Kolumbien fitspritzen. Und wollte im Achtelfinal gegen Spanien unbedingt auflaufen. Zehn Minuten vor dem Auslaufen liess ich mir eine Spritze setzen. Als die Nadel eingestochen wurde, hatte ich irre Schmerzen. Es fühlte sich an, als ob die Nadel ins Fleisch, direkt durch den Knochen ging und dann auf der anderen Seite wieder rauskam. Trotzdem ging ich zum Aufwärmen, obwohl ich kaum gehen konnte. Ich habe es ausgereizt bis zum letzten Moment. Aber: Die Problematik war bei mir eine andere – wie jetzt auch bei Alex Frei und seiner Verstauchung.

Nämlich?
Die Spiele sind weniger das Problem, mit Spritzen kriegt man das schon irgendwie hin. Die fehlenden Trainings sind das Handicap. Ich habe 1994 nicht mehr trainiert, sass nur noch rum oder auf dem Rad. Über längere Zeit geht das nicht gut. Da verlierst du den Rhythmus und auf dem hohen Niveau einer Weltmeisterschaft reicht das dann einfach nicht. Selbst wenn die Verletzung komplett ausgeheilt ist.

Also sollte Frei ohne Training auf das Spanien-Spiel freiwillig verzichten oder soll er spielen?
Da musst du gut in dich hineinhören. Aber für mich ist klar: Alex soll nicht entscheiden. Das kannst du als Spieler gar nicht. Ich hätte dem Trainer nie gesagt, dass es nicht geht. Als Spieler bist du nicht mehr objektiv in dieser Situation. Du weisst nicht, wie lange du noch dabei bist, die nächste WM ist in vier Jahren. Hier ist Ottmar Hitzfeld gefragt.

Frei hatte davor zudem noch einen Oberarm-Bruch, spielte monatelang nicht. Hat er auf Sie in den Testspielen gegen Costa Rica und Italien fit gewirkt?
Er ist sozusagen doppelt handicapiert, das macht schon was aus. Bei mir liefs 1994 sensationell, ich war super drauf und wechselte zu Bayern München, das war eine andere Situation. Ich fand, dass er gegen Costa Rica stark gekämpft hat und viel gelaufen ist. Gegen Italien fehlte ihm dann eine gewisse Frische. Aber eben: Wichtig wären für Alex die Trainings vor dem Spiel gewesen. Sein Ziel muss auch jetzt sein, möglichst schnell auf dem Trainingsplatz zu sein.

Warum würde uns der Ausfall von Frei derart treffen?
Er kann den Unterschied machen. Aber nochmals: Der Trainer ist gefragt. Er muss abwägen, wie es im Team aussieht. Gegen Spanien kann man es auch ohne ihn versuchen und vielleicht kann er dann gegen Chile und Honduras zumindest ein wertvoller Joker sein. Es gibt viele Optionen.